Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer Sonstiges Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Bankrecht Kreditrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Rückdeckung von sogenannten Bürgschaftsversicherungen und Personenkautionsversicherungen durch ein Versicherungsunternehmen ist umsatzsteuerfrei.
Normenkette
UStG § 4/9/a, § 4 Ziff. 9; UStDB § 27b; VersStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2, § 4 Nr. 1; BGB § 765
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Stpfl), eine Rückversicherungsgesellschaft (Zessionar) übernimmt u. a. die Rückdeckung von Kautionsversicherungen (Bürgschaftsversicherungen und Personenkautionsversicherungen) inländischer und ausländischer Versicherer (Zedenten). Durch diese Rückversicherung schützt sich der Zedent nach Quoten oder Exzedenten teilweise für den Fall, daß er mit Regreßansprüchen gegen seinen Versicherungsnehmer (§ 774 BGB) ausfällt. Nach den Feststellungen des FG liegen den strittigen Umsätzen obligatorische laufende Rückversicherungsverträge zugrunde, also Rahmenverträge, nach denen der Zedent zur überweisung und der Zessionar zur übernahme eines jeden angefallenen Wagnisses verpflichtet sind und von denen nicht nur Kautions- sondern auch sonstige Kredit-, ferner Garantie- und Veruntreuungsversicherungen erfaßt sind (Portefeuille des Zedenten).
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) zog im Umsatzsteuerbescheid für 1956 u. a. die Einnahmen der Stpfl. aus der Rückdeckung von Kautionsversicherungen zur Bemessung der Umsatzsteuer heran. Dabei veranlagte er die Stpfl. hinsichtlich der Entgelte von ausländischen Versicherern sowie hinsichtlich des Freibetrags von 2.000 DM (§ 7 a UStG für 1956) nur vorläufig. Der auf diese Besteuerungsgrundlage beschränkte Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Berufung gleichen Umfangs stellte das FG die Stpfl. von der Umsatzsteuer frei, soweit diese auf der Rückdeckung von Kautionsversicherungen beruht und veranlagte endgültig. Diese Entscheidung griff das FA mit der Rechtsbeschwerde an und beantragte den Umsatzsteuerbescheid 1956 wieder herzustellen.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel, das seit dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln und zu bezeichnen ist (§§ 161 Abs. 2, 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ist nicht begründet.
Soweit die Leistung der Stpfl. an inländische Versicherer in Frage stehen, beruht die Entscheidung des Senats auf folgenden Rechtserwägungen:
Nach § 4 Ziff. 9 UStG sind u. a. die Umsätze steuerfrei, die unter das Versicherungsteuergesetz (VersStG) fallen. Bei den genannten Leistungen ist diese Voraussetzung gegeben. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 VersStG werden nämlich u. a. die durch Vertrag entstandenen Versicherungsverhältnisse vom VersStG erfaßt, wenn der Versicherungsnehmer bei der jeweiligen Zahlung des Versicherungsentgelts seinen Wohnsitz (Sitz) im Inland hat. Ausgenommen von dieser Regelung ist nach § 2 Abs. 2 VersStG allerdings ein Vertrag, "durch den der Versicherer sich verpflichtet, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten". Unter diese Ausnahme fallen die Rechtsbeziehungen zwischen dem Erstversicherer und seinem Versicherungsnehmer, es sei denn, daß man sie - nach Auffassung des Senats rechtsirrig - mit dem FA dem Versicherungsrecht überhaupt nicht zuordnete. Diese Rechtsbeziehungen sind aber - wie nachstehend noch dargelegt wird - für die hier strittigen Umsätze ohne Bedeutung, weshalb auch ihre Natur als Versicherungsverträge nicht weiter erläutert werden muß.
Die Rechtsbeziehungen der Stpfl. zu den Erstversicherern dagegen werden - wiederum unter der Voraussetzung, daß es sich überhaupt um Versicherungsverträge handelt - nicht durch § 2 Abs. 2 VersStG der Anwendung des VersStG entzogen. Denn abweichend vom Tatbestand dieser Vorschrift ist in den dem Streit zugrunde liegenden Verträgen das eigene Wagnis des Versicherungsnehmers (Erstversicherers), der Ausfall mit Regreßansprüchen gegen seinen Versicherungsnehmer, ausschließlicher Gegenstand der Vereinbarungen. Die Stpfl. hat nach diesen Verträgen nicht für den Erstversicherer, also nicht für dessen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten einzustehen, sie muß vielmehr dem Erstversicherer einen Ausfall erstatten, der diesem Versicherungsnehmer unmittelbar entsteht. Eine Verpflichtung zum Abschluß eines Vertragsverhältnisses mit einem Dritten (Gläubiger des Versicherungsnehmers), auf die § 2 Abs. 2 VersStG abstellt, ist in den "Rückversicherungsverträgen" nicht vorgesehen. Für sich betrachtet enthalten also diese Verträge keine Kautionsversicherung, sondern eine Delkredereversicherung, die von § 2 Abs. 2 VersStG nicht erfaßt wird.
Die Anwendung dieser Vorschrift kann auch das Vorbringen der Revision nicht rechtfertigen, wonach das Versicherungsverhältnis eine Beteiligung des Zessionars an der Bürgschaft des Zedenten zum Gegenstand haben soll. Da ein Vertrag zwischen dem Zessionar und dem Bürgschaftsgläubiger (Direktversicherten) nicht besteht, kann dieses Rechtsverhältnis keinen Bürgschaftscharakter haben (§ 765 BGB). Es kann nicht einmal - sieht man von seiner versicherungsrechtlichen Natur ab - als übernahme der Bürgschaftsschuld gemäß § 415 Abs. 3 BGB beurteilt werden, weil die Stpfl. nicht für die Nebenschuld des Zedenten an den Versicherten (Gläubiger) einzustehen hat, sondern für den Ausfall des auf den Zedenten übergegangenen Hauptanspruchs des Versicherten (des Gläubigers) gegen den Versicherungsnehmer des Zedenten (§ 774 BGB). Eine rechtliche Verknüpfung zwischen der Direktversicherung und der Rückversicherung besteht sonach nicht. Es liegt lediglich eine wirtschaftliche Beteiligung der Stpfl. am Risiko des Erstversicherten vor. Dieser Umstand kann aber auch im Licht der wirtschaftlichen Betrachtungsweise das Rechtsverhältnis zwischen dem Zedenten und der Stpfl. nicht als Vertrag im Sinne des § 2 Abs. 2 VersStG erscheinen lassen, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für das Versicherungsteuerrecht grundsätzlich von der bürgerlich rechtlichen Vertragsgestaltung auszugehen ist (vgl. die Urteile II 175/61 U vom 14. Oktober 1964, BFH 80, 539, BStBl III 1964, 667, und II 108/62 U vom 25. November 1964, BFH 81, 438, BStBl III 1965, 156). Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem die wirtschaftliche Rückdeckung eines unter § 2 Abs. 2 VersStG fallenden Versicherungsvertrags das steuerrechtliche Schicksal des Versicherungsvertrags teilt; der von der Revision hervorgehobene Grundsatz der Gleichmäßigkeit des Risikos beim Erstversicherer und Rückversicherer bestimmt allein den zivilrechtlichen Inhalt des Rückversicherungsvertrags; er bewirkt aber weder eine Verschmelzung der Vertragsbeziehungen des Zedenten mit dem Zessionar einerseits und des Zedenten mit seinem Versicherungsnehmer andererseits noch insbesondere eine Gleichstellung der Verträge als steuerrechtliche Tatbestände. Die beiden Rechtsverhältnisse sind steuerrechtlich getrennt zu behandeln. Für die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse ist es somit ohne Bedeutung, ob die Verträge der Zedenten mit ihren Versicherungsnehmern echte Versicherungen sind.
Da hier nur inländische Vertragspartner in Betracht kommen, wären deshalb die strittigen Umsätze nur dann keine Umsätze nach dem VersStG, wenn die Zedenten mit der Stpfl. kein Versicherungsverhältnis begründet hätten. Die genommenen "Rückversicherungen" sind aber, wie das FG zutreffend entschieden hat, echte und selbständige Versicherungen. Denn die Stpfl. übernimmt in den Verträgen mit den Erstversicherern als selbständige Leistung das schon oben näher umschriebene Risiko eines ungewissen Bedarfs gegen Entgelt, wobei es - zum Unterschied vom Bürgschaftsvertrag nach §§ 765 ff. BGB - erkennbar in ihrer Absicht liegt, den aus dem übernommenen Wagnis erwarteten Bedarf aus den Leistungen der an der Gefahrengemeinschaft beteiligten Personen zu decken (vgl. dazu das den Parteien bekannte und bereits vom FG herangezogene Urteile des BGH III ZR 21/61 vom 14. Juli 1962 sowie die darin und vom FG weiter zitierte Rechtsprechung und Literatur). Im Gegensatz zu der in der Revisionsbegründung vorgetragenen Meinung kann nach diesen Wesensmerkmalen das Zustandekommen von Versicherungsverhältnissen bei der Stpfl. nicht mit der Begründung verneint werden, die Stpfl. habe tatsächlich nur einige wenige Risiken aus Kautionsversicherungen in Deckung genommen und habe deshalb in Wirklichkeit für einen Risikoausgleich nach dem Gesetz der großen Zahl keine Möglichkeit gehabt. Für das Vorliegen von Versicherungsverhältnissen genügt es vielmehr, daß der Versicherer diesen Risikoausgleich anstrebt. Dabei ist er auch nicht gehalten, den Ausgleich nur mit den Beiträgen für Versicherungen auf gleichartige Wagnisse herbeizuführen. Er kann vielmehr für die Deckung des Bedarfs die Prämien seines gesamten Geschäfts einkalkulieren. Daß eine derartige Planung den Rückdeckungsgeschäften mit Kautionsversicherern zugrunde lag, ergibt sich aus der Natur des von der Stpfl. betriebenen Unternehmens. Diese Tatsache kann deshalb unbedenklich für die Revisionsentscheidung verwendet werden.
Gegenüber den Ausführungen des FA, die das Vorliegen einer "Rückbürgschaft" anstelle eines Versicherungsverhältnisses in Betracht ziehen, ist darauf hinzuweisen, daß für diese Rechtsform wohl die nötige Bestimmtheit der Bürgschaftsverbindlichkeiten bei Abschluß des "Rückversicherungsvertrags" fehlt. Denn die Stpfl. verpflichtet sich gegenüber den Versicherern lediglich in Rahmenverträgen für die Erfüllung der Verbindlichkeiten von Dritten (Versicherungsnehmern) einzustehen. Diese Verbindlichkeiten sind nicht nur der Höhe nach, sondern insbesondere nach der Person des Dritten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses völlig ungewiß. Die Stpfl. muß nach dem Inhalt des Rückdeckungsverhältnisses für Ausfälle grundsätzlich einstehen, auch wenn ihr der Erstversicherer sein Risiko noch gar nicht deklariert hat. Nun kann zwar nach § 765 Abs. 2 BGB eine Bürgschaft (Rückbürgschaft) auch für eine künftige Verbindlichkeit übernommen werden. Es genügt auch, daß diese Verbindlichkeit sachlich lediglich ihrer Art nach bestimmt ist (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 25 S. 318). Nach Auffassung des Senats verlangt aber § 765 BGB das Einstehen für die Verbindlichkeiten eines bestimmten Dritten.
Indessen kommt es auf diese Frage nicht entscheidend an. Denn selbst wenn die "Rückversicherungsverträge" die Wesensmerkmale der Bürgschaft enthielten, so müßten sie mit Rücksicht auf die besondere Art der von der Stpfl. vorgesehen Abwicklung (vgl. obenü) als Versicherungsverhältnis beurteilt werden.
Die Leistung der Stpfl. aus diesen Verträgen - die Gewährung von Versicherungsschutz an die Erstversicherer - ist aber gemäß § 4 Ziff. 9 UStG steuerfrei, weil sie - gleichgültig ob sie als Rück- oder als Direktversicherungsschutz beurteilt wird - unter das VersStG fällt (§ 1 VersStG). Der Umstand, daß die Leistung als Rückversicherungsschutz auch nach § 4 Nr. 1 VersStG steuerfrei wäre, hindert nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Anwendung des § 4 Ziff. 9 UStG nicht. Es kann daher die lediglich für die Veranlagung zur Versicherungsteuer wesentliche Frage unerörtert bleiben, ob eine Rückversicherung im Sinne des § 4 Nr. 1 VersStG auch dann gegeben ist, wenn die Rückdeckung einen Versicherungsvertrag betrifft, auf den nach § 2 Abs. 2 VersStG das Versicherungsteuerrecht nicht anzuwenden ist.
Das FG hat deshalb die Stpfl. von der Umsatzsteuer aus Leistungen, die in der Rückdeckung von inländischen Kautionsversicherungen bestehen, zutreffend freigestellt.
Das angefochtene Urteil ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als es die Rückdeckung ausländischer Kautionsversicherungen durch die Stpfl. betrifft. Auch insoweit sind die Umsätze steuerfrei.
Diese Leistungen fallen zwar nicht unter das VersStG, weil die Versicherungsnehmer bei der jeweiligen Zahlung des Versicherungsentgeltes ihren Sitz nicht im Inland haben (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 VersStG) und sind deshalb nicht schon nach § 4 Ziff. 9 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Vergünstigung wurde aber in § 27 b UStDB mit Wirkung vom 1. April 1958 angeordnet. Durch den Erlaß des BdF - IV A/2 S 4015 - 1/59 vom 5. Januar 1959 (BStBl I 1959, 14) wurden die Finanzbehörden angewiesen, auch die früheren noch nicht rechtskräftigen Veranlagungen dieser Art nach § 27 b UStDB zu behandeln. Mit Recht hat das FG diesen Erlaß in Anwendung der Rechtsprechung des BFH über die Anpassungsregelungen (vgl. das Urteil VI 50/60 U vom 2. Dezember 1960, BFH 72, 197, BStBl III 1961, 73) seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Das FA hat dagegen lediglich geltend gemacht, daß das Geschäft mit ausländischen Versicherern nicht erst wegen der Ausländereigenschaft der Versicherungsnehmer, sondern schon als Bürgschaftsversicherung im Sinne des § 2 Abs. 2 VersStG nicht unter das VersStG falle und deshalb von der Vergünstigung nicht erfaßt werde. Dieser Einwand kann aber nach den unter Nr. 1 niedergelegten Grundsätzen nicht durchgreifen.
Die Revision war daher in vollem Umfang zurückzuweisen. Die Kosten des Rechtsmittels hat gemäß § 135 Abs. 2 FGO der Revisionskläger zu tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 412590 |
BStBl III 1967, 643 |
BFHE 1967, 198 |
BFHE 89, 198 |