Leitsatz (amtlich)
Ein Datenverarbeitungsbetrieb gehört nicht zum verarbeitenden Gewerbe, sondern zum Dienstleistungsgewerbe. Einem solchen Betrieb steht deshalb nur die Grundzulage von 10 v. H. zu.
Normenkette
BerlinFG § 19 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) fertigt im Auftrag von Werbeagenturen, Verlagen und Markenartikelfirmen Unterlagen für die Werbeplanung. Sie sammelt zu diesem Zweck aus Repräsentativumfragen, statistischen Untersuchungen und Marktanalysen Daten sowohl über das Konsumverhalten bestimmter Bevölkerungskreise als auch über die Bedingungen und die Wirkungsweise von Werbeträgern (z. B. Zeitschriften und Zeitungen). Mit Hilfe dieser Daten entwickelt sie Programmsortimente, die in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden. Die Werbepläne werden dann aus dem gespeicherten Programmsortiment nach den besonderen Wünschen der Auftraggeber erstellt.
Während die Klägerin ihren Hauptbetrieb in A hat, befindet sich das im Jahr 1970 angeschaffte Rechenzentrum in einer Betriebstätte in Berlin. Auf die dafür aufgewandten Anschaffungskosten gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) eine Investitionszulage von 10 v. H., während die Klägerin eine Zulage von 25 v. H. begehrt. Sie rechnet ihren Betrieb (Betriebstätte) dem verarbeitenden Gewerbe - ausgenommen Baugewerbe - nach § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) zu.
Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG ging bei der Auslegung des Begriffs "verarbeitendes Gewerbe" sowohl von dem Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts als auch vom Wortsinn des Begriffs "Verarbeitung" aus. Das Systematische Verzeichnis erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit, auch sei ein Betrieb der von der Klägerin geführten Art darin nicht enthalten. Immerhin seien die Programmierer in die Nr. 71865 eingeordnet, rechneten also zu der Kategorie "freie Berufe und Leistungsbetriebe". Hinsichtlich des Begriffs "Verarbeitung" sei an die Rechtsprechung zum alten Umsatzsteuerrecht (§ 12 UStDB) anzuknüpfen (Urteil des BFH vom 1. Dezember 1970 VI R 386/69, BFHE 100, 573, BStBl II 1971, 164). Es komme also darauf an, ob durch die Tätigkeit der Klägerin ein Gegenstand in seiner Wesensart geändert werde, d. h. ob ein neues Verkehrsgut anderer Marktgängigkeit geschaffen werde. Das sei jedoch nicht der Fall. Die von der Klägerin gesammelten Daten seien keine Gegenstände, die von ihr verarbeitet würden. Die Magnetbänder, auf denen die Daten gespeichert würden, seien ein anderer Gegenstand als der Werbeplan, den die Anlage gedruckt auswerfe. Ein Be- oder Verarbeiten setze vielmehr voraus, daß der be- oder verarbeitete Gegenstand in dem Gegenstand anderer Marktgängigkeit noch enthalten sei. Das zeige deutlich ein Blick auf die in Abt. 2 des Systematischen Verzeichnisses aufgeführten Betriebe des verarbeitenden Gewerbes. Die von der Klägerin hergestellten Werbepläne seien vielmehr ein Produkt geistiger Arbeit. Der Betrieb der Klägerin sei dem Leistungsgewerbe zuzurechnen.
In ihrer Revisionsbegründung, der sie ein Gutachten von Prof. Dr. ... von der Universität ... beigefügt hat und die sich hauptsächlich an dem Verarbeitungsbegriff des früheren Umsatzsteuerrechts ausrichtet, macht die Klägerin geltend:
Die von ihr ausgeübte Tätigkeit zerfalle in zwei Teile, einmal in eine vorauslaufende geistige Tätigkeit, nämlich die Erstellung der Programme, und zum anderen in den anschließenden gewerblichen Einsatz des Computers. Lediglich für den letzteren Bereich werde die Investitionszulage begehrt. Was hier geschehe, sei nichts anderes als eine industrielle Fertigung. Aus den gesammelten Daten werde ein neues Produkt von Informationscharakter produziert, das ohne eine industriell gehandhabte Technologie nicht zu schaffen wäre. Es handle sich um eine industrielle Transformation, die an einem Roh- oder Halbfabrikat von Informationscharakter (den gesammelten Daten) vollzogen werde, und das Endprodukt sei ein neuartiges Informationsbild.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz ihr eine weitere Investitionszulage von ... DM zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Streitig ist allein die Frage, ob die Klägerin einen Betrieb (Betriebstätte) des verarbeitenden Gewerbes i. S. des § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG unterhält. Der Senat legt diesen Begriff in ständiger Rechtsprechung - ebenso wie den Begriff des "Baugewerbes"- in enger Anlehnung an das Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes aus. In diesem Verzeichnis kommt einmal die Verkehrsauffassung der beteiligten Wirtschaftskreise zum Ausdruck, die an der Erarbeitung des Verzeichnisses beteiligt sind. Zum anderen sollte auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers dieses Verzeichnis für die Auslegung maßgebend sein (vgl. zur Begründung im einzelnen das Urteil des Senats vom 8. April 1976 III R 161/73, BFHE 118, 516, BStBl II 1976, 410). Das BFH-Urteil VI R 386/69, auf das die Klägerin ihre Revisionsbegründung im wesentlichen gestützt hat, und das sich an der Begriffsbestimmung des § 12 UStDB orientierte, ist damit überholt.
2. Betrachtet man das Unternehmen der Klägerin als Ganzes (einschließlich der Betriebstätte in Berlin), so kann nicht zweifelhaft sein, daß die Klägerin nicht zum verarbeitenden Gewerbe nach Abt. 2 des Verzeichnisses gehört. Sie gehört vielmehr zum Dienstleistungsgewerbe. Sie wäre nach den vom FG festgestellten Sachverhaltsmerkmalen in die Nr. 71 257 (Marktforschung) oder in die Nr. 7145 (Werbeberatung) der Grundsystematik einzugliedern.
Aber auch dann, wenn man die von der Klägerin in Berlin unterhaltene Betriebstätte gesondert betrachtet, kommt man zu keinem anderen Ergebnis. Für die erhöhte Zulage nach dem Berlinförderungsgesetz genügt es, daß in einer selbständig geführten Betriebstätte ein verarbeitendes Gewerbe betrieben wird. Daß das Gesamtunternehmen einem anderen Wirtschaftszweig (etwa dem Handel in Abt. 4 oder den Dienstleistungsbetrieben in Abt. 7) angehört, ist unschädlich. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt steht der Klägerin die erhöhte Zulage nicht zu. Datenverarbeitungsbetriebe sind in Abt. 2 des Verzeichnisses nicht aufgeführt. Daraus kann gleichzeitig der Schluß gezogen werden, daß von den beteiligten Wirtschaftskreisen entgegen der Auffassung der Klägerin die von ihr vollzogene Transformation von Daten in Werbepläne nicht als eine Art industrieller Fertigung angesehen wird. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, daß ihre Tätigkeit in der Berliner Betriebstätte einem der in Abt. 2 des Verzeichnisses aufgeführten Betriebe ähnlich sei. Die Klägerin ist auch nicht deshalb eine Druckerei, weil die Datenverarbeitungsanlage die Ergebnisse gedruckt auswirft. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß es sich bei dieser Tätigkeit der Anlage im Vergleich zu ihrer sonstigen Funktion im Betrieb der Klägerin für die investitionszulagerechtliche Beurteilung nur um einen völlig untergeordneten Nebenzweck handelt. Die Betriebstätte ist vielmehr ebenfalls dem Dienstleistungsgewerbe zuzurechnen. Sie kann unter die Nr. 71863 - Schreib- und Rechenbüro - eingeordnet werden. Für die Eingruppierung spricht auch die vom FA getroffene Feststellung, wonach Programmierer in die Gruppe 71865 eingeordnet sind.
Der Klägerin steht somit die erhöhte Investitionszulage nicht zu, weil weder ihr Gesamtunternehmen noch ihre Berliner Betriebstätte in die Abt. 2 des Systematischen Verzeichnisses eingeordnet werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 72203 |
BStBl II 1977, 233 |
BFHE 1977, 120 |