Leitsatz (amtlich)
Erstellt ein Facharzt als Obergutachter im Auftrag einer Landesversicherungsanstalt Gutachten zu Anträgen von Versicherten auf Heilbehandlung bzw. Berufsförderung wegen Leiden nicht tuberkulöser Art, so erbringt er keine ärztliche Hilfeleistung im Sinne des UStG 1951.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nr. 11; UStDB 1951 § 39 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger), ein Facharzt für innere Krankheiten, ist u. a. im Auftrag der Landesversicherungsanstalt (LVA) als Obergutachter tätig. Er erstellt Gutachten zu Anträgen von Versicherten auf Heilbehandlung bzw. Berufsförderung wegen Leiden nicht tuberkulöser Art. Diese Gutachten beurteilte der Steuerpflichtige als nach § 4 Nr. 11 UStG 1951 steuerfrei. Auf Grund einer im Juni 1963 durchgeführten Betriebsprüfung versagte das FA die Steuerbefreiung, indem es die entsprechenden Einnahmen mit Bescheid vom ... zur Berechnung der Umsatzsteuer heranzog.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Vorinstanz hat ausgeführt, eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG 1951 trete nicht ein, da ärztliche oder ähnliche Hilfeleistungen nicht vorlägen. Bei den Gutachtenerstattungen des Steuerpflichtigen werde dem Kranken eine ärztliche Hilfe nicht unmittelbar erbracht. Der Steuerpflichtige schlage nur vor, welcher Weg der ärztlichen Hilfe seinen Feststellungen nach beschritten werden könne. Die Gutachten seien nicht dem Patienten, sondern der LVA erstattet worden, in deren Interesse der Steuerpflichtige die Untersuchungen vorgenommen und von der er das Honorar erhalten habe. Die Gebühren seien nach der Preuß. Gebührenordnung für approbierte Ärzte und Zahnärzte (Preugo) als Maßstab der Vergütung berechnet gewesen. Die LVA habe selbst Entschlüsse über Maßnahmen gegenüber den Patienten getroffen. Aus der Tatsache, daß die LVA in den späteren Jahren die Umsatzsteuer neben den gezahlten Sätzen der Preugo vergütet habe, sei zu erkennen, daß auch die LVA für das Erstatten der Gutachten keine steuerfreie ärztliche Hilfeleistung angenommen habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision, mit der der Steuerpflichtige rügt, die Vorinstanz habe sich in ihren Entscheidungsgründen mit dem Urteil des BFH V 268/60 U vom 11. Juli 1963 (BFH 77, 624, BStBl III 1963, 547) und der entsprechenden Verfügung der OFD ... nicht auseinandergesetzt. Auch bei Röntgenreihenuntersuchungen sei eine ärztliche Hilfeleistung im Sinn von § 4 Nr. 11 UStG 1951 gegeben. Die Gutachten für die LVA seien fachärztliche Befundberichte ohne wissenschaftlichen Charakter. Die Untersuchung für das Heilverfahren erfolgte ausschließlich im Interesse des Versicherten, der den Antrag auf ein Heilverfahren gestellt habe, zur Feststellung und Besserung seiner Krankheiten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Der RFH hat als ärztliche Hilfeleistungen die verordnenden und ausführenden Tätigkeiten eines Arztes angesehen, die dieser auf Grund seiner Fachkenntnisse zur Milderung oder Beseitigung eines Krankheitszustandes bewirkt (Urteil V A 560/32 vom 15. Juli 1932, RFH 31, 344, RStBl 1933, 282). Es müssen - so heißt es in der Entscheidung - durch Ärzte und durch ärztliches Hilfspersonal eine Behandlung sowie ähnliche persönliche Leistungen erbracht werden, die unmittelbar die einzelnen Kranken betreffen (Urteil V A 29/31 vom 20. Januar 1931, RFH 27, 348, RStBl 1931, 367). Der BFH hat dazu auch gewisse vorbeugende ärztliche Maßnahmen wie Reihenuntersuchungen, die Ärzte bei durch bestimmte Krankheiten gefährdeten Personen vornehmen, gerechnet (Urteil V 36/54 U vom 12. August 1954, BFH 59, 400, BStBl III 1954, 364). RFH und BFH haben es jedoch in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, auch Gutachten einzubeziehen, die der Arzt nicht im Interesse des Patienten, sondern im Interesse oder im Auftrag anderer (Sozialversicherungsträger, Gerichte) erstellt (vgl. BFH-Urteil V R 145/66 vom 23. April 1970, BFH 99, 276, mit weiteren Nachweisen). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Der Steuerpflichtige erstellt Gutachten, die nicht unmittelbar den Versicherten zugute kommen, sondern im Interesse der LVA darüber Auskunft geben, ob die Einleitung eines Heilverfahrens zulässig und notwendig ist. Die Untersuchung der Patienten mit dem Ziel der Erstattung von Gutachten über das hierbei gefundene Krankheitsbild und über die zur Bekämpfung der Krankheit zu ergreifenden Maßnahmen sind keine ärztlichen Hilfeleistungen, da es an der Zweckrichtung für eine Heilbehandlung fehlt. Der Steuerpflichtige erstellt Gutachten darüber, o b eine Heilbehandlung durchzuführen ist. Er äußert sich nicht dazu, wie dies zu geschehen hat. Insofern übt er eine reine Gutachtertätigkeit für einen gesetzlichen Versicherungsträger aus und wirkt nicht unmittelbar auf den Krankheitsprozeß heilend ein. In diesem Fall ist eine ärztliche Hilfeleistung - wie schon der RFH ausgeführt hat - nicht gegeben (vgl. Urteil V A 560/32 vom 15. Juli 1932, a. a. O.). Nach dem Urteil des BFH V 268/60 U vom 11. Juli 1963 (a. a. O.), auf das sich der Steuerpflichtige beruft, gibt es zwar Gutachtentätigkeiten, die ärztliche Hilfeleistungen sind. Das ist z. B. dann der Fall, wenn sich der Arzt im Interesse des Patienten zu dem Krankheitsbild äußert, sei es im Krankheitsbericht, gegenüber einem hinzugezogenen Arzt oder bei der Untersuchung von übersandten Gewebeproben. Dieser Sachverhalt liegt im Streitfall aber nicht vor. In dem genannten Urteil heißt es ausdrücklich, daß der Arzt durch seine Tätigkeit eine wesentliche, dem Kranken unmittelbar zugute kommende Voraussetzung für die Heilung oder Besserung der Krankheit setzen müsse. Die begutachtende Tätigkeit - so das zitierte Urteil - diene nicht der Heilung der Kranken, sondern dem Interesse der Versicherung.
Der Steuerpflichtige beruft sich ferner auf die nach § 4 Nr. 11 UStG 1951 steuerfreien Vergütungen für sächliche Röntgenleistungen. Bei diesen steht jedoch der diagnostische Zweck im Interesse des Patienten im Vordergrund (vgl. BFH-Urteil V R 145/66 vom 23. April 1970, a. a. O.).
Aus diesen Erwägungen war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1972, 301 |
BFHE 1972, 116 |