Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Für die Frage, ob die Errichtung eines Gebäudes deshalb eine Fehlmaßnahme darstellt, weil sich im Laufe der Bauausführungen erhebliche zusätzliche Bauaufwendungen zum Zwecke der besseren Grundierung für erforderlich erwiesen, kann es von wesentlicher Bedeutung sein, wieweit das Bauvorhaben bereits vorangeschritten war, als die wahren Bodenverhältnisse erkannt wurden.
Bei der Feststellung, welchen Teilwert ein Wirtschaftsgut hat, kann auch von Bedeutung sein, zu welchem Preis der Veräußerer das Wirtschaftsgut abgegeben hätte.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist, mit welchen Werten ein Fabrikgebäude, das im Jahre 1956 errichtet wurde, und ein Verwaltungsgebäude, das der Revisionskläger (Steuerpflichtige - Stpfl. -) im Jahre 1957 erbaute, in den Bilanzen auf den 31. Dezember 1956 bzw. 31. Dezember 1957 einzusetzen sind.
Der Stpfl. erwarb am 19. Oktober 1955 aus dem Gelände einer aufgeschütteten Kiesgrube ein Grundstück. Zweck des Erwerbs war, auf dem Grundstück ein Fabrikgebäude und ein Verwaltungsgebäude zu errichten, weil die bisherige Produktionsstätte, die auf gemietetem Grund stand, wegen Straßenverbreiterung aufgegeben werden mußte.
Unmittelbar nach dem Grunderwerb und nach einem Probeaushub wurde mit der Bauplanung begonnen. Nach Abschluß der Planung wurden im Mai 1956 Versuchsbohrungen vorgenommen, um die Standfestigkeit des Bodens festzustellen. Dabei ergab sich, daß die Bodenbeschaffenheit eine Bebauung mit der planmäßigen Belastung nicht zuließ und eine Grundierung erforderlich wurde, um das Bauvorhaben entsprechend dem Plan auszuführen.
Im Anschluß an diese Feststellungen erfolgte im Juli 1956 der Aushub. Für das Fabrikgebäude wurde als Grundierung eine Pfahlgründung, für das Verwaltungsgebäude, das einer geringeren Belastung ausgesetzt ist, auf Empfehlung der Lokalbaukommission die Errichtung eines Luftschutzbunkers gewählt.
Das Betriebsgebäude wurde im Jahre 1956 mit einem Gesamtaufwand in Höhe von 850 797,35 DM errichtet. Auf die Pfahlgründung entfallen hiervon 60 873 DM. Das Verwaltungsgebäude wurde 1957 erbaut. Der Kostenaufwand betrug 1 330 682,50 DM, wovon 176 461 DM auf die Kosten für die Errichtung des Luftschutzbunkers entfallen.
Der Stpfl. begehrt für das Jahr 1956 wegen des durch die Pfahlgründung verursachten Mehraufwands eine Teilwertabschreibung in Höhe von 60 873 DM und für 1957 für einen Teil der Aufwendungen auf den Luftschutzbunker eine Teilwertabschreibung in Höhe von 110 000 DM. Er ist der Ansicht, die Bauaufwendungen hätten insoweit zu keiner Werterhöhung geführt, wären daher von einem Erwerber auch nicht ersetzt worden. Es liege eine Fehlmaßnahme vor. Die Mängel in der Standfestigkeit des Grundstücks seien erst nach Erwerb des Grundstücks, nach Abschluß der Bauplanung und nach Erteilung der Baugenehmigung zutage getreten. Die Bauwerke hätten unter anderen Bodenverhältnissen wesentlich billiger und wirtschaftlich gleichwertig erstellt werden können. Er hätte die Bauplanung nicht durchführen lassen und keinesfalls mit den Bauarbeiten begonnen, wenn er die wahren Bodenverhältnisse gekannt hätte. Der Kaufvertrag habe wegen Ausschlusses einer Gewährleistungspflicht für die Bebaubarkeit nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Hilfsweise beantragt der Stpfl., für die Gebäude die degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) zuzulassen.
Der Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gab den Anträgen des Stpfl. nicht statt. Auch die Einsprüche und die Berufungen des Stpfl. blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß eine Fehlmaßnahme nicht vorliege. Auch die Voraussetzungen für eine degressive AfA seien nicht gegeben.
Der Stpfl. bezog sich u. a. auf das Urteil des Senats I 131/62 vom 13. April 1965, Steuerrechtsprechung in Karteiform (StRK), Einkommensteuergesetz, § 6 Abs. 1 Ziff. 1, Rechtsspruch 130, dessen Grundsätze auch im vorliegenden Fall zur Anerkennung einer Teilwertabschreibung führen könnten. Außerdem rügt er, daß das FG dem Antrag, den objektiven Wert der Gebäude durch einen weiteren Sachverständigen feststellen zu lassen, nicht stattgegeben habe. Das FG hätte es auch nicht als gerichtsbekannt ansehen dürfen, daß am Ort ein vergleichbares Grundstück zu einem vergleichbaren Preis nicht verfügbar gewesen sei. Soweit die AfA auf den Luftschutzbunker in Frage stehe, müsse im Billigkeitswege die Sonder-AfA nach dem Schutzbaugesetz vom 15. September 1956 (BGBl 1965 I S. 1232) zugebilligt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. (Revision) ist nicht begründet.
Betriebsgebäude, die ein Kaufmann errichtet, sind mit den Herstellungskosten zu bewerten, wenn sich nicht ergibt, daß ihr Teilwert niedriger ist (ß 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG). Bei einem Neubau gilt die Vermutung, daß die Herstellungskosten dem Teilwert entsprechen (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 142/53 U vom 19. November 1953, BStBl 1954 III S. 16, Slg. Bd. 58 S.264; I 239/54 U vom 14. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 102, Slg. Bd. 62 S.274). Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn der Kaufmann dartut, daß die Investitionen auf einer Fehlmaßnahme beruhen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 311/60 S vom 11. Juli 1961, BStBl 1961 III S. 462, Slg. Bd. 73 S.537). Die Vorentscheidung hat indessen auf Grund des von ihr festgestellten und von dem Stpfl. nicht bestrittenen Sachverhalts ohne Rechtsverstoß angenommen, daß im Streitfall eine Fehlmaßnahme nicht vorliegt.
Das FG hatte im Streitfall keinen Anlaß zu der Annahme, daß der Stpfl. die Errichtung der Neubauten unterlassen hätte, wenn ihm die Bodenbeschaffenheit rechtzeitig bekannt gewesen wäre. Aus dem eigenen Vortrag des Stpfl. ergibt sich vielmehr, daß er bereits im Mai 1956 anläßlich von Versuchsbohrungen festgestellt hat, daß die Bodenbeschaffenheit eine Bebauung nach der planmäßigen Belastung nicht zulasse und eine Grundierung erforderlich mache. Erst danach, im Juli 1956 hat er mit den eigentlichen Bauarbeiten begonnen (vgl. die Schriftsätze des Stpfl. vom 5. März 1962, Ziff. 2d, und vom 9. April 1962, Ziff. 1e). Als er nach den Versuchsbohrungen die wirkliche Bodenbeschaffenheit festgestellt hatte, stand er vor der Frage, entweder das Bauprojekt mit mehr Kosten an der geplanten Stelle durchzuführen oder das Grundstück zu verkaufen und gegebenenfalls an anderer Stelle mit geringerem Kostenaufwand zu bauen. Er hat sich für den Bau auf dem erworbenen Grund entschieden. Das FG hat ohne Rechtsverstoß festgestellt, daß diese Entscheidung im Hinblick auf die günstige Verkehrslage in der Nähe des Flughafens, der Autobahn und einer Bahnstation getroffen worden ist, und daß am Ort ein Ersatzgrundstück in ähnlicher Lage, Größe und Beschaffenheit nicht zu dem vom Stpfl. gezahlten Preis verfügbar gewesen wäre. An diese zum Teil auf Grund unmittelbarer Ortsbesichtigung getroffenen Feststellungen ist der Senat gebunden (ß 118 Abs. 2 FGO). Es kann auch nicht beanstandet werden, wenn das FG festgestellt hat, daß die auf die Grundierungsarbeiten entfallenden Mehraufwendungen bei einem Gesamtbauaufwand von 2,5 Millionen DM nicht entscheidend ins Gewicht fielen, vielmehr schon wegen der steigenden Grundstücks- und Baukosten und wegen des verzögerten Baubeginns, der mit einer Aufgabe des Bauprojekts auf dem erworbenen Grund verbunden gewesen wäre, hätten hingenommen werden können.
Soweit der Stpfl. in der mündlichen Verhandlung Rügen gegen die Verfahrensweise des FG geltend macht, hat er diese nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist und somit verspätet erhoben (ß 290 Abs. 1, § 289 Abs. 2 AO a. F.).
Der vom FG im Streitfall festgestellte Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich von jenem, der dem Urteil I 131/62, a. a. O., zugrunde liegt. Im Fall des Urteils I 131/62 ergaben die Probebohrungen zunächst keinen Anlaß zu Bedenken hinsichtlich der Grundierung. Vielmehr hatte sich die Notwendigkeit erheblich umfangreicherer Baumaßnahmen erst gezeigt, nachdem der Baugrund auf eine Tiefe von 1,5 bis 2 m ausgehoben worden war. Im Streitfall hingegen hat der Stpfl. schon in einem wesentlich früheren Stadium, nämlich anläßlich der Probebohrungen ein Bild von den notwendig werdenden Grundierungsarbeiten gewonnen. Für die Beurteilung, ob eine Fehlmaßnahme oder ein wirtschaftlich sinnvolles Verhalten vorliegt, kann es aber von wesentlicher Bedeutung sein, wie weit das Bauvorhaben bereits vorangeschritten war, als die wahren Bodenverhältnisse erkannt wurden.
Das FG durfte davon ausgehen, daß auch ein fremder Erwerber am 31. Dezember 1956 bzw. 31. Dezember 1957 bereit gewesen wäre, dem Stpfl. im Falle einer Veräußerung die aufgewandten Mehrkosten zu ersetzen. Die Auffassung des Stpfl., dem fiktiven Erwerber wären die Motive für die von ihm aufgewandten Grundierungskosten gleichgültig gewesen, vermag nicht zu überzeugen. Daß bei der Ermittlung des Teilwerts auf die Beurteilung des fiktiven Erwerbers abgestellt wird, schließt es nicht aus zu berücksichtigen, zu welchem Preis der Veräußerer das Wirtschaftsgut abgegeben hätte (Urteil des Bundesfinanzhofs I 108/60 U vom 20. September 1960, BStBl 1960 III S. 461, Slg. Bd. 71 S.565). Denn die Erwerbsbereitschaft gründet sich u. a. auf diejenigen Erkenntnisse die zwischen ordentlichen und wirtschaftlich einsichtigen Kaufleuten auf Grund der Verkaufsverhandlungen gewonnen werden. Einsichtiges kaufmännisches Denken aber gebietet es dem Erwerber, für ein Betriebsgebäude diejenigen Kosten zu ersetzen, die er selbst bei sinnvollem Verhalten hätte aufwenden müssen, um das Wirtschaftsgut anzuschaffen oder herzustellen. Das FG hatte keinen Grund zu der Annahme, daß der Stpfl. schon am Ende der Baujahre bereit gewesen wäre, die Gebäude vermindert um einen Teil seiner Herstellungskosten abzugeben. Dies brauchte es auch hinsichtlich der Aufwendungen für den Luftschutzbunker nicht anzunehmen. Wenn sich der Stpfl. auf Grund verständiger überlegungen, die sich auf eine behördliche Empfehlung und die Erwartung einer gesetzlichen Auflage gründeten, dazu entschlossen hat, die Grundierung des Verwaltungsgebäudes durch Errichtung eines Luftschutzbunkers vorzunehmen, so spricht nichts dafür, daß er sich diese Kosten nicht hätte ersetzen lassen, und daß der fiktive Erwerber bereits am Ende des Jahres 1957 Anlaß gesehen hätte, diese überlegung als fehlerhaft zu verwerfen und einen Ersatz der Baukosten insoweit zu verweigern.
Das FG hat auch den Hilfsantrag des Stpfl., die Absetzung mit fallenden Jahresbeträgen (degressive AfA) zuzulassen, mit Recht abgelehnt. Welches Abschreibungsverfahren zu wählen ist, kann § 7 EStG nicht unmittelbar entnommen werden, sondern hängt von den betriebsbedingten Verhältnissen des jeweiligen Wirtschaftsguts ab. Die degressive AfA ist nur dann geboten, wenn die Leistung des Wirtschaftsguts für die einzelnen Wirtschaftsjahre der gesamten Nutzungszeit nicht gleichbleibt, sondern um so mehr absinkt, je länger es genutzt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 102/53 U vom 11. Febr. 1955, BStBl 1955 III S. 165, Slg. Bd. 60 S.429). Bei Betriebsgebäuden ist die lineare AfA in der Regel die betriebswirtschaftlich angemessene Abschreibungsmethode. Zwar kann in besonderen Fällen, etwa im Hinblick auf das Fortschrittsrisiko oder den schnellen Wandel des Geschmacks, die degressive AfA den betriebswirtschaftlichen Verhältnissen besser Rechnung tragen, soweit diese Umstände nicht schon bei der Bemessung der Nutzungsdauer berücksichtigt sind (Urteil des Bundesfinanzhofs I 80/57 U vom 26. August 1958, BStBl 1958 III S. 420, Slg. Bd. 67 S.382). Daß solche besonderen Umstände hier nicht vorliegen, hat das FG im Rahmen einer für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Tatsachenwürdigung festgestellt. Der Senat hat auch nicht die Möglichkeit, im Billigkeitsweg eine spätere gesetzliche Regelung der AfA für Luftschutzbauten auf die Verhältnisse im Streitjahr zu übertragen.
Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411925 |
BStBl III 1966, 310 |
BFHE 1966, 275 |
BFHE 85, 275 |
BB 1966, 569 |
DB 1966, 845 |
DStR 1966, 377 |