Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Werbeunternehmen, die für ihre Kunden die Werbeberatung und Werbegestaltung umfassend übernehmen, können die an Dritthersteller (Künstler, Klischeeanstalten, Druckereien usw.) gezahlten Entgelte nicht schon deshalb als durchlaufende Posten behandeln, weil sie die Bestellungen "im Auftrag" der namentlich bezeichneten Kunden an die Dritthersteller aufgegeben haben.
Normenkette
UStG § 5 Abs. 3, § 10/1/4
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Stpfl.), eine Werbegesellschaft, die im Jahre 1950 vereinnahmten Zahlungen ihrer Auftraggeber (Werbekunden) für Arbeiten, die sie von Dritten anfertigen ließ (Zeichnungen, Anzeigen, Plakate, Prospekte, Kataloge und dergleichen), in vollem Umfange als Entgelt der Umsatzsteuer zu unterwerfen hat oder ob es sich bei dem an die Dritten weitergeleiteten Teil der Zahlungen um durchlaufende Posten im Sinne des § 5 Abs. 3 UStG handelt.
Die Stpfl. hatte in der Umsatzsteuererklärung für 1950 die an die Dritten ausgezahlten Beträge als durchlaufende Posten angesehen und nicht versteuert. Das FA war bei der Umsatzsteuerveranlagung für 1950 der Umsatzsteuererklärung gefolgt. Der Bescheid hatte Rechtskraft erlangt.
Im Jahre 1955 fand bei der Stpfl. eine Betriebsprüfung statt. Hierbei erhob der Prüfer gegen die Versteuerung nur der Vermittlungsgebühr insoweit keine Einwendungen, als die Stpfl. als Werbungsmittlerin im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 UStDB aufgetreten war. Er stellte jedoch außerdem Umsätze fest, die er weder als Werbungsmittlertätigkeit im Sinne der genannten Vorschrift noch als allgemeine Vermittlertätigkeit ansah und bei denen er daher eine Behandlung der an die Dritten abgeführten Beträge als durchlaufende Posten ablehnte. Diesen Umsätzen lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die Stpfl. übernahm für ihre Auftraggeber die Werbeberatung und Werbegestaltung in weitestem Sinne. In einem Vertrage (sog. Beratungsvertrag) verpflichtete sie sich ihren Kunden gegenüber, sie auf dem Gebiete der Werbung zu beraten, anhand des Werbeetats der Firma jährlich Werbeprämie aufzustellen, als Grundlage für die verschiedenen Werbeeinsätze die Werbeideen zu entwickeln, für Anzeigen, Prospekte, Kataloge, Reklamen, Plakate und Flugblätter Werbetexte und Vorentwürfe zu schaffen und nach deren Genehmigung durch die Werbekunden Aufträge an die ausführenden Graphiker, Photographen, Schriftzeichner, Typographen usw. zu erteilen. Für die einzelnen Werbeaktionen erhielt sie keine besonderen Aufträge. Sie ließ die Arbeiten teils im eigenen Studio anfertigen, teils beauftragte sie damit selbständige dritte Personen oder Firmen. Sie ließ bei einschlägigen Unternehmen Klischees, Druckstöcke und Matern herstellen und erteilte Druckaufträge an Druckereien. Die Bestellschreiben an die Dritten (sog. Dritthersteller) trugen als Kopf die Firma der Stpfl. Die Dritthersteller richteten ihre Rechnungen an die Stpfl., die ihrerseits auf eigenen Rechnungsvordrucken dieselben Beträge zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 15 % den Werbekunden in Rechnung stellte. Diese überwiesen den Gesamtbetrag an die Stpfl., die die ihr von den Drittherstellern erteilten Rechnungen beglich, d. h. nach Einbehaltung der Bearbeitungsgebühr den verbleibenden Betrag an die Dritthersteller abführte.
Das FA lehnte die Ansicht der Stpfl., daß sie in diesen Fällen nur die Bearbeitungsgebühr zu versteuern brauche, ab und zog die Stpfl. im Wege der Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO mit den gesamten von den Kunden vereinnahmten Beträgen zur Umsatzsteuer heran. Einspruch und Berufung blieben erfolglos.
In der Vorentscheidung wird ausgeführt, die Stpfl. könne die Besteuerung nur der Vermittlungsgebühr weder nach der Sondervorschrift für die Werbungsmittler (§ 53 UStDB) noch unter dem Gesichtspunkt der durchlaufenden Posten (§ 5 Abs. 3 UStG) beanspruchen. Nach § 53 Abs. 1 Satz 2 UStDB müßten die Empfänger der Werbeaufträge "Werbung für andere durchführen". Das treffe auf die von der Stpfl. beauftragten Künstler, Klischeeanstalten, Druckereien usw. nicht zu. Die von der Stpfl. an die Dritthersteller weitergeleiteten Beträge seien auch keine durchlaufenden Posten. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob die Werbekunden der Stpfl. überhaupt das Recht eingeräumt hätten, in ihrem Namen aufzutreten. Die Beratungsverträge bezögen sich nur auf das Verhältnis der Stpfl. zu den Kunden (Innenverhältnis). Das Außenverhältnis zu Dritten sei mit keinem Worte erwähnt. Auch der sonstige, dem Gericht vorliegende Schriftwechsel enthalte keine Anzeichen dafür, daß die Stpfl. als Vertreterin ihrer Kunden handeln dürfe. In jedem Falle fehle in den mit den Drittherstellern abgeschlossenen Verträgen der Hinweis, daß die Stpfl. im Namen der Werbekunden auftrete. Die nur teilweise gebrauchte Eingangsformel in den Bestellschreiben "Fertigen Sie bitte an im Auftrage der Firma X" könne nicht als solcher Hinweis gewertet werden. Auftrag und Vollmacht (Vertretung) seien unterschiedliche Rechtsbegriffe. In dem von der Stpfl. vorgelegten Schriftwechsel hätten die Dritthersteller weder direkt noch indirekt zum Ausdruck gebracht, daß sie unmittelbar den Werbekunden gegenüber verpflichtet seien. Verschiedene Formulierungen ließen den entgegengesetzten Schluß zu. Auch Adressierung und Weg der Rechnungen und Zahlungen, die Geltendmachung von Beanstandungen seitens der Werbekunden gegenüber der Stpfl. sowie die Abwicklung der Streitfälle in derselben Weise wie bei den Werbemittlungsgeschäften deuteten auf ein Handeln der Stpfl. im eigenen Namen hin. Das Gesamtbild ergebe, daß die Dritthersteller ein stellvertretendes Handeln der Stpfl. weder erkannt haben noch erkennen konnten.
Entscheidungsgründe
Die Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO), hat keinen Erfolg. Die Vorentscheidung beruht im wesentlichen auf der Beurteilung tatsächlicher Verhältnisse, an die der Senat gemäß § 118 FGO gebunden ist. Eine unrichtige Anwendung des Bundesrechts ist ebensowenig feststellbar wie ein Denkfehler.
Die Anwendung der Begünstigung nach § 53 Abs. 1 UStDB begehrt die Stpfl. selbst nicht mehr. In den streitigen Fällen hat weder die Stpfl. Werbeaufträge vergeben noch der beauftragte Unternehmer Werbung betrieben. Auch ein Handeln im Namen der Werbekunden hat das Finanzgericht (FG) mit zutreffender Begründung verneint. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, daß es der Eingangsformel in den Bestellschreiben an die Dritthersteller nicht die Bedeutung eines Hinweises auf ein Auftreten im Namen der Werbekunden beigemessen hat. Das FG hat dabei keineswegs übersehen, daß im Geschäftsleben zwischen Auftrag und Bevollmächtigung (Kausalgeschäft und abstrakter Vertretung, Innenverhältnis und Außenverhältnis) oft nicht unterschieden wird, sondern dies selbst betont. Bei Firmen in der Größenordnung der Stpfl., die - wie sie selbst angibt - bedeutende Industrieunternehmen zu ihren Kunden rechnet, kann jedoch angenommen werden, daß sie die Unterschiede kennen und bei Abfassung von Vertragsmustern beachten. Wegen der individuellen Gestaltung der Werbung nach den Wünschen der den verschiedensten Branchen angehörenden Werbekunden war es selbstverständlich, daß deren Namen im Bestellschreiben genannt und gelegentlich von ihrem "Auftrage" gesprochen wurde. Daß dadurch unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Werbekunden und den Dritten nicht herbeigeführt werden sollten und tatsächlich nicht entstanden sind, hat die Vorinstanz zutreffend aus dem gesamten Verhalten der Beteiligten entnommen: aus dem regelmäßigen Fehlen direkter Verbindungen zwischen den Werbekunden und den Dritten, aus der Freiheit der Stpfl., grundsätzlich die einzelnen Werbeaktionen und die dabei einzuschaltenden Erfüllungsgehilfen zu bestimmen, aus der Ausdrucksweise in den gewechselten Geschäftsbriefen (die gegenseitige Verpflichtungen zwischen den Dritten und den Werbekunden nicht erkennen lassen), aus der Erhebung von Mängelrügen gegenüber der Stpfl. sowie aus der scharfen Trennung des Auftrags-, Rechnungs- und Zahlungsverkehrs zwischen den Werbekunden und der Stpfl. einerseits und dieser und den Dritten andererseits. Von einer "Erkennbarkeit" des Auftretens der Stpfl. im Namen ihrer Kunden kann unter diesen Umständen keine Rede sein.
Die Verpflichtung der Stpfl. in den Beratungsverträgen, Preisnachlässe seitens der Dritthersteller an die Werbekunden weiterzugeben, spricht - entgegen der Ansicht der Stpfl. - eher für ein Handeln im eigenen als im fremden Namen; denn daß ein Vermittler, sofern nichts anderes bestimmt ist, solche Entgeltsminderungen bei der Abrechnung mit dem Auftraggeber zu berücksichtigen hat, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Die Stpfl. geht fehl, wenn sie meint, auf das klare Auftreten im fremden Namen könne bei der im Umsatzsteuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf Grund der Interessenlage der Beteiligten verzichtet werden.
Der Einwand der Stpfl., der Werbekunde wisse, daß die eigenen Studios der Werbegesellschaften bei der Spezialisierung der Werbewünsche nur beschränkt herangezogen werden können und daher Entwürfe und Zeichnungen an Dritte vergeben werden müssen und daß die Werbegesellschaften keine eigenen Druckereien und Klischeeanstalten besitzen, die Dritthersteller andererseits wüßten, daß die Werbemittel nicht für die Werbegesellschaften, sondern für deren Auftraggeber bestimmt sind, vermag an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Zutreffend weist das FA darauf hin, daß eine solche wechselseitige Kenntnis in unzähligen Unternehmensbereichen (z. B. beim Großhandel) vorkommt, ohne daß allein dadurch die Zwischenunternehmer zu Vermittlern würden.
Die Stpfl. kann sich auch nicht auf eine angebliche Verkehrsauffassung berufen, nach der die Werbefirmen die Werbeberatung selbst durchführen und die Herstellung der Werbemittel im Namen ihrer Kunden an Dritthersteller vergeben. Schon die unterschiedliche Arbeitsweise der Werbefirmen sowie das verschiedene Ausmaß ihrer Eigenproduktion von Werbemitteln in firmeneigenen Studios und Produktionsstätten spricht gegen eine "werbeagenturtypische" Abwicklung der Werbeaufträge. Das oben dargestellte gesamten Verhalten der Beteiligten beweist, daß die Dritthersteller im Streitfall die Vorstellung, in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu den Werbekunden zu treten, nicht hatten. Nach dem vom FG festgestellten Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse wollten die Werbekunden einen fertigen Werbevorschlag ausgeführt haben. Es war ihnen (von Ausnahmefällen abgesehen) gleichgültig, welche Zeichner, Graphiker, Photographen oder sonstigen Werbegestalter, welche Druckereien oder gar welche Klischeeanstalten die Ausführung oder Teilausführung übernahmen. Sie wollten grundsätzlich allein mit der Stpfl. verhandeln und diese auch gegebenenfalls als Verpflichtete in Anspruch nehmen können. Auch die Dritthersteller wollten allein mit der Stpfl. zu tun haben.
Ein Vergleich der Werbefirmen mit den Reiseagenturen ist schon deswegen nicht möglich, weil bei diesen in der Regel eine schärfere Trennung zwischen Eigengeschäften und Fremdgeschäften besteht. Außerdem hatte in den Fällen des Urteils des Senats V 285/57 U vom 2. Juli 1959, (BFH 69, 255, BStBl III 1959, 358), auf das sich die Stpfl. bezieht, der Reiseveranstalter den Reiseteilnehmern und den Gastwirten gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß er nur als Vermittler auftrete. In anders gelagerten Fällen hat die Rechtsprechung die Vermittlereigenschaft der Reiseveranstalter verneint (vgl. das rechtskräftige Urteil des FG München III 400/62 vom 28. Juli 1964, EFG 1965, 140; Urteil des BFH V 52/63 vom 19. Januar 1967, BFH 87, 512, BStBl III 1967, 211).
Mit der erstmalig im Revisionsverfahren vorgebrachten Behauptung, es lägen die Voraussetzungen der Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG vor, kann die Stpfl. wegen der beschränkten Natur der Revision gemäß § 118 FGO nicht mehr gehört werden. Hiervon abgesehen, scheitert die Anwendung des § 7 Abs. 3 UStG schon daran, daß die Stpfl. die Produkte der Dritthersteller nicht gesondert an ihre Kunden weitergeliefert hat, es sich vielmehr um Einzelleistungen im Rahmen einer auf Grund des Bewertungsvertrages übernommenen Gesamtleistung (Werbeberatung und Werbegestaltung) handelte. Ob überhaupt die einzelnen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UStG im Streitfall erfüllt sind, kann daher dahingestellt bleiben.
Die Revision der Stpfl. war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412591 |
BStBl III 1967, 505 |
BFHE 1967, 10 |
BFHE 89, 10 |