Leitsatz (amtlich)
Die Buchführung von Apothekern, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, ist nicht schon deshalb nicht ordnungsgemäß, weil sie die ihnen von den Krankenkassenkunden abgelieferten Rezepte monatlich bewerten und die hieraus den Krankenkassen gegenüber entstehenden Forderungen monatlich aufzeichnen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist in der Revision des Steuerpflichtigen lediglich noch, ob seine Buchführung für die Streitjahre ordnungsgemäß und ihm daher die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG zu gewähren war.
FA und FG lehnten die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung des Steuerpflichtigen ab. Das FG ging dabei von folgenden Feststellungen aus. Der Steuerpflichtige ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG. Auf Grund nicht bestrittener Feststellungen führte dieser für die debitorischen Geschäftsvorfälle mit den Krankenkassen zwei Bücher, und zwar ein Kassenabrechnungsbuch und ein Buch, in dem die Zahlungen der Kassen in der Reihenfolge des Eingangs eingeschrieben wurden. Die Abrechnungen mit den Krankenkassen wurden in der Regel monatlich vorgenommen, da die Krankenkassen diesen Abrechnungsmodus vorschrieben. Der Steuerpflichtige sammelte die von seinen Kunden eingereichten Rezepte während des Monats und bewahrte sie in seinem Kassenschrank auf. Er ordnete sie dort alphabetisch nach den Kassen. Am Ende des Monats bewertete er die Rezepte anhand seiner Unterlagen und setzte die Preise ein. Die gegen die Kassen entstandenen Forderungen trug er in Abrechnungsbögen der Kassen (aufgeschlüsselt) ein. Gleichzeitig trug er den von den Kassen zu fordernden Betrag in seinem Krankenkassenabrechnungsbuch ein. Dies geschah monatlich in alphabetischer Reihenfolge der Kassen. Die Zahlungen der Kassen wurden in dem zweiten Buch in der Reihenfolge des Eingangs erfaßt.
Nach Auffassung des FG ist diese Art der Behandlung der debitorischen Vorgänge des Steuerpflichtigen mit den Krankenkassen nicht ordnungsgemäß. Auch wenn der Steuerpflichtige nur eine einfache Buchführung habe, die genüge, so müsse er dennoch den unbaren Geschäftsverkehr in chronologischen Aufzeichnungen in einem besonderen Grundbuch vornehmen. Das vom Steuerpflichtigen geführte Krankenkassenabrechnungsbuch erfülle diese Aufgabe nicht. Es enthalte nur die systematische Aufgliederung des Geschäftsverkehrs mit jedem einzelnen Kassenkunden, nicht aber die chronologischen Aufzeichnungen des unbaren Geschäftsverkehrs. Fehle es aber hieran, so leide die Buchführung nach der ständigen Rechtsprechung des BFH an einem Systemmangel und sei nicht ordnungsgemäß (vgl. z. B. BFH-Urteil I 381/61 vom 11. Mai 1965, HFR 1965, 462 mit weiteren Fundstellen). Auch in der Entscheidung IV 42/61 U vom 16. September 1964 (BFH 80, 500, BStBl III 1964, 654) habe der BFH ausgeführt, es widerspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, wenn Geschäftsvorfälle größeren Umfangs lediglich monatlich nach gesammelten Belegen erstmals aufgezeichnet würden. Die fehlende laufende Buchung unbarer Geschäftsvorfälle könne nach der Rechtsprechung des BFH nur dann als unschädlich angesehen werden, wenn der unbare Geschäftsverkehr einen sehr geringen Umfang habe (vgl. z. B. BFH-Urteil IV 356/51 U vom 27. März 1952, BFH 56, 310, BStBl III 1952, 122). Dies Letztere sei jedoch im Streitfall nicht der Fall. Der Krankenkassenumsatz des Steuerpflichtigen betrage etwa 80 % seines gesamten Umsatzes. Von dem Erfordernis der laufenden Aufzeichnung des unbaren debitorischen Geschäftsverkehrs könne daher nicht abgesehen werden. Die von ihm dargestellte monatliche Zusammenstellung der Forderungen an die Krankenkassen in einer Summe im Krankenkassenabrechnungsbuch erfülle höchstens die Aufgabe eines Geschäftsfreundebuches. Ein solches könne jedoch die laufenden Aufzeichnungen eines unbaren Geschäftsverkehrs nicht ersetzen. Die Einwendungen des Steuerpflichtigen hiergegen seien nicht stichhaltig. Die Bewertung der Rezepte hätte laufend vorgenommen werden müssen. Denn bewerten müsse der Steuerpflichtige die Rezepte auf jeden Fall. Die laufende tägliche Bewertung könne nur eine unwesentliche Mehrarbeit verursachen. Bei laufender Bewertung der Rezepte aber stünden der Verbuchung dieser Forderungen keine Hindernisse im Wege. Die Abschläge gegenüber den Krankenkassen könne der Steuerpflichtige ohne weitere Buchführung erfassen. Jedenfalls aber berechtigten die möglichen Abschläge nicht, eine chronologische Aufzeichnung der Forderungen aus den Warenlieferungen zu unterlassen. Zur Einholung der Äußerung eines Sachverständigen sei das FG im Streitfall nicht verpflichtet, da die Frage, ob die Buchführung ordnungsmäßig ist, eine Rechtsfrage sei. Der tatsächliche Zustand der Buchführung aber sei unstreitig. Auch an die Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise seien die Steuergerichte nicht gebunden (BFH-Urteil VI 128, 129/64 vom 7. Mai 1965, HFR 1965, 487). Die beantragte Einvernehmung der Zeugin ..., die beim Steuerpflichtigen die Bücher geführt habe, sei nicht erforderlich, da eingehend erklärt sei, welche Aufzeichnungen der Kläger tatsächlich geführt habe.
Mit seiner Revision beantragt der Steuerpflichtige, die Vorentscheidung aufzuheben, die Buchführung als ordnungsmäßig anzuerkennen und sich daraus ergebende rechtliche Konsequenzen für die Abschreibungsfähigkeit der geringwertigen Wirtschaftsgüter zu ziehen. Er ergänzt sein bisheriges Vorbringen, wonach er aufgrund des von den Krankenkassen vorgeschriebenen Abrechnungsmodus zu einer anderen Art der Aufzeichnung der Forderungen gegen die Krankenkasse nicht in der Lage gewesen sei, weil er erst am Monatsende die genauen Preise für die gelieferten Medikamente in die Rezepte hätte eintragen können und es sich bei seiner Apotheke täglich um etwa 200 Rezepte der verschiedensten Krankenkassen gehandelt habe, dadurch, ein Rezept stelle keinen Beleg für eine Aufzeichnungspflicht dar. Ein Rezept sei wie ein Lieferschein zu behandeln. Erst mit der Abrechnung gegenüber den Krankenkassen am Monatsende entstehe der Anspruch gegen die Krankenkassen. Die Abrechnung stelle eine Rechnung dar, die ihrerseits die Grundlage für eine Verbuchung der Vorgänge abgebe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Festsetzung seiner Einkommensteuer für die Streitjahre.
Die Buchführung des Steuerpflichtigen ist so, wie sie dem Urteil der Vorinstanz zugrunde liegt, ordnungsgemäß.
Zwar kann dem Steuerpflichtigen nicht darin gefolgt werden, daß die Forderungen gegen die Krankenkassen erst mit der Abrechnung den Kassen gegenüber zur Entstehung gelangt und schon deshalb nicht im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags mit den Kassenkunden und der Belieferung der Rezepte buchmäßig zu erfassen seien. Grundsätzlich ist mit der Erbringung der Lieferung oder Leistung aus einem gegenseitigen Vertrag der buchführungspflichtige Geschäftsvorfall abgeschlossen, die Forderung auf die Gegenleistung ist entstanden und buchmäßig zu erfassen. Soweit es den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung anbelangt, ergibt sich dies auch aus der Entscheidung des erkennenden Senats im Urteil IV 93/58 U vom 24. März 1960 (BFH 71, 53, BStBl III 1960, 268, 270 linke Sp. oben) über die Verpflichtung der Kassenärzte, die ihnen gegen die Verrechnungsstelle auf Grund der Behandlung von Kassenpatienten zustehenden Honorarforderungen im Jahresabschluß anzusetzen, ggf. mit einem geschätzten Betrag. Gleichartiges gilt für die noch nicht abgerechneten Forderungen der Apotheker gegen die Krankenkassen über die Belieferung der Kassenkunden. Grundsätzlich mußte daher der Steuerpflichtige die fraglichen Ansprüche auch in diesem Zeitpunkt buchmäßig erfassen.
Für den Streitfall ist der Senat jedoch der Auffassung, daß die jeweils monatliche Bewertung der vom Steuerpflichtigen aufbewahrten Rezepte und die Verbuchung der sich hieraus gegen die einzelnen Krankenkassen monatlich ergebenden Gesamtforderung noch mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung vereinbar ist. Im Urteil IV 63/63 vom 26. März 1968 (BFH 92, 264, BStBl II 1968, 527) stellte der Senat hinsichtlich der laufenden Erfassung von Verbindlichkeiten durch Grundaufzeichnungen Grundsätze auf, die auch für die grundbuchmäßige Erfassung von Debitoren gelten. Hierbei ging der Senat davon aus, daß jede nicht durch die Verhältnisse des Betriebs oder des Geschäftsvorfalls zwingend bedingte Zeitspanne zwischen dem Eintritt des Vorganges und seiner grundbuchmäßigen Erfassung bedenklich sei. Länger als etwa 10 Tage dürfe ein Geschäftsvorfall grundsätzlich grundbuchmäßig nicht unerfaßt bleiben. Diesen Grundsätzen schloß sich der I. Senat des BFH im Urteil I R 8/66 vom 2. Oktober 1968 (BFH 94, 319, BStBl II 1969, 157) an. Der Senat hält an ihnen fest. Sinn und Zweck der Forderung nach dergestalt zeitnah chronologischer Erfassung der Geschäftsvorfälle ist zu verhindern, daß die Geschäftsvorfälle buchmäßig für längere Zeit in der Schwebe gehalten werden und sich hierdurch die Möglichkeit eröffnet, sie später anders darzustellen, als sie richtigerweise darzustellen gewesen wären, oder sie ganz außer Betracht zu lassen und im privaten, sich in der Buchführung nicht niederschlagenden Bereich abzuwickeln. Hieraus ergibt sich, daß dort, wo die betrieblichen Verhältnisse eine solche Möglichkeit nach menschlichem Ermessen von vornherein ausschließen, Ausnahmen von ihnen anerkannt werden können. Allerdings fordert das Urteil des BFH VI R 33/67 vom 12. Januar 1968 (BFH 91, 361, BStBl II 1968, 341) auch bei im sachlichen Ergebnis zutreffender Ermittlung des Gewinns das Vorhandensein bestimmter Mindesterfordernisse einer ordnungsgemäßen Buchführung, die sicherstellen sollen, daß alle Vorgänge vollständig, sachlich richtig und zeitgerecht verbucht und belegt sind und ein Sachverständiger schnell und zuverlässig diese Merkmale kontrollieren kann. Wird die hiermit geforderte Gewähr der Belegsicherung und Unverlierbarkeit des Geschäftsvorgangs auch bei buchmäßiger Erfassung in größeren Zeitabständen jedoch nicht beeinträchtigt, so ist der Begriff der zeitgerechten Verbuchung nicht zu eng auszulegen. Es bestehen in einem solchen Fall keine Bedenken, die die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht beeinträchtigende Zeitspanne über den im Urteil IV 63/63 als grundsätzlich aufgestellten Zeitraum von 10 Tagen auszudehnen.
Hiernach aber erscheint es vertretbar, die monatliche buchmäßige Erfassung der Forderungen des Steuerpflichtigen gegen die Krankenkassen noch als ausreichend anzuerkennen. Die Gefahr, daß infolge der nicht sofortigen Bewertung und Verbuchung der Rezepte betrieblich bedingte Forderungen absichtlich oder versehentlich in den privaten Bereich überführt, hierdurch Betriebseinnahmen zwar tatsächlich erzielt, aber steuerlich nicht als solche erfaßt werden, besteht hier nicht. Denn der Steuerpflichtige muß seine Forderungen gegen die Krankenkassen in den Abrechnungsbögen im einzelnen nachweisen; was er hier nicht erfaßt, bekommt er von der Kasse nicht vergütet. Dadurch ist auch bei dem vom Steuerpflichtigen angewendeten Abrechnungs- und Verbuchungsverfahren die nahezu sichere Gewähr gegeben, daß alle betrieblichen Forderungen gegen die Kassen tatsächlich erfaßt werden. Die erhebliche Abweichung von der Verpflichtung, die unbaren Geschäftsvorfälle der Zeitfolge nach und so zeitnah wie möglich zu verbuchen, ist daher für die den Krankenkassen gegenüber entstehenden Forderungen - und nur für sie - gerechtfertigt. Ob dies auch anzuerkennen wäre, wenn es sich um nur wenige Geschäftsvorfälle handelte, deren laufende grundbuchmäßige Erfassung dem Steuerpflichtigen ohne weiteres zuzumuten wäre, läßt der Senat dahingestellt. Denn jedenfalls sind nach dem vom FA nicht bestrittenen Vortrag des Steuerpflichtigen die täglich bei ihm abgelieferten und von ihm belieferten Krankenkassenrezepte so zahlreich, daß mit Rücksicht darauf, daß Manipulationen ausgeschlossen sind, auf eine sofortige Bewertung der Rezepte und Verbuchung der hieraus sich ergebenen Forderungen verzichtet werden kann. Dies entspricht auch der in der Betriebsprüfungskartei der Oberfinanzdirektionen Düsseldorf, Köln, Münster, Teil III (Apotheken) unter II 3 dargestellten Verwaltungsauffassung; vgl. auch Kundrus, Betriebswirtschaftliche und steuerliche Besonderheiten bei Apotheken, Rudolf Haufe-Verlag S. 14.
Die Sache ist spruchreif. Dem Steuerpflichtigen ist die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG in dem von ihm beantragten Umfang zuzubilligen.
Fundstellen
BStBl II 1970, 307 |
BFHE 1970, 148 |