Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Nutzungswerts der eigenen Wohnung im Zweifamilienhaus; Vermietung der zweiten Wohnung innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG
Leitsatz (NV)
- Sind bei einem in einem Zuge geplanten und verwirklichten Zweifamilienhaus nach Bezugsfertigkeit der zweiten Wohnung die zum Ausschluß des § 21a Abs. 1 Satz 2 EStG führenden Tatbestände des § 21a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht gegeben, ist der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung auch in der Zeit vom Beginn der Selbstnutzung bis zur Bezugsfertigkeit der zweiten Wohnung nach § 21a EStG zu ermitteln.
- Die Sechsmonatsfrist des § 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG wird nicht allein durch den Abschluß eines Mietvertrages gewahrt, sondern nur, wenn innerhalb dieser Frist tatsächlich die Gebrauchsüberlassung beginnt und dafür ein Entgelt gezahlt wird.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1-2, § 21a Abs. 1 S. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 21 S. 2
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (EFG 1996, 662) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, ließen in den Jahren 1985 bis 1987 ein Zweifamilienhaus errichten. Die selbstgenutzte Wohnung bezogen sie im Jahre 1986. In den Streitjahren (1986 bis 1989) machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch Einnahme-Überschußrechnung nach § 21 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 52 Abs. 21 EStG ermittelte Werbungskostenüberschüsse geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat demgegenüber im Anschluß an eine Außenprüfung die Auffassung, der Nutzungswert der von den Klägern selbstgenutzten Wohnung sei im Streitjahr 1986 nach § 21a Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG zu ermitteln; ab dem Streitjahr 1987 entfalle die Nutzungswertbesteuerung, weil die Kläger die erst nach 1986 fertiggestellte zweite Wohnung des Zweifamilienhauses nicht innerhalb von sechs Monaten nach Bezugsfertigkeit vermietet hätten.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machten die Kläger geltend, die Einliegerwohnung (Erdgeschoßwohnung) ihres Zweifamilienhauses sei bereits im Streitjahr 1986 an die Eltern der Klägerin vermietet worden. Nach Abschluß der im ersten Halbjahr 1988 in Eigenleistung durchgeführten weiteren Ausbauarbeiten sei diese Wohnung Ende Juni 1988 bezugsfertig gewesen und auf Grund des abgeschlossenen Mitvertrages sofort bezogen worden. Ab dem Einzug der Mieter hätten die Mietzahlungen begonnen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage durch sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 662 veröffentlichtes Urteil abgewiesen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung von § 21 Abs. 1 und 2 EStG i.V.m. § 52 Abs. 21 EStG.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und unter Abänderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1986 bis 1989 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Zweifamilienhaus nach § 21 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 52 Abs. 21 EStG zu ermitteln.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Im Revisionsverfahren war zunächst auch streitig, in welcher Höhe die vom Kläger bei seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit geltend gemachten Schuldzinsen Betriebsausgaben seien. Nachdem die Beteiligten hierüber eine tatsächliche Verständigung getroffen hatten, erließ das FA am 7. August 1996 für die Streitjahre 1987 bis 1989 entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide. Die Kläger haben diese Bescheide gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht. Die Beteiligten erklärten hinsichtlich des Streitpunkts "Höhe der Abziehbarkeit der Schuldzinsen als Betriebsausgaben" die Hauptsache für erledigt.
Das FA hat am 24. März 1999 für die Streitjahre Änderungsbescheide erlassen und die Steuerfestsetzung --neben anderen Vorläufigkeitsvermerken-- hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) im Hinblick auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. November 1998 2 BvL 42/93 u.a. für vorläufig erklärt. Die Kläger haben die Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht für die selbstgenutzte Wohnung der Kläger im Streitjahr 1986 den Nutzungswert pauschal ermittelt und ab dem Streitjahr 1987 keinen Nutzungswert mehr angesetzt.
1. Nach § 52 Abs. 21 Satz 1 EStG sind § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG und § 21a EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden. Allerdings kann nach der sog. großen Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG bei einer Wohnung im eigenen Haus der Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung weiter durch Einnahme-Überschußrechnung ermittelt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben. War der Nutzungswert einer selbstgenutzten Wohnung dagegen in 1986 nach § 21a EStG pauschal zu ermitteln, ist die sog. große Übergangsregelung nicht anzuwenden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 4. März 1997 IX R 16/95, BFH/NV 1997, 561, m.w.N.). Nach § 21a Abs. 1 Satz 2 EStG gilt die pauschalierte Nutzungswertbesteuerung (§ 21a Abs. 1 Satz 1 EStG) auch bei einer Wohnung im eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist. Satz 2 der Vorschrift ist jedoch unter anderem dann nicht anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sechs Monaten nach Fertigstellung des Hauses mindestens eine Wohnung zur dauernden Nutzung vermietet (§ 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG). Kann keine Wohnung binnen dieser Frist vermietet werden, so ist der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung ab Beginn der Selbstnutzung nach § 21a EStG zu ermitteln (z.B. Senatsurteil vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75). Es kommt nicht darauf an, aus welchen Gründen die Vermietung unterblieb oder nicht rechtzeitig erfolgte (Senatsurteil in BFH/NV 1997, 561, m.w.N.).
2. Das FG ist zutreffend (stillschweigend) davon ausgegangen, der Nutzungswert der von den Klägern selbstgenutzten Wohnung im noch nicht vollständig errichteten Zweifamilienhaus sei auch in der Zeit vom Beginn der Selbstnutzung bis zur Bezugsfertigkeit der zweiten Wohnung nach § 21a EStG (und nicht nach § 21 Abs. 1 und 2 EStG) zu ermitteln. § 21a Abs. 1 Satz 2 EStG ist auch anwendbar, wenn Steuerpflichtige --wie im Streitfall nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die Kläger-- die Errichtung eines Zweifamilienhauses in einem Zuge planen und verwirklichen, darin eine schon fertiggestellte Wohnung selbst nutzen und nach Bezugsfertigkeit der zweiten Wohnung die zum Ausschluß des § 21a Abs. 1 Satz 2 EStG führenden Tatbestände des § 21a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht gegeben sind (in diesem Sinne schon Senatsurteil in BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75; vgl. ferner Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 16. September 1986, BStBl I 1986, 480, unter II. 2.; Neufang, Der Betrieb, 1985, 1501; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 10e Rz. 207; a.A. z.B. Rupp/Alte, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1986, 337; Märkle u.a., Betriebs-Berater 1986, Beilage 8, S. 18; Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 21a EStG Anm. 65 und 90). Zweck der gesetzlichen Neuregelung des § 21a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) war es nicht, den Anwendungsbereich des § 21a Abs. 1 Satz 1 EStG zu beschränken, sondern zur Vermeidung nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung die pauschalierte Besteuerung der selbstgenutzten Wohnung auf alle anderen Gebäude als Einfamilienhäuser auszudehnen (Senatsurteil vom 12. November 1991 IX R 117/88, BFHE 166, 214, BStBl II 1992, 286, unter 2., m.w.N.). Die pauschale Nutzungswertermittlung nach § 21a Abs. 1 Satz 1 EStG setzt die Artfeststellung "Einfamilienhaus" (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 13. Januar 1987 IX R 63/82, BFH/NV 1987, 570) voraus. Dementsprechend ist § 21a Abs. 1 Satz 2 EStG (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) auf alle Gebäude anzuwenden, die nach den bewertungsrechtlichen Feststellungen nicht als Einfamilienhaus zu beurteilen sind.
3. Das FG hat es aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht als erwiesen angesehen, daß die Erdgeschoßwohnung schon vor dem 1. Januar 1987 oder aber innerhalb von sechs Monaten nach Fertigstellung des Hauses der Kläger i.S. von § 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG zur dauernden Nutzung vermietet worden ist. Diese Sachverhaltswürdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Aus dem Ausnahmecharakter der in § 21a Abs. 1 Satz 3 EStG geregelten Einschränkungen der pauschalen Nutzungswertbesteuerung ergibt sich, daß die Grundnorm des § 21a Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG anzuwenden ist, wenn sich die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Satzes 3 der Vorschrift nicht feststellen lassen. Das Risiko der Unaufklärbarkeit eines Sachverhalts (Feststellungslast) trägt insoweit der Steuerpflichtige (Senatsurteil vom 28. Januar 1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655).
b) Das FG hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme und Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen nicht die Überzeugung gewonnen, die Erdgeschoßwohnung sei --wie von den Klägern behauptet-- erst Ende Juni 1988 nach Abschluß der in Eigenleistung durchgeführten weiteren Ausbauarbeiten bezugsfertig geworden und gleich danach bezogen worden. Der als Zeuge vernommene Vater der Klägerin habe sich weder an das Datum des Abschlusses der Ausbauarbeiten noch an das Datum des Bezugs der Wohnung erinnern können. Daß die von den Klägern vorgelegte Kopie eines schriftlichen Mietvertrages (ohne Abschlußdatum) von einem bereits seit Dezember 1986 bestehenden und am 1. Juli 1988 neu beginnenden Mietvertrag ausgehe, lasse keinen Rückschluß auf das Datum der Bezugsfertigkeit der Wohnung und des tatsächlichen Einzugs der Eltern der Klägerin zu. In diesem Zusammenhang sei u.a. auch noch zu berücksichtigen, daß die Kläger bei der Einheitsbewertung, beim Antrag auf Anerkennung als steuerbegünstigter Wohnraum und anläßlich einer bei den Klägern durchgeführten Außenprüfung über das Datum der Bezugsfertigkeit der Erdgeschoßwohnung jeweils unterschiedliche Angaben gemacht hätten.
Der Senat ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO an diese im Bereich des Tatsächlichen liegende --mögliche-- Beurteilung der Vorinstanz gebunden, da sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt ist (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655, m.w.N.). Das FG konnte zu seiner Schlußfolgerung nach dem von den Klägern vorgetragenen Sachverhalt und dem Ergebnis der Beweisaufnahme kommen. Insbesondere war das FG nicht --wie die Kläger mit der Revision sinngemäß als Verfahrensverstoß (Verletzung von § 76 FGO) rügen-- verpflichtet, die Frage der Bezugsfertigkeit der Erdgeschoßwohnung auch ohne entsprechenden Beweisantrag durch Vernehmung der am Bau beteiligten Handwerker zu klären. Nach dem Vortrag der Kläger war diese Wohnung bei Abschluß der Arbeiten der Bauhandwerker noch nicht bezugsfertig, sondern wurde in Eigenleistung weiter ausgebaut.
Soweit die Kläger mit der Revision noch geltend machen, die Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG seien erfüllt, weil die Erdgeschoßwohnung den Eltern der Klägerin bereits im Dezember 1986 ab der (späteren) Bezugsfertigkeit vermietet worden sei, übersehen sie, daß die Sechs-Monats-Frist des § 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG nicht allein durch den Abschluß eines Mietvertrages gewahrt wird, sondern nur, wenn innerhalb dieser Frist tatsächlich die Gebrauchsüberlassung beginnt und dafür ein Entgelt gezahlt wird (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1997, 561).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 136 Abs. 1 Satz 1, 138 Abs. 2 FGO. Die Verfahrenskosten waren den Beteiligten wegen der im Laufe des Rechtsstreits durch den Erlaß von Änderungsbescheiden eingetretenen Streitwertminderung für die verschiedenen Zeitabschnitte getrennt in unterschiedlichen Quoten aufzuerlegen (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6. Juni 1984 II R 184/81, BFHE 141, 333, BStBl II 1985, 261, unter 3.).
5. Der Senat ist im Streitfall nicht aufgrund der Beschlüsse des BVerfG vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, 2 BvR 1220/93, 2 BvR 1852 und 1853/97 (BStBl II 1999, 174, 193, 194) an einer abschließenden Entscheidung in der Sache gehindert. Das FA hat die Steuerfestsetzungen der Streitjahre ausdrücklich hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge unter Hinweis auf die o.g. BVerfG-Beschlüsse für vorläufig erklärt; hierdurch sind die Rechte der Kläger ausreichend gewahrt.
Fundstellen
Haufe-Index 55704 |
BFH/NV 2000, 20 |
HFR 2000, 17 |
EStB 1999, 231 |