Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu dem Erfordernis tatsächlicher Angaben im Urteil des FG
Leitsatz (NV)
Eine Schlußfolgerung tatsächlicher Art muß erkennen lassen, wie das FG im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gelangt ist. Fehlt es an den dazu erforderlichen Feststellungen, so ist dies ein materiell-rechtlicher Fehler in der Urteilsfindung, den das Revisionsgericht auch ohne ausdrückliche Rüge zu berücksichtigen hat.
Normenkette
FGO § 118
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Gewerbebetrieb. Wegen Nichtabgabe der Vermögensaufstellung (§ 28 des Bewertungsgesetzes - BewG -) führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Hauptfeststellung für den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1986 im Schätzungswege durch.
Der hiergegen ohne Begründung eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Der Kläger erhob daraufhin Klage und legte zur Begründung die Vermögensaufstellung vor. Das FA erließ unter Zugrundelegung dieser Angaben am 18. Mai 1988 einen Einheitswertänderungsbescheid, der auf Antrag des Klägers zum Gegenstand des Verfahrens wurde. Das FA hatte dabei den vom Kläger begehrten Ansatz einer Rückstellung für Urlaubsansprüche ... DM nicht berücksichtigt. Nach dem Klägervortrag war dieser Passivposten für bestehene Ansprüche von Arbeitnehmern auf Übertragung bzw. auf finanzielle Abfindung des Urlaubs aus dem vor dem Stichtag abgelaufenen Kalenderjahr gebildet worden.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hat hierzu in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß der Anspruch auf bezahlten Urlaub zwar mit Beginn des Urlaubsjahres entstehe. Da der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch jedoch erst noch durch seine Arbeitsleistung verdienen müsse, stelle die rechtliche Verpflichtung des Klägers auf Urlaubsgewährung am Stichtag keine ernste wirtschaftliche Last dar, die gemäß § 103 Abs. 1 BewG berücksichtigt werden könne.
Mit der vom FG auf Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 93a i.V.m. § 103 BewG.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um prüfen und entscheiden zu können, ob eine Rückstellung für (rückständige) Urlaubsansprüche gebildet und gemäß § 103 Abs. 1 BewG berücksichtigt werden kann.
1. Die Entscheidung eines FG muß die Tatsachen enthalten, die erforderlich sind, um prüfen zu können, ob eine entscheidungserhebliche Rechtsnorm rechtsfehlerfrei angewandt worden ist. Denn es ist Aufgabe des Revisionsgerichts, die Anwendung des Rechts auf den Einzelfall nachzuprüfen, und zwar dahin, ob die Rechtsanwendung auf diesen Sachverhalt fehlerfrei erfolgt ist.
Fehlen die dazu erforderlichen Angaben oder sind sie widersprüchlich, lückenhaft oder unklar, so ist die Nachprüfung unmöglich, mit der Folge, daß das angefochtene Urteil aufgehoben werden muß (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Oktober 1988 VII R 17/85, BFH/NV 1989, 464 m.w.N.). Ob die tatsächlichen Angaben mangelhaft sind, ist aufgrund der Voraussetzungen zu prüfen, von denen die fehlerhafte Anwendung einer Rechtsnorm abhängig ist. Fehlt es an den dazu erforderlichen Feststellungen, so ist dies ein materiell-rechtlicher Fehler in der Urteilsfindung, den das Revisionsgericht auch ohne ausdrückliche Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen hat (BFH-Urteile vom 5. September 1989 VII R 61/87, BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979, und vom 11. Februar 1987 I R 177/83, BFHE 149, 176, 181, BStBl II 1987, 461 jeweils m.w.N.).
Nach allgemeiner Auffassung ist eine Rückstellung für Urlaubsansprüche zu bilden und gemäß § 103 Abs. 1 BewG zu berücksichtigen, wenn es sich um rückständige - d.h. bereits verdiente - Ansprüche handelt (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1986 II R 201/83, BFHE 146, 564, BStBl II 1986, 664, und vom 8. Februar 1989 II R 46/86, BFHE 155, 571, BStBl II 1989, 316; zum Ertragswert vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 8. Juli 1992 XI R 50/89, BFHE 168, 329, BStBl II 1992, 910 m.w.N.).
2. Das FG geht in seinen Entscheidungsgründen offenbar von noch nicht verdienten Urlaubsansprüchen aus. Wie es diese Erkenntnis gewonnen hat, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, insbesondere fehlen hierzu die tatsächlichen Feststellungen.
Im Tatbestand des Urteils findet sich lediglich der Hinweis, daß das FA eine Rückstellung für Urlaubsansprüche in Höhe von ... DM nicht berücksichtigt habe. Weitere Feststellungen hat das FG hierzu nicht getroffen. Zwar ist es unerheblich, ob die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand oder in den Entscheidungsgründen enthalten sind (BFH-Urteil vom 8. Juli 1982 IV R 20/78, BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rz. 27), doch genügt es in diesem Zusammenhang nicht, daß die Vorinstanz von nicht verdienten Urlaubsansprüchen ausgeht. Gerade im Hinblick auf den Klägervortrag - die Rückstellung sei für am Bewertungsstichtag bestehende Ansprüche von Arbeitnehmern auf Urlaubsübertragung bzw. finanzielle Abfindung aus einem vor dem Stichtag abgelaufenen Kalenderjahr gebildet worden - hätte das FG im einzelnen darlegen müssen, worauf es seine Schlußfolgerung, es seien noch zu verdienende Urlaubsansprüche gegeben, gründet. Aus dem Umstand der Rückstellungsbildung allein kann jedenfalls nicht ohne weiteres auf das Vorliegen noch zu verdienender Urlaubsansprüche geschlossen werden. Eine Schlußfolgerung tatsächlicher Art muß vielmehr erkennen lassen, wie das FG im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gelangt ist. Nur so kann das Revisionsgericht die Entscheidung auf evtl. Fehler in der Rechtsanwendung überprüfen.
Da im Streitfall die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch die tatsächlichen Feststellungen gedeckt ist, beruht das Urteil auf einem Mangel in der Urteilsfindung und ist wegen fehlerhafter Anwendung sachlichen Rechts aufzuheben. Wegen der fehlenden Spruchreife ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen