Entscheidungsstichwort (Thema)
Erledigung des Verpflichtungsbegehrens; hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage; Ort der Außenprüfung
Leitsatz (NV)
1. Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr eines Streits über den Ort der Außenprüfung liegt vor, wenn nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles mit einer weiteren Prüfung innerhalb eines so kurzen Zeitraumes zu rechnen ist, daß eine zwischenzeitliche Veränderung der räumlichen Verhältnisse unwahrscheinlich ist.
2. Dem Finanzamt steht bei der Auswahl des Prüfungsortes kein Ermessensspielraum zu, soweit ein geeigneter Geschäftsraum vorhanden ist. Über einen Antrag des Steuerpflichtigen, die Prüfung an einem anderen Ort durchzuführen, hat es jedoch nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4, § 102; AO 1977 § 200 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt in A einen Import und Export von . . . Die Buchführungsarbeiten erledigt die im ca. 18 km entfernten Z befindliche Unternehmensberatungs GmbH (GmbH). Die Jahresabschlüsse fertigt seit dem Veranlagungszeitraum 1984 die Steuerbevollmächtigte (StB) aus A.
In den Geschäftsräumen der Firma des Klägers hatte im Jahre 1982 für die Veranlagungszeiträume 1978 bis 1980 eine Außenprüfung stattgefunden; eine weitere Außenprüfung, die die Veranlagungszeiträume 1981 bis 1983 umfaßte, war im Jahre 1987 in den Räumen der GmbH durchgeführt worden. Nach den Außenprüfungsberichten hatte in den Veranlagungszeiträumen 1978 bis 1980 in der Buchführung ,,ein erhebliches Durcheinander" geherrscht und auch die die Jahre 1981 bis 1982 betreffende Buchführung war als nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden.
Durch Verfügung vom 19. Januar 1989 ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Firma des Klägers eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1984 bis 1986 an. Auf den Einwand der StB, in der Firma des Klägers seien keine geeigneten Räume für die Durchführung der Außenprüfung vorhanden, setzte das FA mit Verfügung vom 28. Februar 1989 als Ort der Außenprüfung das Besprechungszimmer im FA A und als Prüfungsbeginn den 29. März 1989 fest.
Die gegen die Anordnung dieses Prüfungsorts erhobene Beschwerde begründete der Kläger damit, er habe bei der GmbH in Z einen Raum gemietet, in dem die Außenprüfung stattfinden könne. Dort befänden sich auch die Akten; der als Auskunftsperson genannte Geschäftsführer der GmbH werde in Z zur Verfügung stehen.
Das FA hob daraufhin durch Verfügung vom 23. März 1989 die Anordnung vom 28. Februar 1989 über den Ort der Außenprüfung auf und bestimmte nunmehr die Geschäftsräume der Firma des Klägers als Prüfungsort. Dort seien - wie eine Besichtigung ergeben habe - geeignete Geschäftsräume zur Durchführung der Prüfung vorhanden. In den Räumen der GmbH befänden sich nach Auskunft eines Angestellten der GmbH nur noch wenige Belegordner.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde des Klägers zurück. Aus § 200 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ergebe sich, daß die Außenprüfung grundsätzlich in den Geschäftsräumen durchzuführen sei. Stünden - wie im Streitfall - für die Prüfung geeignete Geschäftsräume zur Verfügung, so seien die übrigen in dieser Bestimmung genannten Prüfungsorte grundsätzlich nur dann in Betracht zu ziehen, wenn besondere schützenswerte Interessen dafür sprächen (Hinweis auf Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1987 IV B 1/87, BFHE 148, 575, BStBl II 1987, 360). Der vom Kläger angebotene Raum im Büro der GmbH sei kein Geschäftsraum des Klägers. Die vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, eine Abweichung vom Regel-Prüfungsort zu rechtfertigen. Selbst wenn sich die Buchhaltungsunterlagen bei der GmbH befänden, müßten sie in die Firma des Klägers transportiert werden. Der Geschäftsführer der GmbH halte sich ohnehin regelmäßig in den Geschäftsräumen der Firma des Klägers auf.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts (§§ 5, 130, 131, 194 Abs. 1, 199 Abs. 1, 200 Abs. 1 bis 3 AO 1977, § 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, sowie Art. 13 des Grundgesetzes - GG -).
Der angefochtene Bescheid hätte wegen fehlerhafter Ermessensausübung aufgehoben und das FA verpflichtet werden müssen, die Außenprüfung im Büro der GmbH durchzuführen. Selbst wenn § 200 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 zu entnehmen wäre, daß bei Vorhandensein geeigneter Geschäftsräume nur unter besonderen Voraussetzungen ein anderer Prüfungsort bestimmt werden dürfe, sei die Entscheidung darüber eine Ermessensentscheidung. Habe der Steuerpflichtige - wie im Streitfall der Kläger - beantragt, daß die Prüfung an einem anderen Ort als in den Geschäftsräumen durchgeführt wird, müsse das FA nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden und dabei die Interessen des Steuerpflichtigen und die eigenen Interessen gegeneinander abwägen. Sei eine Prüfung in den Geschäftsräumen nach Sachlage nicht erforderlich, so entfalle der in § 200 Abs. 2 AO 1977 enthaltene Rechtfertigungsgrund für eine Einschränkung des Grundrechts des Art. 13 GG.
Entgegen der Auffassung des FA sei der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht deshalb erledigt, weil das FA während des Revisionsverfahrens in den Geschäftsräumen des Klägers in der Zeit vom 19. Februar bis 13. März 1991 die Prüfung durchgeführt und abgeschlossen habe. Der Kläger habe die Prüfung geduldet, um das angedrohte Zwangsgeld zu vermeiden. Die Außenprüfung sei noch nicht beendet, weil der Prüfungsbericht noch nicht vorliege und die Schlußbesprechung noch nicht abgehalten worden sei; es fehle bereits deshalb an einem ,,erledigenden" Ereignis.
Das FA ist der Auffassung, der Rechtsstreit habe sich nach Durchführung der Prüfung in den Räumen des Klägers erledigt. Der Kläger habe kein Feststellungsinteresse, denn er wende sich weder gegen die Prüfung überhaupt noch gegen Prüfungszeitraum oder Prüfungsumfang, sondern lediglich gegen den Prüfungsort. Eine konkrete und absehbare Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Da bei der Firma des Klägers keine sog. Anschlußprüfungen durchgeführt würden, sei offen, wann eine erneute Außenprüfung angeordnet werde und wie sich zwischenzeitlich die tatsächlichen für die Bestimmung des Prüfungsortes maßgeblichen Verhältnisse geändert hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Der vom Kläger in erster Linie gestellte Antrag, das FA zu verpflichten, einen anderen Prüfungsort zu bestimmen, kann keinen Erfolg haben. Für eine Verpflichtungsklage ist ein Rechtsschutzbedürfnis entfallen, wenn sich der begehrte Verwaltungsakt erledigt hat (vgl. z. B. BFH-Entscheidungen vom 4. Februar 1988 V R 57/83, BFHE 152, 217, 218, BStBl II 1988, 413; vom 10. April 1990 VIII R 415/83, BFHE 160, 409, 411, BStBl II 1990, 721 zur Anfechtungsklage; zur Verpflichtungsklage vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 1991 I R 37/90, BFHE 165, 59, 60, BStBl II 1991, 914; Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 100 Anm. 39). Ob sich ein Verwaltungsakt auf andere Weise erledigt hat, richtet sich nach dessen Regelungsinhalt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 16. April 1986 I R 32/84, BFHE 147, 14, 16, BStBl II 1986, 736, m. w. N.).
Der Kläger beantragt weiterhin (wie im Klageverfahren) die Anordnung des Prüfungsortes vom 23. März 1989 aufzuheben und das FA zu verpflichten, einen anderen Prüfungsort zu bestimmen. Dieser mit dem Hauptantrag erstrebte Verwaltungsakt hat sich insofern erledigt, als die Prüfung an dem in dem angefochtenen Verwaltungsakt bestimmten Ort durchgeführt wurde. Dadurch hat sich der Regelungsinhalt dieser Anordnung erschöpft.
II. 1. Die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zulässig.
§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist für Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar (BFH-Urteil vom 28. November 1989 VII R 48/89, BFHE 159, 386, BStBl II 1990, 399; BFH in BFHE 165, 59, BStBl II 1991, 914). Für die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens ist unerheblich, daß die Erledigung erst nach Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens eingetreten ist, denn der Übergang vom Verpflichtungsantrag zum Feststellungsantrag ist auch noch im Revisionsverfahren zulässig (BFHE 159, 386, BStBl II 1990, 399; BFHE 165, 59, BStBl II 1991, 914). Der Fortsetzungsfeststellungsantrag kann auch hilfsweise gestellt werden (BFH in BFHE 147, 14, BStBl II 1986, 736).
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Festsellung der Rechtswidrigkeit der ablehnenden Entscheidung des FA. Ein berechtigtes Interesse i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist zu bejahen, wenn der Kläger ein konkretes, vernünftigerweise anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art an der Feststellung der Rechtswidrigkeit hat (z. B. BFH-Urteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710, 712; vgl. Gräber / von Groll, a. a. O., § 100 Anm. 42, m. w. N.). Ein berechtigtes Interesse ist u. a. dann gegeben, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht und davon auszugehen ist, daß die für die Verwaltungsentscheidung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverändert zugrunde zu legen sind (vgl. BFH/NV 1990, 710, 712; BFHE 147, 14, BStBl II 1986, 736; BFH-Urteil vom 16. Dezember 1971 IV R 221/67, BFHE 103, 555, 556, BStBl II 1972, 182). Die Entscheidung über den Prüfungsort hängt von den räumlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Prüfung ab. Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr liegt deshalb nur dann vor, wenn nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles mit einer weiteren Prüfung innerhalb eines so kurzen Zeitraums zu rechnen ist, daß eine zwischenzeitliche Veränderung der räumlichen Verhältnisse unwahrscheinlich ist.
Die hinreichend konkrete Gefahr eines erneuten Streits über die Bestimmung des Prüfungsorts ist hier gegeben. Sie ergibt sich daraus, daß die Firma des Klägers für die Veranlagungszeiträume 1978 bis 1980 und ein weiteres Mal für die Veranlagungszeiträume 1981 bis 1983 geprüft worden ist und jeweils die Buchführung als nicht ordnungsgemäß bezeichnet wurde. Möglicherweise wird daher - unabhängig von den Ergebnissen der Prüfung in den Streitjahren - das FA in nicht allzuferner Zukunft eine weitere Prüfung durchführen. Der Kläger hat auch, vom FA unwidersprochen, darauf hingewiesen, daß eine weitere Außenprüfung deshalb zu erwarten sei, weil seine Firma zu einem Unternehmensverbund gehöre, der bereits mehrfach vom FA geprüft worden sei. Für den Fall einer erneuten Außenprüfung ist absehbar, daß das FA hinsichtlich des Prüfungsorts an seiner Rechtsauffassung festhalten wird, da diese im Ergebnis vom FG bestätigt worden ist.
2. Der Feststellungsantrag ist jedoch nicht begründet.
Im Ergebnis zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß zwar dem FA bei der Auswahl des Prüfungsortes kein Ermessensspielraum zusteht, soweit ein geeigneter Geschäftsraum vorhanden ist, daß es jedoch über einen Antrag des Steuerpflichtigen, die Prüfung an einem anderen Ort durchzuführen, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat.
a) Nach § 200 Abs. 2 AO 1977 hat der Steuerpflichtige die in Abs. 1 genannten Unterlagen in seinen Geschäftsräumen oder, soweit ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Raum nicht zur Verfügung steht, in seinen Wohnräumen oder an Amts Stelle vorzulegen. Aus dem Wortlaut der Vorschrift, bestätigt durch die Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks. VI/1982, S. 163) ergibt sich, daß der Steuerpflichtige die betreffenden Unterlagen grundsätzlich in seinen Geschäftsräumen vorzulegen hat, wenn dort ein geeigneter Raum zur Durchführung der Außenprüfung vorhanden ist. § 200 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 regelt nur, an welchen Orten der Steuerpflichtige die Prüfungsunterlagen (Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere usw.) vorzulegen hat, d. h. an welchen Orten unter welchen Voraussetzungen das FA ggf. die Verwirklichung der Vorlage zwangsweise durchsetzen kann. Eine Pflicht zur Vorlage an einem anderen Ort besteht danach nur, sofern kein geeigneter Geschäftsraum vorhanden ist. Die Vorschrift besagt jedoch nichts darüber, ob der Steuerpflichtige beantragen darf, die Unterlagen freiwillig an einem anderen Ort vorzulegen, und ob die Finanzbehörde diesem Antrag entsprechen darf oder muß (BFH-Beschlüsse vom 30. November 1988 I B 73/88, BFHE 155, 271, 274, BStBl II 1989, 265; in BFHE 148, 575, 576, BStBl II 1987, 360).
Die Aufzählung der Prüfungsorte schließt nicht aus, daß die vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Außenprüfung vorzulegenden Unterlagen in Ausnahmefällen auch an einem anderen Ort eingesehen werden können, wenn der Steuerpflichtige dies beanragt und ein schützenswertes Interesse an der Durchführung der Prüfung an einem anderen Ort zu bejahen ist. Dies gilt nicht nur für den bisher allein entschiedenen (vgl. BFHE 148, 575, 576, BStBl II 1987, 360; BFHE 155, 271, 274, BStBl II 1989, 265) Fall, daß keine geeigneten Geschäftsräume zur Verfügung stehen. Denn auch wenn geeignete Geschäftsräume zur Verfügung stehen, können ausnahmsweise Gründe vorliegen, die es mit Zustimmung oder auf Antrag des Steuerpflichtigen gebieten können, die Prüfung an einem anderen als den in § 200 Abs. 2 AO 1977 genannten Orten oder in anderen Räumlichkeiten (etwa beim Steuerberater) stattfinden zu lassen (Schick in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 200 AO 1977 Anm. 439, 505, 511; Kühn / Kutter / Hofmann, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 16. Aufl., § 200 AO 1977 Anm. 4; Horst, Der Betrieb - DB - 1989, 2247; Sauer, Steuerliche Außenprüfung 1988, S. 109; a. A. v. Wedelstädt, DB 1989, 1536; Giesberts, Die steuerliche Betriebs- und Außenprüfung, 2. Aufl. 1981, Anm. 190; Wendt / Könemann / Schirmbeck, Betriebsprüfung in der Praxis, 2. Aufl. 1990, Anm. 357; Papperitz, Betriebs-Berater - BB - 1980, 674).
b) Bei der Ermessensentscheidung sind die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind (z. B. BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, BStBl II 1985, 489). Das sind hier zum einen der Zweck der Außenprüfung, zum anderen der in § 200 Abs. 2 AO 1977 ausgedrückte Vorrang der Prüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen. Die Außenprüfung dient dazu, die steuerlichen Verhältnisse bei den in § 193 AO 1977 bezeichneten Steuerpflichtigen selbst zu ermitteln; dies deshalb, weil die Überprüfung vom ,,grünen Tisch" häufig keine effektive Kontrolle ermöglicht. Dabei beschränkt sich die Prüfung nicht nur auf die Prüfung von Büchern und anderen Urkunden, sondern kann auch eine Betriebsbesichtigung mitumfassen (vgl. § 200 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 AO 1977). Im Rahmen einer Außenprüfung kann es erforderlich werden, einzelne Wirtschaftsgüter in Augenschein zu nehmen. Außerdem kann es sich als notwendig erweisen, daß der Steuerpflichtige persönlich ggf. neben einer vom Steuerpflichtigen benannten Person (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, § 200 AO 1977 Anm. 6) Auskünfte zu einzelnen Geschäftsvorfällen erteilt oder unter den in § 200 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 geregelten Voraussetzungen andere Betriebsangehörige um Auskunft ersucht werden. Da sich diese Ermittlungen am zweckmäßigsten und schnellsten in dem zu prüfenden Betrieb anstellen lassen, hat nach § 200 Abs. 2 AO 1977, soweit geeignete Geschäftsräume vorhanden sind, die Prüfung dort stattzufinden. Die Prüfung in den Geschäftsräumen verstößt nicht gegen Art. 13 GG (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1988 IV R 104/86, BFHE 155, 4, 7, BStBl II 1989, 180). Unbequemlichkeiten organisatorischer Art, die mit der nach § 200 Abs. 2 AO 1977 bezweckten Aufklärung an Ort und Stelle notwendigerweise verbunden sind, muß der Steuerpflichtige hinnehmen, wenn sie nicht unzumutbar sind.
c) Das FG hat zu Recht das Vorliegen eines Ermessensfehlers bei der Ablehnung des Antrags auf Durchführung der Prüfung in den Räumen der GmbH verneint. Als Ermessensentscheidung war der Ablehnungsbescheid nach § 102 FGO nur darauf zu überprüfen, ob er deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 1990 VII R 85/89, BFHE 161, 486, 487, BStBl II 1990, 1008). Die Ermessensentscheidung muß im Ablehnungsbescheid, spätestens in der Beschwerdeentscheidung begründet werden (vgl. §§ 121 Abs. 1, 126 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 AO 1977).
Ein Ermessensfehler liegt zwar vor, wenn die Behörde irrtümlich annimmt, ihr stehe eine Ermessensbefugnis nicht zu (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 17. September 1987 IV R 31/87, BFHE 151, 64, BStBl II 1988, 20). Offenbleiben kann, ob bereits der Begründung des FA im Bescheid vom 23. März 1989 zu entnehmen ist, daß das FA erwogen hat, den Prüfungsort unter besonderen Umständen auch bei Vorhandensein geeigneter Geschäftsräume abweichend zu bestimmen. Jedenfalls hat die OFD in der Beschwerdeentscheidung diese Erwägung angestellt. Sie hat besondere schützenswerte Interessen des Klägers an einer Verlegung des Prüfungsortes verneint, weil die vorgetragenen Gründe - Transport der Buchhaltungsunterlagen (30 Leitzordner pro Jahr, insgesamt 90 Leitzordner) von den Räumen der GmbH in die Geschäftsräume, benannte Auskunftsperson überwiegend in den Räumen der GmbH - bei Abwägung mit dem Vorteil der Prüfung an Ort und Stelle nicht so schwerwiegend sind, daß die Prüfung in den Geschäftsräumen den Kläger unzumutbar belastet. Diese Entscheidung ist, wie das FG im Ergebnis zutreffend begründet hat, vertretbar und deshalb nicht ermessensfehlerhaft.
Fundstellen
Haufe-Index 64068 |
BFH/NV 1992, 757 |
BB 1993, 996 |