Leitsatz (amtlich)

Hat eine Stadt eine Entschädigung für eine Enteignung zu zahlen, weil ihre öffentlichen Aufgaben durch die Enteignung gefördert werden (Art. 14 GG), so stellt die Entschädigung eine Leistung der Stadt in ihrer Eigenschaft als Trägerin öffentlicher Aufgaben und keine Betriebsausgabe eines Betriebes gewerblicher Art der Stadt dar.

 

Normenkette

KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 6 Abs. 1; KStDV § 1 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) betreibt als Betrieb gewerblicher Art der Stadt S. (Stadt) ein Wasserwerk. Sie errichtete im Jahr 1902 in einem Quellgebiet im Bereich einer benachbarten Gemeinde Wassergewinnungsanlagen. Im Jahr 1932 wurden dort Baulinien festgesetzt, im Jahr 1934 wurde das Gelände zum Wohnsiedlungsgebiet erklärt. Im Jahr 1957 hob das Landratsamt die Baulinien wieder auf mit der Begründung, daß zur Sicherung der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung der Stadt und Umgebung eine Bebauung im Interesse des Gemeinwohls nicht mehr in Betracht komme. Dagegen wandte sich der Eigentümer eines davon betroffenen Grundstücks im Verwaltungsrechtsweg. Er hatte keinen Erfolg und verklagte daher die Stadt auf Entschädigung in Höhe von 20 000 DM. Das Landgericht (LG) gab durch Urteil vom 13. Juli 1960 der Klage statt. Zur Begründung führte es aus, die Aufhebung der Baulinien sei als eine Enteignung des Grundstücks des Klägers zu erachten. Der Entschädigungsanspruch sei daher begründet. Er bestehe gegenüber der beklagten Stadt, weil diese durch die Aufhebung der Baulinien begünstigt sei. Die Begünstigung der beklagten Stadt ergebe sich aus den Gründen des Beschlusses des Landratsamtes, nach denen die Aufhebung der Baulinien im öffentlichen Interesse und zur Sicherung der Wasserversorgung der beklagten Stadt erfolgt sei.

Auf Grund dieses Urteils zahlte die Stadt an den Grundstückseigentümer zur Abgeltung des gesamten Vermögensschadens über den eingeklagten Teilbetrag hinaus eine Entschädigung von insgesamt 34 853,75 DM. Diesen Betrag zog die Steuerpflichtige im Streitjahr 1960 als Betriebsausgabe ab. Der Revisionsbeklagte (das FA) rechnete ihn bei der Veranlagung für das Streitjahr 1960 dem Gewinn wieder hinzu.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Das FG hat zunächst geprüft, ob die gezahlte Entschädigung die Steuerpflichtige überhaupt berühre oder nicht vielmehr eine Übernahme der Schuld der Stadt und damit eine Entnahme darstelle. Da der Verurteilung zur Zahlung der Entschädigung ein Sachverhalt zugrunde liege, der speziell den Betrieb gewerblicher Art Wasserwerk angehe, sei die Entschädigung als eine Leistung des Wasserwerks, also der Steuerpflichtigen anzusehen. Sie stelle Anschaffungskosten für die Erweiterung des Wassernutzungsrechts dar und sei daher zu aktivieren. Die Wassernutzungsmöglichkeiten der Steuerpflichtigen seien bis zur Aufhebung der Baulinien dadurch beeinträchtigt gewesen, daß der Grundstückseigentümer sein Grundstück habe bebauen können. Erst durch die Aufhebung der Baulinien sei die Steuerpflichtige in den vollen Genuß der Wasserentnahme gelangt. Eine Teilwertabschreibung komme nicht in Betracht, weil die getroffene Maßnahme sinnvoll gewesen sei und zu dem mit dem Aufwand (der Entschädigung) angestrebten Ergebnis geführt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen mit dem Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuer auf 3 003 DM festzusetzen.

Die Steuerpflichtige rügt, das FG habe den Sachverhalt abweichend vom Akteninhalt gewürdigt. Das FG hätte beachten müssen, daß durch die Aufhebung der Baulinien keine Verbesserung oder Erweiterung der Wassergewinnungsmöglichkeiten erreicht worden sei, sondern lediglich der Zustand wieder hergestellt worden sei, der von der Errichtung der Anlagen im Jahre 1902 bis zur Festlegung der Baulinien im Jahr 1932 bestanden habe. Durch die Aufhebung der Baulinien sei lediglich die Gefahr abgewandt worden, die durch die Festsetzung der Baulinien im Jahr 1932 und die Erklärung des Geländes zum Wohnsiedlungsgebiet im Jahr 1934 für die Wassergewinnung heraufbeschworen worden sei. Durch die Entschädigung sei daher kein Wirtschaftsgut angeschafft und kein vorhandenes Wirtschaftsgut vermehrt worden, vielmehr sei lediglich ein Aufwand zur Erhaltung eines jahrzehntelang bestehenden Besitzstandes geleistet worden. Die Zahlung der Entschädigung trage den Charakter abzugsfähiger Abwehrkosten. Denn es handle sich um eine Betriebsausgabe, die dazu dienen sollte, andere abzugsfähige Aufwendungen (Entwertung der Wassergewinnungsanlagen) zu verhindern (Hinweis auf das Urteil des RFH VI A 576/37 vom 6. Oktober 1937, RStBl 1938, 103). Hilfsweise hält die Steuerpflichtige weiter daran fest, daß eine Teilwertabschreibung gerechtfertigt sei, weil es sich um eine Fehlmaßnahme gehandelt habe.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Wie schon in dem Verfahren vor dem FG weist das FA darauf hin, daß die Steuerpflichtige das Grundstück, an dessen Eigentümer die Entschädigung gezahlt worden sei, am 20. Oktober 1960 für 6 969,75 DM erworben habe. Die Entschädigung könne daher als voraus entrichtete Anschaffungskosten für das Grundstück aktiviert werden.

Dieser Auffassung hält die Steuerpflichtige entgegen, daß die Zahlung der Entschädigung mit dem späteren Erwerb des Grundstücks in keinem Zusammenhang gestanden habe. Denn die Entschädigung hätte auch gezahlt werden müssen, wenn das Grundstück nicht gekauft worden wäre.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet. Das Urteil des FG stellt sich allerdings aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO).

Mit Recht hat das FG zuerst geprüft, ob die Steuerpflichtige durch die Zahlung der Entschädigung überhaupt eine sie selbst berührende Ausgabe geleistet oder ob sie nicht eine Schuld der Stadt erfüllt hat. Der Senat beantwortet diese Frage anders als das FG. Die Zahlung der Entschädigung stellt keine Betriebsausgabe der Steuerpflichtigen dar. Denn sie war nicht vom Wasserwerk als einem Betrieb gewerblicher Art der Stadt zu leisten, sondern von der Stadt als Trägerin öffentlicher Aufgaben. Obwohl Stadt und Wasserwerk verwaltungsrechtlich eine Einheit bilden, müssen sie steuerrechtlich wie verschiedene Rechtspersonen behandelt werden, weil das Steuerrecht das Wasserwerk als selbständiges körperschaftsteuerpflichtiges Gebilde aus der übrigen Tätigkeit der Stadt heraushebt. Körperschaftsteuerpflichtig ist das Wasserwerk in seiner Eigenschaft als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, d. h. in seiner Eigenschaft als Einrichtung, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen dient (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, § 1 Abs. 1 KStDV). Daraus folgt, daß nur die Ausgaben, die durch diesen Betrieb gewerblicher Art, durch diese nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen veranlaßt sind, Betriebsausgaben des Wasserwerks sind (§ 4 Abs. 4 EStG, § 6 Abs. 1 KStG). Ausgaben, die ihre Wurzel in den öffentlichen Aufgaben der Stadt in ihrer Eigenschaft als Gebietskörperschaft haben, sind dagegen keine Betriebsausgaben des Wasserwerks.

Der Betrag, den die Stadt im Streitfall an den Grundstückseigentümer zu zahlen hatte, war eine Entschädigung für den enteignungsgleichen Eingriff des Landratsamtes. Sie hatte ihre Rechtsgrundlage in Art. 14 GG. Solche Entschädigungen für Enteignungen oder enteignungsgleiche Eingriffe sind, wie das LG in Übereinstimmung mit der Rechtslehre (Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 405) und mit der Rechtsprechung (Urteile des BGH III ZR 180/50 vom 16. Oktober 1952, BGHZ 7, 296; III ZR 352/51 vom 28. September 1953, BGHZ 11, 248) ausgeführt hat, von demjenigen zu zahlen, der durch die Enteignung oder den enteignungsgleichen Eingriff begünstigt wird. Damit ist aber nicht derjenige gemeint, der für seine wirtschaftliche Tätigkeit Vorteile aus dem entschädigungspflichtigen Vorgang zieht, sondern diejenige Stelle der öffentlichen Hand, deren öffentliche Aufgaben durch den Eingriff gefördert werden. So wurde im Fall des BGH-Urteils III ZR 180/50 (a. a. O.) die Stadt als begünstigt durch die Entziehung eines Mietrechts angesehen, weil es ihre Aufgabe sei, die Wohnungsuchenden mit Wohnungen zu versorgen. Die Erfüllung dieser Aufgabe sei ihr durch den Eingriff in das Mietrecht ermöglicht worden, ihr sei also dieser Eingriff zugute gekommen (vgl. weiter BGH-Urteile III ZR 141/55 vom 28. Januar 1957, BGHZ 23, 157 [169 ff.], und III ZR 74/56 vom 28. Oktober 1957, BGHZ 26, 10; III ZR 80/61 vom 5. Juli 1962, NJW 1962, 1673).

Eine öffentliche Aufgabe der Stadt ist es auch, die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser sicherzustellen (Art. 83 Abs. 1 Bayerische Verfassung, Art. 6 Bayerische Gemeindeordnung). Die Stadt kann diese Aufgabe dadurch erfüllen, daß sie – wie es im Streitfall geschah – ein eigenes Wasserwerk betreibt. Sie kann aber auch ein rechtlich selbständiges Wasserwerk gründen oder mit einem rechtlich selbständigen fremden Unternehmen einen Konzessionsvertrag über die Versorgung ihrer Bevölkerung mit Wasser schließen. In all diesen Fällen bleibt die öffentliche Aufgabe der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser bei der Stadt in ihrer Eigenschaft als Gebietskörperschaft und wird nicht etwa auf das Wasserwerk – gleich in welcher Form es betrieben wird – übertragen. Im Streitfall wurde daher durch den enteignungsgleichen Eingriff, der der Sicherstellung der Wasserversorgung der Stadt diente, die Stadt als Gebietskörperschaft in der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gefördert, mag auch gleichzeitig das Wasserwerk in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit Vorteile daraus gezogen haben. Die Zahlung der Entschädigung oblag daher der Stadt in ihrer Eigenschaft als Gebietskörperschaft, als Trägerin öffentlicher Aufgaben, und nicht dem Wasserwerk in seiner Eigenschaft als einem Betrieb gewerblicher Art der Stadt. Besonders deutlich zeigte sich das, wenn die Stadt das Wasserwerk in der Rechtsform einer von ihr als Gesellschafterin beherrschten Kapitalgesellschaft betriebe oder mit einem fremden rechtlich selbständigen Unternehmen einen Konzessionsvertrag über die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser schlösse. Die Entschädigung für den enteignungsgleichen Eingriff hätte dann nicht das in privatrechtlicher Form geführte Wasserwerk zu zahlen, sondern wiederum die Stadt in ihrer Eigenschaft als Trägerin der öffentlichen Aufgaben einer Gebietskörperschaft. Denn entschädigungspflichtig für eine Enteignung oder einen enteignungsgleichen Eingriff ist immer nur die öffentliche Hand und nicht auch der begünstigte Private (BGH-Urteile III ZR 180/50, a. a. O; III ZR 80/61, a. a. O; III ZR 141/55, a. a. O.). Nichts anderes kann gelten, wenn das Wasserwerk, wie im Streitfall, von der Stadt selbst in rechtlich unselbständiger Form betrieben wird. Denn hier verleiht das Steuerrecht dem Wasserwerk die rechtliche Selbständigkeit eines Betriebes gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Folge, daß steuerrechtlich das Verhältnis der Stadt zu seinem Eigenbetrieb so anzusehen ist, wie das Verhältnis eines beherrschenden Gesellschafters zu seiner Kapitalgesellschaft (Urteil des BFH I 136/62 vom 22. Juli 1964 BFH 80, 235, BStBl III 1964, 559).

Hatte somit die Stadt in ihrer Eigenschaft als Gebietskörperschaft und nicht das Wasserwerk in seiner Eigenschaft als Betrieb gewerblicher Art der Stadt die Entschädigung zu zahlen, so stellt die Zahlung durch das Wasserwerk keine Betriebsausgabe, sondern eine verdeckte Gewinnausschüttung dar (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG; vgl. BFH-Urteil I 130/62 U vom 4. Mai 1965, BFH 83, 273, BStBl III 1965, 598). Das FA hat daher im Ergebnis zutreffend bei der Ermittlung des Einkommens der Steuerpflichtigen die Entschädigung nicht abgezogen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557461

BStBl II 1969, 17

BFHE 1968, 434

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