Entscheidungsstichwort (Thema)
Trennung der Entgelte nach Wareneingang: Berücksichtigung der Warenbestände bei Aufgabe oder Umstellung eines Verfahrens, Aufschlagsverfahren der Finanzverwaltung
Leitsatz (amtlich)
Bei Aufgabe oder Umstellung eines Verfahrens zur Trennung der Entgelte nach Steuersätzen auf der Grundlage des jeweiligen Wareneingangs ist der Warenendbestand zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
Verfahren zur Trennung der Entgelte nach Steuersätzen auf der Grundlage des jeweiligen Wareneingangs: Eine Schätzung der Teilumsätze unter Anwendung eines Aufschlags auf bezogene Waren ist nur auf der Grundlage des jeweiligen Wareneinsatzes möglich, der sich aus dem Wareneingang unter Einbezug des Warenanfangsbestandes und Abzug des Warenendbestandes errechnet. Auf die Berücksichtigung der Bestandsdifferenzen kann nur verzichtet werden, wenn die Warenbestände von begünstigten und nichtbegünstigten Waren am Anfang und Ende der jeweiligen Anmeldungszeiträume annähernd gleich sind. Dies ist jedoch --vor allem infolge eingetretener Preisänderungen-- über längere Zeiträume hinweg regelmäßig nicht mehr gewährleistet (Ausführungen zum Aufschlagsverfahren der Finanzverwaltung nach Abschn. 259 Abs.3ff. UStR).
Normenkette
UStDV 1980 § 63 Abs. 5; UStG 1980 § 22 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1-2; UStR Abschn. 259 Abs. 3-6
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Lebensmitteleinzelhandel. Einschließlich des Streitjahres 1989 trennte er seine Umsätze nach Steuersätzen durch Anwendung eines gewogenen Durchschnittsaufschlagsatzes auf den 7%igen Wareneinkauf (Abschn. 259 Abs. 3 ff. der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR--). Das Verfahren war vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zum 1. Januar 1985 genehmigt worden. Zum 1. Januar 1990 stellte der Kläger für seinen Markt in W dieses Verfahren um, indem er den Warenzukauf zu 14 % entsprechend hochrechnete; auch dieses Verfahren wurde auf Antrag des Klägers vom FA genehmigt.
Nach einer Außenprüfung ging das FA davon aus, daß bei dieser Umstellung auf eine andere Ermittlung der Teilumsätze der betreffende Warenendbestand zum 31. Dezember 1989 aus der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der für das Streitjahr zu erfassenden Entgelte zu 7 % zu eliminieren und damit die der 14%igen Umsatzsteuer unterliegende Umsätze entsprechend zu erhöhen seien. Das FA setzte demgemäß die Umsatzsteuer 1989 höher fest.
Die Klage hatte insoweit keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte --in den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 618 veröffentlichten Urteilsgründen-- im wesentlichen aus, in Abschn. 259 (Abs. 6) UStR sei nicht geregelt, inwieweit der Warenendbestand bei einem Wechsel der Methode der Trennung der Entgelte nach Steuersätzen zu berücksichtigen sei. Er sei zu eliminieren, wenn dies zu einem rechnerisch richtigeren Ergebnis führe. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes seien dabei unbeachtlich, da die Verwaltung ihrerseits einschlägige Regelungen nicht getroffen habe.
Im Falle einer Systemänderung wie im Streitfall werde der Endbestand zwar anschließend zum selben Steuersatz umgesetzt. Werde er jedoch --wie im Streitfall-- als Anfangsbestand im Rahmen der neuen Methode --sei es auch nur als Differenz zum Anfangsbestand mit anderem Steuersatz-- erfaßt, müsse er vom Wareneingang der Periode vor der Umstellung abgezogen werden, um vor und nach der Umstellung rechnerisch nicht doppelt erfaßt zu werden. Andernfalls führe die Hochrechnung zu einem höheren Anteil der Umsätze zu 7 % am Gesamtumsatz, als es den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Die Handhabung des FA für das Streitjahr 1989 sei daher im Ergebnis zutreffender.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 1 und § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980.
Er macht geltend, eine exakte Trennung der Umsätze nach Steuersätzen lasse sich für den jeweiligen Besteuerungszeitraum nur unter Zugrundelegung des Wareneinsatzes erzielen. Eine Bereinigung des Wareneingangs nur um den Anfangs- oder --wie vorliegend-- nur um den Endbestand müsse dagegen für das betreffende Kalenderjahr erkennbar zu einem unzutreffenden Ergebnis führen.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung hinsichtlich des Streitjahres 1989 aufzuheben und die Umsatzsteuer 1989 vermindert festzusetzen.
Das FA beantragt, im wesentlichen unter Bezugnahme auf die Vorentscheidung, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das FG bei der Ermittlung der streitigen Teilentgelte zu 7 % für das Streitjahr vom entsprechenden Wareneingang den Warenendbestand in Abzug gebracht.
1. Gemäß § 22 Abs. 1 UStG 1980 ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Daraus müssen die vereinbarten Entgelte für die ausgeführten Lieferungen oder sonstigen Leistungen getrennt nach Steuersätzen zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1 und 2 UStG 1980). In § 63 Abs. 5 Satz 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1980 wird dem FA allerdings die Möglichkeit eingeräumt, einem Unternehmer, dem eine Trennung der Entgelte und Teilentgelte nach Steuersätzen nicht zuzumuten ist, auf Antrag zu gestatten, diese nachträglich auf der Grundlage der Wareneingänge oder anderer Merkmale zu trennen. Zuzulassen ist jedoch nur ein Verfahren, dessen steuerliches Ergebnis von dem einer nach Steuersätzen getrennten Aufzeichnung der Entgelte und Teilentgelte nicht wesentlich abweicht (§ 63 Abs. 5 Satz 3 UStDV 1980). Bei Anwendung des vom FA im Streitfall genehmigten Aufschlagsverfahrens (Abschn. 259 Abs. 3 ff. UStR) werden die einem bestimmten (ermäßigten oder allgemeinen) Steuersatz unterliegenden Teilentgelte --regelmäßig die, die den geringeren Anteil am Umsatz bilden-- unter Anwendung eines gewogenen Durchschnittsaufschlagsatzes auf die Einkaufsentgelte (Wareneingang) der betreffenden Warengruppe ermittelt (Abschn. 259 Abs. 13 UStR). Die übrigen Teilentgelte ergeben sich dann aus der Differenz zur Summe der insgesamt im Anmeldungszeitraum vereinbarten Entgelte.
2. a) Eine Schätzung der Teilumsätze eines Anmeldungszeitraumes unter Anwendung eines Aufschlags auf bezogene Waren ist --insoweit ist dem Kläger zuzustimmen-- systematisch zutreffend nur auf der Grundlage des jeweiligen Wareneinsatzes möglich, der sich aus dem Wareneingang unter Einbezug des Warenanfangsbestandes und Abzug des Warenendbestandes errechnet. Denn auch die jeweiligen Bestandsdifferenzen schlagen sich unmittelbar im Umsatz nieder. Auf ihre Berücksichtigung kann zur Erzielung eines von dem einer getrennten Aufzeichnung der Entgelte und Teilentgelte (§ 22 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG 1980) nicht wesentlich abweichenden Ergebnisses daher nur verzichtet werden, wenn unterstellt werden kann, daß die Warenbestände von begünstigten und nichtbegünstigten Waren am Anfang und Ende der jeweiligen Anmeldungszeiträume annähernd gleich sind (vgl. dazu Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Saarbrücken vom 22. September 1988 S 7382 - 2 - St 241, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1989, 39). Diese Voraussetzungen können bei einem Lebensmitteleinzelhandel wie im Streitfall vorliegen (Abschn. 259 Abs. 3 Satz 1 UStR). Dann ist das erleichterte Verfahren zur Trennung der Entgelte jedenfalls über kürzere Zeiträume hinweg anwendbar und wegen es damit verbundenen Vereinfachungseffektes auch sinnvoll. Dies gilt insbesondere für Voranmeldungszeiträume, in deren Verlauf keine Bestandsaufnahme erfolgt.
b) Die Voraussetzung annähernd gleichbleibender Warenbestände ist jedoch --vor allem infolge eingetretener Preisänderungen-- über längere Zeiträume hinweg regelmäßig nicht mehr gewährleistet. Daher entspricht es dem in § 63 Abs. 5 Satz 3 UStDV 1980 vorgegebenen Ziel der Ermittlung eines Ergebnisses, das dem einer getrennten Aufzeichnung der Entgelte und Teilentgelte möglichst nahekommt, Veränderungen der Bestände ihrem Umfang und ihrer Zusammensetzung nach jedenfalls über die gesamte Laufzeit des jeweils angewendeten Verfahrens zu berücksichtigen.
Dementsprechend ist in Abschn. 259 Abs. 6 und 7 UStR vorgesehen, bei Erwerb oder Gründung eines Unternehmens die jeweiligen Warenanfangsbestände in die Ermittlung der begünstigten und nichtbegünstigten Umsätze einzubeziehen. Gleiches gilt für die erstmalige Aufnahme oder Umstellung eines Aufschlagsverfahrens wie im Streitfall. So ist der Kläger nach den Feststellungen des FG bei Aufnahme des Aufschlagsverfahrens zum 1. Januar 1985 und der Umstellung zum 1. Januar 1990 seinen Markt in W betreffend auch verfahren.
Entsprechendes gilt auch für die jeweiligen Warenendbestände, wenn das angewendete Aufschlagsverfahren endet oder umgestellt wird. Denn diese Bestände können im Rahmen des laufenden Verfahrens nicht mehr umgesetzt werden; sie sind daher von der Bemessungsgrundlage im letzten Besteuerungszeitraum in Abzug zu bringen. Andernfalls würden, wie das FG mit Recht ausführt, diese Bestände zweifach in die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung der entsprechenden Teilentgelte einbezogen werden, nachdem sie als Anfangsbestände im Rahmen des neuen Verfahrens ebenfalls zu berücksichtigen sind. Im Streitfall würde dies zu einem höheren Anteil der Teilumsätze zu 7 % am Gesamtumsatz führen, als es den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.
c) Die Herausrechnung des Endbestandes bei Aufgabe des Aufschlagsverfahrens bedingt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zwingend auch die Berücksichtigung des Warenanfangsbestandes im selben Anmeldungszeitraum. Zwar würde dessen Einbezug zum zutreffenden Wareneinsatz des jeweiligen Anmeldungszeitraumes führen, andererseits aber eine Berücksichtigung der Bestandsdifferenzen auch in den vorangegangenen Anmeldungszeiträumen erforderlich machen, auf die im Rahmen des Aufschlagsverfahrens nach Abschn. 259 Abs. 3 ff. UStR wegen des beabsichtigten Vereinfachungseffektes bewußt verzichtet wird. Im Ergebnis führt dieses Verfahren somit zu einer zutreffenden Ermittlung des Wareneinsatzes als Grundlage der Trennung der Entgelte für die gesamte Laufzeit, nicht hingegen hindert es einzelne Verschiebungen innerhalb der einzelnen Zeiträume seiner Anwendung.
3. Zutreffend hat das FG einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers verneint, da in der Verwaltungsregelung des Abschn. 259 Abs. 3 ff. UStR eine Regelung zur Behandlung des Warenendbestandes fehlt. Die Vorschrift des § 63 Abs. 5 UStDV 1980 enthält ihrerseits keine Regelung zur Behandlung der Warenbestände.
Fundstellen
Haufe-Index 66321 |
BFH/NV 1997, 440 |
BStBl II 1997, 633 |
BFHE 182, 459 |
BFHE 1997, 459 |
BB 1997, 1779-1781 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1997, 1855-1856 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 1366-1367 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 732 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 833-834 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 766-767 (Leitsatz) |
StE 1997, 543 (Leitsatz) |
WPg 1997, 711 (Leitsatz) |
StRK, R.1 (Leitsatz und Gründe) |
Information StW 1997, 606 (Leitsatz und Gründe) |
LEXinform-Nr. 0144051 |
SteuerBriefe 1998, 139 |
SteuerBriefe 1998, 3 |
KFR, 1/97, S 369 (H 12/1997) (Leitsatz und Gründe) |
UVR 1997, 436 (Leitsatz) |
UStR 1997, 440-441 (Leitsatz und Gründe) |
BFH/NV BFH/R 1997, 440-441 (Leitsatz und Gründe) |
BBK 1997, 950 |