Leitsatz (amtlich)
Tarifierung eines fahrbaren Tiefbohrgeräts als Kraftwagen zu besonderen Zwecken im Sinne der Tarifnr. 87.03 GZT.
Normenkette
GZT Tarifnr. 87.03; GZT Tarifnr. 84.23; GZT Vorschrift 1 zu Abschn. XVI; GZT Vorschrift 2 zu Abschn. XVI; GZT Vorschrift 7 zu Abschn. XVI
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte im Jahre 1971 aus einem Drittland ein Bohrgerät ein. Es besteht aus einem auf einem Spezialrahmen montierten Hebewerk mit zwei Dieselmotoren von je 425-PS-Leistung, mit Drehmomentwandler, einem besonderen Drehtischantrieb, einem Spülpumpenantrieb und einem hydraulisch ausfahrbaren Teleskopbohrmast von 34 m Länge und einer Tragkraft von 140 t Regellast und 166 t Ausnahmelast. Der Spezialrahmen des Bohrgerätes ist mit drei Frontachsen und drei Hinterachsen ausgerüstet. Zwei der Hinterachsen werden von einem der Bohrmotoren für den Fahrbetrieb angetrieben. Das Bohrgerät hat eine Länge von 21 m, eine Höhe von 4 m und ein Gewicht von 58 t. Es ist zum Straßenverkehr zugelassen. Die erzielbare Höchstgeschwindigkeit beträgt 64 km pro Stunde. Sie ist aus straßenverkehrsrechtlichen Gründen auf 50 km pro Stunde beschränkt. Beim Lenkvorgang werden die drei Vorderachsen bewegt. Das auf dem Fahrgestell befestigte, allseitig geschlossene Führerhaus enthält die wesentlichen Bedienungselemente für den Fahrbetrieb, nämlich Lenkung, Bremsen, Gaspedal und Gangschaltung. Die Schaltung weist fünf Vorwärtsgänge und einen Rückwärtsgang auf. Für den Fahrbetrieb sind zwei pneumatisch betriebene Bremsen vorhanden. Für den Bohrbetrieb werden beide Antriebsmaschinen eingesetzt. Die Achsen sind vorn mit Blattfedern und hinten mit einer Waagenbalken-Federung mit Gummipufferdämpfung für zwei Achsen und einer Luftfederung für die dritte Achse gefedert. Das fahrbare Gerät ist Teil einer Tiefbohranlage. Zum Niederbringen von Tiefbohrungen sind weitere Anlagenteile, Geräte und Maschinen erforderlich, die gesondert transportiert werden müssen und die nicht Gegenstand der Tarifierung sind. Dazu gehören u. a. der nicht fahrbare Unterbau zur Aufnahme des Drehtisches, zum Abstützen und Abspannen des Bohrmastes und zum Abstellen des Bohrgestänges, das Spülungssystem mit Spülpumpen und Saugtanks usw., eine Drehstromgeneratorenanlage, eine Gasausbruchsverhütungsanlage, ein Drehtisch mit Spülkopf und ein Rohr- und Gestängelager vor dem Bohrgerüst. Mit dem fahrbaren Bohrgerät allein läßt sich eine Bohrung nicht durchführen.
Das Zollamt (ZA) forderte mit Bescheid vom 23. April 1971 unter Zugrundelegung der Tarifst. 84.23 A I Zoll (11,2 v. H. vom Zollwert) und 11 v. H. Einfuhrumsatzsteuer.
Den gegen diesen Bescheid mit dem Ziel, eine Einordnung des Bohrgeräts unter die Tarifst. 84.23 A II a zu erreichen, eingelegten Einspruch wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) mit Bescheid vom 29. Dezember 1971 zurück.
Daraufhin erhob die Klägerin Klage. Während des Klageverfahrens wies das HZA das Tiefbohrgerät mit Änderungsbescheid vom 7. Dezember 1973 der Tarifnr. 87.03 zu und erhob Zoll nach. Es stützte sich dabei auf ein Gutachten der Zollehranstalt, in dem die Auffassung vertreten wurde, daß das für den Straßenverkehr zugelassene Gerät die wesentlichen Elemente eines Kraftfahrzeuges (Kfz) besitze. Das HZA stützte sich für seine Tarifauffassung weiter auf im einzelnen angegebene Ziffern der im Jahre 1971 geltenden Erläuterungen zum Brüsseler Zolltarifschema (Brüsseler Erl.) zu den Tarifnrn. 84.22, 84.23 und 87.03.
Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 23. Oktober 1974 setzte das HZA den Zollbetrag herab.
Die Klägerin beantragte, beide Änderungsbescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Das Finanzgericht (FG) stellte mit Urteil vom 24. Januar 1975 das Verfahren, soweit das HZA dem Klagebegehren entsprochen hatte, ein und wies die Klage im übrigen ab. Es legte die Kosten des Verfahrens der Klägerin zu 88,5 v. H. und dem HZA zu 11,5 v. H. zur Last. Es führte aus, daß die streitige Ware schon nach dem Wortlaut der Tarifnrn. 84.23 und 87.03 der letzteren Tarifnummer zuzuweisen sei. Zu Tarifnr. 84.23 gehörten die dort aufgeführten Maschinen auch dann, wenn sie – nicht auf Schienen – selbstfahrend seien. Zur Tarifnr. 87.03 gehörten Kraftwagen zu besonderen Zwecken. In beiden Fällen seien die Geräte zur selbständigen Fortbewegung fähig. Für die Abgrenzung sei darauf abzustellen, ob die Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung wesensmäßig im Vordergrund stehe. Treffe das zu, dann sei die Tarifnr. 87.03 maßgeblich; treffe es nicht zu, dann sei die Tarifnr. 84.23 anwendbar (so zur Abgrenzung zwischen den Tarifnrn. 84.22 und 87.03 das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 2. Oktober 1973 VII K 3/71, BFHE 110, 386, Bundeszollblatt 1974 S. 208 – BZBl 1974, 208 –). Im Streitfalle sei die Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung des Gerätes nicht nur vorrangig, sie sei vielmehr die einzige Fähigkeit, die das Gerät für sich allein besitze. Gerade deshalb, weil das zu tarifierende Tiefbohrgerät nur unselbständiger Teil einer Bohranlage sei und für sich allein nicht funktioniere, habe es lediglich eine Transport- und keine Arbeitsfunktion. Für die Vorrangigkeit der Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung sprächen auch die im BFH-Urteil VII K 3/71 angewandten Abgrenzungskriterien. So seien die Achsen des Tiefbohrgerätes mit für den Straßenverkehr geeigneten Rädern ausgestattet. Das Gerät habe einen auf die Räder wirkenden Motor und ein in Fahrtrichtung vorn angebrachtes, zur Bedienung des Motors, der Lenkung und der Bremsen bestimmtes Führerhaus. Die Fortbewegungsmöglichkeit entspreche nach Art und Geschwindigkeit der eines LKW. Das Führerhaus diene ausschließlich zur Aufnahme der Bedienungsorgane für die Fortbewegung; es werde beim Bohrbetrieb nicht verwendet.
Auch die Brüsseler Erl. rechtfertigten keine andere Beurteilung. Eine Zuweisung zur Tarifst. 84.23 A II a, wie sie die Klägerin anstrebe, sei nicht möglich, weil es weder ortsfest noch schienenbeweglich sei. Mit ihrer Auffassung, es handele sich bei dem Gerät um einen unselbständigen Teil eines in seinen wesentlichen Teilen ortsfesten Tiefbohrgerätes, verkenne die Klägerin, daß die Tarifnr. 84.23 nur „Maschinen, Apparate und Geräte” erfasse, nicht aber eine Gesamtanlage, die aus einer Vielzahl von Einzelteilen bestehe. Für eine Bohranlage dieser Dimension gebe es keine eigene Tarifnummer. Deshalb könne auch die Anwendung der Allgemeinen Tarifierungs-Vorschrift (ATV) 2 a in der Fassung des Zolltarifs (ZT) 1973 nicht zu einer Tarifierung nach Tarifst. 84.23 A II a führen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Das FG habe das Tiefbohrgerät zu Unrecht der Tarifnr. 87.03 zugewiesen. Das HZA habe in seinem Berichtigungsbescheid vom 23. Oktober 1974 zwischen dem selbstfahrenden Tiefbohrgerät als Kraftwagen zu besonderen Zwecken (Tarifnr. 87.03) und dem stationären Teil einer Tiefbohranlage (Tarifnr. 84.23) unterschieden. Die Zuweisung der stationären Teile zur Tarifnr. 84.23 gebiete zwingend, auch den übrigen Teil der Anlage dieser Tarifnummer zuzuweisen. Zu dieser Frage habe Professor Dr.-Ing. B in einem von ihr eingeholten Gutachten ausgeführt, daß eine Gesamttiefbohranlage zum Erschließen von Erdöl und Gas nach ihrer Arbeitsweise grundsätzlich eine stationäre Anlage darstelle, im Gegensatz zu Arbeitsmaschinen, die nur als bewegliche Maschinen den Boden angreifen könnten, etwa Bagger. Im Rahmen dieser integrierten Gesamtanlage, die zu 85 v. H. aus stationären Anlagenteilen bestehe, stelle das streitige fahrbare Bohrgerät nur einen fahrbaren Teil der Gesamtbohranlage dar, das wegen des Fehlens des Bohrtisches keine selbständigen Funktionseigenschaften besitze und nur mit den übrigen stationären Anlagenteilen einsatzfähig sei. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß es sich nur um die Tarifierung eines Gerätes handele, das lediglich eine Transport-, aber keine Arbeitsfunktion habe. Es habe nicht beachtet, daß es sich um die Tarifierung einer Gesamtbohranlage handele, die einem einheitlichen Zolltarif unterworfen werden müsse. Wenn schon der Hauptzweck einer Tiefbohrung nur mit einer stationären Anlage erreicht werden könne, das eigentliche Tiefbohrgerät also einen unselbständigen Teil der integrierten Anlage darstelle, sei es aus technischen Gründen nicht vertretbar, bei der Tarifierung dieses Tiefbohrgeräteteils einen Unterschied zu machen, ob dieses einzeln transportiert werde oder teilweise fahrbar sei.
Wäre das FG den Brüsseler Erl. gefolgt, dann hätte es zur Anwendung der Tarifnr. 84.23 kommen müssen. Diese unterschieden eindeutig zwischen Fällen, in denen das Tiefbohrgerät auf einem wirklichen Kraftwagenfahrgestell oder einem LKW montiert sei und solchen, in denen die Arbeitsmaschine nicht auf einem Kraftwagenfahrgestell montiert, sondern mit einem zu anderen Zwecken nicht verwendbaren Fahrgestell vollständig verbunden sei, das mit den wesentlichen mechanischen Teilen eines Kraftwagens ausgestattet sein könne.
Die Klägerin beantragt, das HZA unter Aufhebung der Vorentscheidung zu verurteilen, den Bescheid vom 7. Dezember 1973 in der Fassung des Bescheides vom 23. Oktober 1974 mit der Maßgabe zu ändern, daß der Zollbetrag herabgesetzt wird.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das HZA hat das streitige Tiefbohrgerät zu Recht nicht der Tarifnr. 84.23, sondern der Tarifnr. 87.03 zugewiesen. Maßgebend für die Tarifierung sind der Wortlaut der Tarifnummern, die Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln sowie die ATV, letztere jedoch nur subsidiär (vgl. ATV 1). Das FG hat zutreffend entschieden, daß sich die Zuweisung des fahrbaren Tiefbohrgeräts zur Tarifnr. 87.03 ohne ergänzende Heranziehung der Brüsseler Erl. schon aus dem Wortlaut der streitigen Tarifnrn. 84.23 und 87.03 ergibt. Der Tarifnr. 84.23 sind u. a. ortsfeste oder bewegliche Maschinen, Apparate und Geräte für Tiefbohrungen zugeordnet, und zwar selbstfahrend, auf Gleisketten oder Rädern, nicht auf Schienen fahrbar (Tarifst. A I) oder andere (A II a). Die Tarifnr. 87.03 umfaßt Kraftwagen zu besonderen Zwecken, wie z. B. Spritzenwagen, Kranwagen und Werkstattwagen. Neben den ausdrücklich erwähnten Kraftwagen, zu denen fahrbare Tiefbohrgeräte nicht gehören, erfaßt die Tarifnr. 87.03 nach ihrem Wortlaut auch ähnliche, nicht oder nicht ausschließlich zu Beförderungszwecken gebaute Kraftwagen. Für die Tarifierung kommt es danach darauf an, ob es sich bei der streitigen Ware um selbstfahrende Tiefbohrgeräte der Tarifnr. 84.23 oder um einen zu besonderen Zwecken gebauten Kraftwagen der Tarifnr. 87.03 handelt.
Der Senat kommt in Übereinstimmung mit dem FG zu dem Ergebnis, daß die streitige Ware einen zu besonderen Zwecken gebauten Kraftwagen i. S. der Tarifnr. 87.03 darstellt. Der Senat hat sich in seinem vom FG zitierten Urteil VII K 3/71 mit der Frage befaßt, ob ein Kranwagen der Tarifst. 84.22 B I (Maschinen, Apparate und Geräte zum Heben, Beladen, Entladen oder Fördern, selbstfahrend, auf Gleisketten oder Rädern, nicht auf Schienen fahrbar) oder der Tarifnr. 87.03 zuzuweisen ist. Er hat bei seiner Entscheidung maßgebend darauf abgestellt, daß die in Tarifnr. 84.22 erfaßten Waren dazu bestimmt sind, gewisse Arbeitsfunktionen zu erfüllen und daß es auf die Fähigkeit, sich selbst fortzubewegen, für die Zugehörigkeit zu dieser Tarifnummer nicht ankommt. Bei Kraftwagen der Tarifnr. 87.03 stellt hingegen, wie der Senat weiter ausführte, die Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung ein erstrangiges Wesensmerkmal dar, so daß es für die Tarifierung entscheidend ist, welchen Rang diese Fähigkeit besitzt und ob sie gegenüber den anderen Wesensmerkmalen der Ware im Vordergrund steht. Der Senat kam aufgrund der Baukonstruktion des Krans zu dem Ergebnis, daß die Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung im Vordergrund steht und daß demzufolge der Kran ein Kranwagen i. S. der Tarifnr. 87.03 ist. Die Grundsätze dieses Urteils, an denen der Senat festhält, sind auch auf den vorliegenden Streitfall, der einen vergleichbaren Sachverhalt zum Gegenstand hat, anwendbar. Denn der Wortlaut der Tarifst. 84.22 B I entspricht weitgehend dem Wortlaut der Tarifst. 84.23 A I.
Das FG hat für den Senat bindend festgestellt, daß das Tiefbohrgerät die wesentlichen Eigenschaften eines Kraftwagens besitzt. Das aus einem Spezialrahmen bestehende Fahrgestell ist mit drei Front- und drei Hinterachsen ausgerüstet, von denen zwei Hinterachsen durch einen der beiden Bohrmotore unmittelbar angetrieben werden. Die Lenkung geschieht über die drei Vorderachsen. Die Achsen sind mit für den Straßenverkehr geeigneten Reifen ausgestattet. Das Gerät hat fünf Vorwärtsgänge und einen Rückwärtsgang. Das auf dem Fahrgestell befestigte Führerhaus enthält die wesentlichen Bedienungselemente für den Fahrbetrieb, nämlich Lenkung, Bremsen, Gaspedal und Gangschaltung. Es enthält dagegen keine Vorrichtungen zur Bedienung der Bohranlage. Die Fortbewegungsmöglichkeit des fahrbaren Bohrgeräts entspricht, wie das FG weiter festgestellt hat, nach Art und Geschwindigkeit (Höchstgeschwindigkeit: 64 km/h; nach der Straßenverkehrsordnung zugelassene Geschwindigkeit: 50 km/h) der eines LKW. Nach den Wesensmerkmalen und der Konstruktion des fahrbaren Tiefbohrgeräts steht damit die Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung gegenüber den anderen Merkmalen des Geräts so sehr im Vordergrund, daß die Ware als Kraftwagen zu besonderen Zwecken i. S. der Tarifnr. 87.03 zu tarifieren ist. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß der Charakter des im vorliegenden Fall zu tarifierenden Tiefbohrgeräts als Kfz gegenüber dem im Urteil VII K 3/71 ebenso tarifierten Kranwagen insofern noch deutlicher in Erscheinung tritt, als das Führerhaus ausschließlich zur Aufnahme der Bedienungsorgane für die Fortbewegung des Tiefbohrgeräts dient und nicht auch zur Bedienung der stationären Bohranlage.
Der Zuweisung der streitigen Ware zur Tarifnr. 87.03 steht nicht entgegen, daß sie für sich allein nicht geeignet ist, damit Tiefbohrungen durchzuführen. Nach dem Wortlaut der Tarifnr. 87.03 dienen Kraftwagen dann besonderen Zwecken, wenn sie nicht oder nicht ausschließlich zu Beförderungszwecken gebaut sind. Das trifft im Streitfalle zu. Das streitige fahrbare Tiefbohrgerät erfüllt seinen eigentlichen Zweck dadurch, daß es den zentralen Teil einer stationären Tiefbohranlage darstellt. Es enthält u. a. den Teleskopbohrmast und das Hebewerk mit den beiden Antriebsmotoren von je 425 PS. Dem Wortlaut der Tarifnr. 87.03 kann nicht entnommen werden, daß als Kraftwagen zu besonderen Zwecken nur solche anzusehen seien, die auch ohne Zuhilfenahme anderer Bestandteile, Geräte oder Maschinen eine bestimmte Funktion ausüben können.
Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin fallen unter die Tarifnr. 87.03 nicht nur solche Kraftwagen, bei denen das Tiefbohrgerät auf einem wirklichen Kraftwagenfahrgestell oder einem LKW montiert ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die dort erfaßten Spezialfahrzeuge Kraftwagen mit den für sie wesentlichen Beschaffenheitsmerkmalen sind. Diese Frage ist, wie bereits ausgeführt, zu bejahen. Ob es sich bei dem verwendeten Fahrgestell um ein übliches Kraftwagenfahrgestell oder um einen Spezialrahmen handelt, ist tariflich ohne Bedeutung. Etwas anderes kann auch nicht aus den von der Klägerin zitierten Brüsseler Erl. zu den Tarifnrn. 87.03 (Rdnrn. 39 bis 31) und 84.23 (Rdnrn. 12 bis 14) entnommen werden. Nach diesen Erläuterungen, die für die Gerichte nicht bindend sind und die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) nur als maßgebliche Erkenntnismittel herangezogen werden können, verbleiben selbstfahrende, auf einem Fahrgestell mit Rädern angebrachte Geräte in der Tarifnr. 84.23, wenn sich eine oder mehrere der Antriebs- oder Bedienungsvorrichtungen für den Antriebsmotor, das Getriebe mit Gangschaltung sowie die Lenk- und Bremsvorrichtung in der Kabine der Arbeitsmaschine befinden. Diese Voraussetzung trifft nach den vom FG getroffenen und von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen nicht zu. Das Führerhaus, in dem sich sämtliche Bedienungsorgane für die Fortbewegung des fahrbaren Tiefbohrgeräts befinden, wird beim Betrieb der Bohranlage als Arbeitsmaschine nicht verwendet. Es wird nur zum Fahren des Tiefbohrgerätes benutzt. Die von der Klägerin zur Unterstützung ihrer Tarifauffassung herangezogenen Brüsseler Erl. stellen aber für die Zuweisung von Arbeitsmaschinen oder Arbeitsgeräten zur Tarifnr. 84.23 ganz offensichtlich darauf ab, daß der Fortbewegungsvorgang und der Arbeitsvorgang wenigstens zum Teil von einer Kabine der Maschine aus gesteuert werden.
Auch auf die Rdnr. 31 der Brüsseler Erl. zur Tarifnr. 87.03 (vgl. auch Rdnr. 15 der Erläuterungen zur Tarifnr. 84.23) kann sich die Klägerin nicht berufen. Der Senat stimmt mit dem FG darin überein, daß diese Erläuterungen schon deshalb nicht herangezogen werden können, weil das Tiefbohrgerät keine gebrauchsfertige Arbeitsmaschine ist, wie das für den dort als Beispiel erwähnten selbstfahrenden Straßenhobel zutrifft.
Das fahrbare Tiefbohrgerät kann auch nicht, wie die Klägerin mit ihrer Revision in erster Linie geltend macht, als Teil der stationären (also nicht fahrbaren) Gesamtbohranlage angesehen und damit der Tarifst. 84.23 A II a (ortsfeste oder bewegliche Maschinen, Apparate und Geräte für Erd- oder Steinbrucharbeiten, den Bergbau oder Tiefbohrungen, andere: Tiefbohrgeräte) zugewiesen werden. Nach § 35 Abs. 1 des Zollgesetzes (ZG) ist maßgebend für die Beschaffenheit einer zum freien Verkehr abzufertigenden Ware der Zeitpunkt, in dem der Zollantrag gestellt worden ist. In diesem Zeitpunkt stellte das fahrbare Tiefbohrgerät aber keinen Teil einer eingerichteten stationären Tiefbohranlage dar, sondern ein selbstfahrendes Tiefbohrgerät, das später zusammen mit anderen nicht selbstfahrenden Bestandteilen zu einer Tiefbohranlage vereint wird. Dies hat der von der Klägerin herangezogene Privatgutachter Professor Dr.-Ing. B in seinem Gutachten verkannt. Er hat dort ausgeführt, daß es aus technischen Gründen nicht vertretbar sei, bei der Tarifierung des streitigen Tiefbohrgeräteteils einen Unterschied dahingehend zu machen, ob er einzeln transportiert werde oder teilweise fahrbar sei. Diese vom Gutachter angestellte technische Betrachtung ist aber weder mit § 35 Abs. 1 ZG noch mit der im Vorstehenden wiedergegebenen Tariflage, wie sie sich aus dem Wortlaut der Tarifnrn. 84.23 und 87.03 ergibt, vereinbar. Sie verhilft der Klägerin auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Tarifierung von Teilen von Maschinen oder Geräten nicht zum Erfolg.
Mit der Tarifierung von Teilen von Maschinen, Apparaten und Geräten befassen sich die Vorschriften 2 und 7 zu Abschn. XVI des ZT. Nach der hier in Betracht kommenden Vorschrift 2 b sind Teile, die aufgrund ihrer Beschaffenheit erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschinenart bestimmt sind, der Tarifnummer für diese Maschinenart zuzuweisen. Das gilt aber, worauf das HZA zu Recht hingewiesen hat, nach Vorschrift 2 zu Abschn. XVI nicht für solche Teile von Maschinen und Geräten, die durch die Vorschrift 1 zu Abschn. XVI von diesem Abschnitt ausgenommen sind. Nach der Vorschrift 1 k gehören zu Abschn. XVI nicht die von Abschn. XVII erfaßten Beförderungsmittel, also z. B. auch Kraftwagen zu besonderen Zwecken i. S. der Tarifnr. 87.03. Fahrbare Tiefbohrgeräte gehören danach, auch wenn sie unentbehrliche Bestandteile einer Gesamtbohranlage sind und für sich allein keine Arbeitsfunktion ausfüllen können, in keinem Falle zur Tarifst. 84.23 A II a.
Für den erkennenden Senat ergaben sich keine Zweifel bei der Auslegung des Gemeinsamen Zolltarifs. Er hielt sich daher nicht für verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EGH nach Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einzuholen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1975 VII R 105/73, BFHE 117, 313).
Fundstellen
Haufe-Index 514756 |
BFHE 1979, 469 |