Leitsatz (amtlich)
Sonderdrucke eines Artikels aus einer wissenschaftlichen Zeltschrift, der über klinische Erfahrungen mit einem Arzneimittel berichtet, fallen unter die Tarifnr. 49.01.
Normenkette
GZT Vorschrift 4 zu Kap. 49, Tarifnr. 49.01; GZT Vorschrift 4 zu Kap. 49, Tarifnr. 49.11
Tatbestand
Die Klägerin beantragte am 3. Dezember 1971 die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) für broschierte Sonderabdrucke aus einer amerikanischen medizinischen Fachzeitschrift. Die Sonderabdrucke wurden auf Bestellung der Klägerin hergestellt und sind zur Information von Ärzten in der Bundesrepublik bestimmt. Sie enthalten einen Bericht amerikanischer Ärzte über die Anwendung eines von der Klägerin hergestellten pharmazeutischen Präparats und die bei der klinischen Erprobung im Rahmen sogenannter Blindversuche gesammelten Erfahrungen.
Die Beklagte (die Oberfinanzdirektion – OFD –) hatte die Drucke in ihrer vZTA vom 10. Januar 1972 – 7/72 zunächst als wissenschaftliche Abhandlung der Tarifnr. 49.01 zugewiesen. Bei Überprüfung der Auskunft kam sie zu dem Ergebnis, daß die Auskunft nicht aufrechterhalten werden könne. Sie hob sie durch Bescheid vom 23. Oktober 1972 nach § 31 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) auf und teilte der Klägerin dabei „unverbindlich” mit, daß die Druckerzeugnisse der Tarifst. 49.11 B zuzuweisen seien.
Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. In ihrer Entscheidung führte die OFD aus, daß derartige Druckerzeugnisse nach Vorschrift 4 zu Kap. 49 des Zolltarifs (ZT) zur Tarifnr. 49.11 gehörten. Diese Vorschrift lautet: „Drucke, die zu Werbezwecken durch oder für einen darin genannten Werbungstreibenden herausgegeben werden, und Drucke, die überwiegend Werbezwecken (einschließlich Reisewerbung) dienen, gehören nicht zu den Tarifnrn. 49.01 und 49.02, sondern zur Tarifnr. 49.11.” Zur Tarifnr. 49.01 gehören nach Randziff. 14 der Erläuterungen zum Brüsseler Zolltarifschema (Brüsseler Erl.) „wissenschaftliche und andere Abhandlungen, die durch oder für Industriebetriebe oder ähnliche Organisationen herausgegeben werden …, wenn sie keinerlei unmittelbare oder mittelbare Werbung enthalten”. Nach Randziff. 13 dieser Erläuterungen gehören dagegen nicht zur Tarifnr. 49.01 „Waren, die durch oder für ein Wirtschaftsunternehmen zu Werbezwecken herausgegeben werden, auch wenn die Waren keinen unmittelbaren Werbecharakter haben”. Die Tatsache, so führt die OFD weiter aus, daß sich ein Druckerzeugnis als wissenschaftliche Abhandlung kennzeichne, schließe nicht aus, daß ein solcher Fachbericht auch werbenden Charakter haben könne, zumal es in der pharmazeutischen Branche üblich sei, nicht in marktschreierischer Form, sondern durch sachliche Darstellung zur Verwendung von bestimmten Medikamenten anzuregen. Dabei würden ärztliche Berichte und die klinische Erprobung eines Arzneimittels, die üblicherweise in Form von Sonderabdrucken an einschlägige Fachkreise versandt würden, als die beste und aussichtsreichste Reklame angesehen. In dem Bericht, der im fraglichen Sonderabdruck wiedergegeben sei, werde u. a. ausgeführt, daß bei dem verwendeten Präparat die Häufigkeit der Herzanfälle und der Verbrauch nitroglyzerinhaltiger Mittel erheblich geringer gewesen seien und die Patienten sich während der Behandlung deutlich wohler gefühlt hätten. Nach diesem Inhalt eigne sich der Sonderdruck geradezu beispielhaft dazu, zur Verwendung des von der Klägerin hergestellten Präparats anzuregen und somit zumindest mittelbar Werbezwecken zu dienen. Außerdem seien die Sonderdrucke vom Verlag der Fachzeitschrift nur auf besondere Bestellung der Klägerin hergestellt und damit für den Besteller herausgegeben worden. Nach alledem kennzeichneten sich die Sonderdrucke als Druckerzeugnisse zu Werbezwecken die für einen darin genannten Industriebetrieb herausgegeben seien. Derartige Druckerzeugnisse gehörten nach Vorschrift 4 zu Kap. 49 ZT zur Tarifnr. 49.11.
Dagegen richtet sich die Klage mit der Begründung, die Aufhebungsverfügung und die Einspruchsentscheidung beruhten auf einer fehlerhaften Auslegung der Vorschrift 4 des Kap. 49 ZT und der Brüsseler Erläuterungen dazu. Die Sonderdrucke müßten überwiegend Werbezwecken dienen, um unter die Tarifnr. 49.11 zu fallen. Das sei aber nicht der Fall. In der Einspruchsentscheidung habe die OFD lediglich ausgeführt, daß der Sonderdruck geeignet sei, die Anwendung eines der Arzneimittel der Klägerin anzuregen, und somit zumindest mittelbar Werbezwecken diene. Der Sonderdruck falle auch nicht etwa deshalb unter die Tarifnr. 49.11, weil er von ihr, der Klägerin, oder für sie herausgegeben worden sei. Bei dem Sonderdruck handle es sich um eine wissenschaftliche Abhandlung. Er sei weder von ihr veröffentlicht noch von ihr verlegt worden. Ihre Funktion habe sich lediglich auf den Kauf der fertiggestellten Sonderdrucke beschränkt. Nach Randziff. 14 Brüsseler Erl. zur Tarifnr. 49.01 gehörten wissenschaftliche Abhandlungen zur Tarifnr. 49.01, wenn sie keinerlei unmittelbare oder mittelbare Werbung enthielten. In ihrer Einspruchsentscheidung habe die OFD nicht dargetan, daß der Sonderdruck irgendwelche Werbung enthalte. Sie habe lediglich ausgeführt, daß er geeignet sei, zur Verwendung eines ihrer, der Klägerin, Arzneimittel anzuregen, und somit zumindest mittelbar Werbezwecken diene. Auf die Eignung zu Werbezwecken komme es aber nach dem klaren Wortlaut der Randziff. 14 Brüsseler Erl. nicht an. Der Sonderdruck sei danach als Broschüre der Tarifnr. 49.01 ZT zuzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Einspruchsentscheidung und die Verfügung der OFD vom 23. Oktober 1972 aufzuheben.
Die OFD beantragt die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Streitig ist, ob die fraglichen Drucke der Tarifnr. 49.01 oder 49.11 zuzuordnen sind. Nach der Vorschrift 4 zu Kap. 49 ZT gehören Drucke, die zu Werbezwecken durch oder für einen darin genannten Werbungstreibenden herausgegeben werden, und Drucke, die überwiegend Werbezwecken dienen, nicht zu den Tarifnrn. 49.01 und 49.02, sondern zur Tarifnr. 49.11. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier jedoch nicht vor.
Die erste Alternative dieser Vorschrift spricht von Drucken, die zu Werbezwecken durch oder für einen darin genannten Werbungstreibenden herausgegeben wurden. Die fraglichen Drucke sind, wie in ihnen ausdrücklich vermerkt ist, Sonderdrucke aus einer amerikanischen medizinisch-wissenschaftlichen Zeitschrift, deren Copyright eine amerikanische Firma besitzt. Herausgegeben sind die Drucke also durch die das Copyright besitzende Firma d. h. nicht „durch einen darin genannten Werbungstreibenden” Die Drucke sind auch nicht „für” einen solchen Werbungstreibenden herausgegeben worden. Es ist schon fraglich, ob in der Notiz am Ende des in den Drucken wiedergegebenen Artikels, daß die geprüften Präparate durch eine namentlich genannte amerikanische Firma zur Verfugung gestellt worden seien, die Benennung eines Werbungstreibenden im Sinne der Vorschrift 4 zu Kap. 49 ZT gesehen werden kann, zumal die werbungstreibende Firma, die Klägerin, und die im Druck genannte Firma nicht personengleich, wenn auch geschäftlich verbunden sind. Jedenfalls aber ist die Herausgabe der Drucke nicht „für” die Klägerin erfolgt. Zwar ist es zur Erfüllung der genannten Voraussetzungen nicht unbedingt erforderlich, daß der Name des Werbungstreibenden, für den die Drucke herausgegeben werden, im Impressum erscheint. Bei der Tarifierung einer Ware kommt es jedoch wesentlich auf deren objektive Beschaffenheit und den erkennbaren Bestimmungszweck an. Als für jemanden herausgegeben kann also ein Druck nur dann angesehen werden, wenn sich aus seinem Inhalt mit einiger Deutlichkeit ergibt, daß die Herausgabe (das Erscheinenlassen und Verbreiten) im alleinigen oder überwiegenden Interesse des betreffenden Werbungstreibenden erfolgt ist. Die Tatsache allein, daß der Druck auf Bestellung hergestellt worden ist und vom Besteller im wesentlichen zu Werbezwecken verwendet werden soll, genügt noch nicht um diese Voraussetzungen zu erfüllen. Sie müßte ihren Niederschlag im Druck selbst gefunden haben. Daran fehlt es hier.
Auch die zweite Alternative der Vorschrift 4 zu Kap. 49 ZT („Drucke, die überwiegend Werbezwecken dienen”) liegt nicht vor. Die Drucke geben einen Artikel aus einer wissenschaftlichen Zeitschrift wieder und zwar einen Bericht amerikanischer Ärzte über ihre Erfahrungen mit der Anwendung des Präparats. Nach Inhalt und Erscheinungsort ist Zweck einer solchen Veröffentlichung in erster Linie die Unterrichtung der interessierten Öffentlichkeit, insbesondere der behandelnden Ärzte, über ein therapeutisches Problem. Der unterrichtende Charakter des Druckes steht also im Vordergrund. Soweit Werbezwecke mit der Herausgabe verbunden gewesen sind, überwiegen diese nicht.
Der Hinweis der OFD auf die Brüsseler Erläuterungen (Randziff. 13 und 14 zur Tarifnr. 49.01) geht fehl. Es kann hier dahingestellt bleiben welche Bedeutung diesen Erläuterungen bei der Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs zukommt. Sie müssen hier jedenfalls schon deswegen außer Betracht bleiben, weil sie über die entscheidungserhebliche Frage, wann ein Druck als „für” ein Wirtschaftsunternehmen herausgegeben anzusehen ist, keinerlei Aussage machen.
Da die Voraussetzungen der Vorschrift 4 des Kap. 49 ZT also nicht vorliegen, scheidet die Einordnung der Drucke in die Tarifnr. 49.11 aus. Sie fallen somit unter Tarifnr. 49.01.
Fundstellen
Haufe-Index 514651 |
BFHE 1975, 519 |