Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Bei dem Verbot des § 129 Abs. 5 Satz 1 Ziff. 2 LAG, Hypothekengewinnabgabeleistungen bei einem Grundstücke zu erlassen, dessen wirtschaftliche Bedeutung sich nicht nach einem "Gebäudeertrage" richtet (Typengrundstück), gilt als Gebäudeertrag nicht der Rohertrag, sondern der überschuß, der sich aus der in § 129 LAG vorgesehenen Ertragsberechnung ergibt. Ein Rohertrag allein läßt nicht darauf schließen, daß sich die wirtschaftliche Bedeutung des Grundstückes nach einem Gebäudeertrage richtet.

 

Normenkette

LAG § 129 Abs. 5 S. 2

 

Tatbestand

Der Bg., eine Studentenverbindung (e. V.), hat als Eigentümer eines typischen studentischen Verbindungshauses in einer deutschen Universitätsstadt am 20. Oktober 1956 unter Bezugnahme auf § 129 LAG wegen der Ertragslage Erlaß der Hypothekengewinnabgabeleistungen für den Zeitraum 1953/1955 beantragt und für diesen Abschnitt einen Verlust errechnet.

Das Finanzamt hat den Antrag abgelehnt, weil sich die Erträge des Grundstückes nicht hinreichend bestimmt von sonstigen Erträgen oder Wirtschaftsergebnissen abgrenzen ließen.

Der Einspruch ist als unbegründet zurückgewiesen worden, weil sich die wirtschaftliche Bedeutung des Grundstückes nicht nach einem Gebäudeertrage richte und weil sich die Erträge des Grundstückes infolge der Art seiner Benutzung nicht hinreichend bestimmt von sonstigen Erträgen oder Wirtschaftsergebnissen abgrenzen ließen.

Auf die Berufung hat das Finanzgericht einen Architekten um ein Gutachten über den objektiven Mietwert des Grundstückes (nach den Wertverhältnissen 1953 bis 1955) ersucht. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, Anlage und Grundrißeinteilung des Hauses - auf studentischen Korporationsbetrieb zugeschnitten - ließen erkennen, daß den Verwertungsmöglichkeiten Grenzen gesetzt seien, und zwar vor allem dadurch, daß der Bg. den wesentlichen Teil des Hauses für sich in Anspruch genommen habe; in Anbetracht der Grundrißeinteilung fehlten Abgrenzungsmöglichkeiten für etwa fremdzuvermietende Räume. Das Gebäude könne nicht in verschiedene Mietbereiche unterteilt werden und nur in seiner Gesamtheit, gegebenenfalls durch eine Nutzungsgemeinschaft mehrerer Korporationen, wie tatsächlich in der Zeit ab 1. September 1953 bis 1955, genutzt werden.

Das Kellergeschoß enthalte 41 qm Kneippraum und 79 qm Kegelbahn, das Erdgeschoß rund 100 qm für Vorzimmer, Spielzimmer und Lese- und Spielzimmer, das Obergeschoß einen 115 qm großen Kneipp- und Festsaal mit Vorhalle und Toilette, das Dachgeschoß 49 qm Hausmeisterwohnung und Trockenboden. Den gesamten objektiven Mietwert schätze er auf 4.200 DM.

Die tatsächlichen Rohmieterträge ---------------------- 1953 ------ 1954 ---- 1955 a) der Studentenheimräume 1.832 DM 1.840 DM 1.475 DM b) der Hausmeisterwohnung - 480 DM -- 480 DM -- 480 DM c) der selbständigen sonstigen Räume einschließlich Saal ------- 775 DM -1.800 DM 1.900 DM zusammen: --------------- 3.087 DM 4.120 DM 3.855 DM entsprächen für 1954 und 1955 den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bewirtschaftung. Der niedrige Ansatz zu c) für 1953 sei nicht zu erklären.

Das Haus war jahrelang bis Ende August 1953 an die Universität für eine Studentenbücherei vermietet.

Das Finanzgericht hat dem Erlaßantrage entsprochen. Es hat es nicht im Sinne der Ziffern 2 und 3 von § 129 Abs. 5 LAG als unzulässig erachtet, die streitigen Beträge zu erlassen. Ziffer 3 a. a. O. scheide aus, weil es an "sonstigen Erträgen oder Wirtschaftsergebnissen" fehle, von denen die Grundstückserträge nicht abgegrenzt werden könnten. Ziffer 2 a. a. O. überlasse laut Satz 3 des Abs. 5 von § 129 LAG die Einzelheiten der Regelung einer Rechtsverordnung. Deshalb könne nicht schlechthin bei einem Grundstücke, dessen wirtschaftliche Bedeutung sich nicht nach einem Gebäudeertrage richte, der Erlaß von Hypothekengewinnabgabeleistungen abgelehnt werden. Vielmehr richte sich die einschlägige Entscheidung zu Ziffer 2 a. a. O. nach der Durchführungsvorschrift des § 14 der Siebzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (17. AbgabenDV-LA). Demnach setze die Ablehnung zu Ziffer 2 a. a. O. voraus, daß die zu dem Gebäude gehörigen unbebauten Flächen einen höheren Ertrag als die vorhandenen Bauten brächten oder daß die vorhandenen Bauten nicht ertragbringend genutzt werden könnten. Der erstere Fall scheide aus, weil nur wenige qm Vorgarten und Hofraum zum Gebäude gehörten. Auch der andere Teil der Alternative, die vorhandenen Bauten könnten nicht ertragbringend genutzt werden, sei nicht erfüllt. Vielmehr könnte das Verbindungshaus ertragsbringend genutzt werden. Unter "ertragbringend" im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 oder 17. AbgabenDV-LA sei nicht reinertragbringend, sondern rohertragbringend zu verstehen. Rohertrag aber bringe das Grundstück. Es kommt hierbei nicht allein auf denjenigen Zweck an, dem das Gebäude seinem Typ nach üblicherweise gewidmet sei.

Von diesen Thesen ausgehend, hat das Finanzgericht für den streitigen Erlaßabschnitt den Erlaß der Hypothekengewinnabgabeleistungen als grundsätzlich zulässig erachtet und unter Berücksichtigung von Eigenkapitalzinsen das Vorliegen eines Grundstücksüberschusses, aus dem die Hypothekengewinnabgabeleistungen gedeckt werden könnten, verneint.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 129 Abs. 1 LAG sind grundsätzlich Hypothekengewinnabgabeleistungen zu erlassen, soweit sie nach Maßgabe der Ertragsberechnung aus den Erträgen des Grundstückes nach Abzug der Bewirtschaftungskosten und der in Abs. 2 aufgeführten Zinsen für vorgehende Rechte Dritter nicht aufgebracht werden können.

Nach Abs. 5 a. a. O. ist der Erlaß der Hypothekengewinnabgabeleistungen jedoch unzulässig, wenn sich die wirtschaftliche Bedeutung des Grundstückes nicht nach einem Gebäudeertrage richtet (Satz 1 Ziffer 2 a. a. O.) oder wenn sich die Erträge des Grundstückes infolge der Art seiner Benutzung nicht hinreichend bestimmt von sonstigen Erträgen oder Wirtschaftsergebnissen abgrenzen lassen (Satz 1 Ziffer 3 a. a. O.).

Die Begründung, mit der in der Vorentscheidung die Anwendung der oben angeführten Ziffer 2 a. a. O. abgelehnt wird, ist nicht frei von Rechtsirrtum. Die Annahme des Finanzgerichts, Ziffer 2 a. a. O. sei nach dem Willen des Gesetzgebers nicht für sich allein bindend, es komme im wesentlichen auf den Inhalt von § 14 der 17. AbgabenDV-LA an, scheitert nicht nur an der klaren Fassung der angeführten und bindenden Gesetzesvorschrift, sondern auch daran, daß das Gesetz die Rechtsverordnung nicht unter allen Umständen vorgeschrieben, vielmehr lediglich die Ermächtigung ("können") zu einer Rechtsverordnung ausgesprochen hat. Die gesetzliche Voraussetzung, es müsse sich um ein Grundstück handeln, dessen wirtschaftliche Bedeutung sich nicht nach einem Gebäudeertrag richte, ist schlechthin bindend. Es würde auch allen rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen, wenn in § 14 der 17. AbgabenDV-LA etwas von § 129 Abs. 5 Satz 1 Ziffer 2 LAG Abweichendes bestimmt wäre. § 14 a. a. O. kann lediglich eine erläuternde Bedeutung im Verhältnis zum Gesetz zukommen; dieses betrifft Fälle, in denen die wirtschaftliche Bedeutung des Grundstückes nicht in der Erzielung eines Gebäudeertrages liegt. Dazu gehören, wie das Beispiel im Gesetz zeigt, zunächst unbebaute Grundstücke. Weiterhin kommen solche bebauten Grundstücke in Frage, deren bauliche Struktur oder Zweckbestimmung nicht auf die Erzielung eines Gebäudeertrages gerichtet ist, z. B. Klubgebäude aller Art, Vereinshäuser. Deshalb ist ein Studentenverbindungshaus, das die Studentenverbindung für sich und nahestehende Verbindungen unterhält, geradezu ein "Typengrundstück" von der Art, wie sie der Gesetzgeber im Auge hat. Ein bebautes Grundstück dieser Gattung dient einem Zwecke, der nicht auf die Erzielung eines Gebäudeertrages ausgerichtet ist, sondern auf die Pflege von akademischen Gebräuchen, Unterhaltung und gesellschaftlicher Kultur im Kreise der dem Verein angehörenden jüngeren und älteren Mitglieder sowie ihrer Gäste. In Fällen dieser Art, ähnlich wie bei Sportvereinshäusern, liegt das Ziel der Unterhaltung des Gebäudes nicht in einem wirtschaftlichen Ertrage, sondern im Ideellen. Hier fällt der für die Anwendung des § 129 Abs. 1 LAG entscheidende Gesichtspunkt der Deckung von Hypothekengewinnabgabeleistungen aus Erträgen des Grundstückes von vornherein fort. Die Vorschrift der Ziffer 2 von § 129 Abs. 5 Satz 1 LAG bildet die logische Ergänzung zu Abs. 1 a. a. O. Demgemäß hat der erkennende Senat bereits für den Fall des Boots- und Vereinshauses einer Rudergesellschaft in dem Urteil III 6/60 U vom 17. März 1961 (BStBl 1961 III S. 258) ausgesprochen:

"Der Rechtsgedanke des Gesetz- und Verordnungsgebers ist bei diesen Grundstücken (Vereinshäusern, Klubhäusern) wie auch - grundsätzlich - bei Trümmergrundstücken offenbar der, daß derartige Grundstücke ihrer Natur nach von vornherein keinen Ertrag bringen können, der zur Deckung der HGA-Leistungen ausreicht, und daß, wer ein derartiges Grundstück hypothekarisch belastet erworben oder erworben und belastet hat, mit der entsprechenden Ertragslage rechnen mußte und sich deshalb nicht auf diese gegenüber den HGA-Leistungen berufen kann. So erklärt es sich auch, daß der Gesetzgeber in § 129 Abs. 5 Satz 2 LAG bis zu einem gewissen Grade denjenigen schützt, den die Ertraglosigkeit unvermutet durch Kriegsschaden getroffen hat ...".

Hierbei ist zu beachten, daß § 14 Abs. 1 Satz 2 der 17. AbgabenDV-LA es ausdrücklich auf die Ertragslage abstellt, die angesichts des Zustandes, in dem sich das Grundstück während des Erlaßzeitraumes befindet, nachhaltig zu erwarten ist. Würde das Haus z. B. als Einfamilienhaus von einem Privatmann - als Eigentümer oder als Mieter des Bg. - genutzt werden, so würde sich in dem Erlaßzeitraum die wirtschaftliche Bedeutung des Grundstückes nach einem Gebäudeertrage richten. In diesem Sinne ist die tatsächliche Nutzung des Studentenverbindungshauses von Bedeutung. Nur für die Monate Januar bis August 1953, während das Haus an die Universität für Büchereizwecke vermietet war, war die Frage des Erlasses der Hypothekengewinnabgabeleistungen zu prüfen.

§ 14 der 17. AbgabenDV-LA stimmt mit dem Gesetze überein, wenn er von den Fällen einer nicht ertragbringenden Nutzung der vorhandenen Bauten oder einer höheren Nutzung dazugehöriger unbebauter Flächen spricht. Der entscheidende Gesichtspunkt ist immer die wirtschaftliche Bedeutung des Grundstückes, die sich nicht nach einem Gebäudeertrage richtet.

Gebäudeertrag ist hierbei das Ergebnis der "Ertragsberechnung", wie sie in § 129 Abs. 1 LAG vorgesehen ist; die "Ertragsberechnung" stellt, entsprechend § 5 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom 7. September 1948, den überschuß der Erträge (also der Roherträge) über die abzugsfähigen Bewirtschaftungs- und anderen Kosten dar. überschuß ist demnach in diesem Sinne der Reinertrag. Ertragsberechnung ist die Reinertragsberechnung. Im Hinblick auf diesen wirtschaftlichen Zweckgedanken des § 129 LAG kann nach dessen Abs. 5 sowie § 14 der 17. AbgabenDV-LA als Ertrag nur der überschuß der Roherträge über die abzugsfähigen Ausgaben in Betracht kommen. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts läßt also die Tatsache eines Rohertrages allein - ohne Ertragsberechnung - nicht darauf schließen, daß sich die wirtschaftliche Bedeutung eines Grundstückes nach einem Gebäudeertrag richtet.

Deshalb sind das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung, ohne daß es der Prüfung der Voraussetzungen des § 129 Abs. 5 Satz 1 Ziffer 3 LAG für die Zeit ab 1. September 1953 bis 31. Dezember 1955 bedarf, wegen Verletzung der Ziffer 2 a. a. O. aufzuheben. Die Frage des Erlasses der Hypothekengewinnabgabeleistungen ist jedoch noch für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. August 1953 zu prüfen. Für den übrigen Teil des Erlaßzeitraumes scheidet der Erlaß von Hypothekengewinnabgabeleistungen nach Ziffer 2 a. a. O. aus. Die Sache geht an das Finanzamt zur erneuten Entscheidung zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410189

BStBl III 1961, 441

BFHE 1962, 481

BFHE 73, 481

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