Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen
Leitsatz (NV)
Ein objektiver sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und Gebäudeerrichtungsvertrag besteht nicht, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags keine Bindung des Erwerbers zum späteren Abschluß des Gebäudee
rrichtungsvertrags besteht.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1 (= GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Am . . . 1980 erwarb die A-KG (KG) vom Bruder des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) Grundbesitz. Die KG beabsichtigte, darauf mehrere Einfamilienhäuser zu errichten und zu verkaufen. Die Bauplanung wurde von einem Architekten durchgeführt. Im April 1981 bzw. Oktober 1981 wurde der KG die Baugenehmigung erteilt. Da für die Häuser keine Käufer zu finden waren, entschloß sie sich auf Anraten des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, die Bebauung und Veräußerung der Grundstücke im Rahmen eines Bauherrenmodells vorzunehmen.
Nachdem dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin (einer aus ihm und seiner Ehefrau bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR -) von der KG der Erwerb eines Grundstücks angeboten worden war, kaufte die Klägerin im Mai 1982 von der KG eine Teilfläche aus dem Grundbesitz und einen 1/15-Miteigentumsanteil an einer weiteren Teilfläche. Der Kaufpreis betrug . . . DM.
Vor und gelegentlich der Beurkundung des Grundstückskaufs hatte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin erklärt, er werde die ihm vorgelegten Verträge des Bauherrenmodells nicht abschließen, sondern seine eigenen Entscheidungen treffen. Anfang Juni 1982 erklärte er daraufhin dem Geschäftsführer der KG sowie dem Inhaber der als Treuhänder fungierenden B-GmbH (GmbH), er werde die Angebote des Bauherrenmodells nur teilweise annehmen und zu anderen Bedingungen. Er sei dafür, einen Werkvertrag mit der KG abzuschließen, da er diese kenne. Sie solle das Plan vorliegende Gebäude mit einer Planänderung - teilweise Einbeziehung des Flurs in den Badbereich - -schlüsselfertig erstellen.
Als Werklohn wurden in der Folge . . . DM ausgehandelt. Am . . .Juni 1982 wurde ein entsprechender schriftlicher Werkvertrag mit der KG geschlossen. Am selben Tag wurde ein Baubetreuungsvertrag sowie ein Vermietungs-Garantie-Vertrag mit der C-GmbH geschlossen. Der Verwalter-Garantie-Vertrag wurde nicht abgeschlossen. Der mit der GmbH geschlossene Treuhandvertrag wurde nur im Hinblick auf die Erfüllung gemeinsamer Aufgaben und Verpflichtungen der Bauherrengemeinschaft geschlossen. Der Geschäftsführer der GmbH hat nur auf Anweisung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin gehandelt.
Die neu geschaffene Wohnung wurde als steuerbegünstigt anerkannt.
Unter Ablehnung eines Antrags der Klägerin auf Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr.8 Buchst. a des damals geltenden Hessischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Der Bescheid erging vorläufig nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA ging dabei vom Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerks gerichtet auf die Übertragung des Grundstücks mit noch zu errichtendem Gebäude aus. Es schätzte die Bemessungsgrundlage auf . . . DM.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde geltend gemacht, daß die Voraussetzungen für die beantragte Steuerbefreiung vorlägen.
Das Finanzgericht (FG) hat unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids und der Einspruchsentscheidung die Grunderwerbsteuer auf . . . DM festgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen. Dem Grunde nach sei der Steuerbescheid rechtmäßig. Der durch Rechtsgeschäft begründete Anspruch auf Übereignung richte sich nicht auf unbebaute Grundstücke, sondern auf Grundstücke in einem Zustand, den sie erst künftig, durch Bebauung, erhalten sollten. Gegenstand der kaufvertraglichen Verschaffungspflicht der KG seien die Grundstücke samt fertigem Gebäude gewesen. Dies folge aus der Einheit von Grundstückskaufvertrag, Baubetreuungs- und Werkvertrag. Mehrere Verträge könnten in ihrem rechtlichen Bestand so miteinander verbunden sein, daß ein rechtlich einheitlicher Vertrag vorliege, der auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks gerichtet sei. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt. Die Bemessungsgrundlage sei vom FA allerdings zu hoch geschätzt gewesen. Die Steuer sei vielmehr nach der von den Beteiligten nunmehr übereinstimmend angenommenen Bemessungsgrundlage von . . . DM zu berechnen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Mit dieser rügt sie unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr.1 und des § 4 Abs. 1 Nr.8 Buchst. a GrEStG sowie die Verletzung mehrerer Grundrechte (Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 2 GG;Art. 14 GG; Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Darüber hinaus wird die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Grunderwerbsteuerbescheids und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung.
1. Das FG hat zu Unrecht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids bejaht. Für ihren Grundstückserwerb vom 27. Mai 1982 steht der Klägerin Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr.8 Buchst. a EStG zu. Entgegen der Auffassung des FG ist Gegenstand dieses Erwerbsvorgangs das Grundstück in unbebautem Zustand. Da das (fristgemäß) darauf errichtete Gebäude als grundsteuerbegünstigt anerkannt wurde, sind die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung auch insoweit erfüllt.
a) Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, bereits die kaufvertragliche Übereignungsverpflichtung sei auf das Grundstück in bebautem Zustand gerichtet.
Der Vertrag vom . . . Mai 1982 ist ein Rechtsgeschäft, das für die Klägerin einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründete und das deshalb nach § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt.
Im Streitfall ist der Grundstückskaufvertrag für sich gesehen auf das unbebaute Grundstück gerichtet. Die Annahme des FG, es liege gleichwohl - zivilrechtlich - ein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks in bebautem Zustand vor, ließe sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn die (später abgeschlossenen) Verträge (Werkvertrag und Baubetreuungsvertrag) zusammen mit dem Grundstückskaufvertrag als ein einheitlicher Vertrag (der dann ganz oder teilweise formunwirksam wäre) anzusehen wären. Dafür fehlt jedoch nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt jeglicher Anhalt. Diese Auffassung steht im übrigen gedanklich in Widerspruch zu der weiteren Annahme des FG selbst, die Verträge sollten miteinander ,,stehen und fallen", da diese Annahme gerade die Existenz grundsätzlich selbständiger und lediglich in ihrer Gültigkeit verknüpfter Vereinbarungen voraussetzt.
b) Die Verträge sollten - entgegen der Auffassung des FG - nach dem Willen der Beteiligten auch nicht miteinander ,,stehen und fallen". Zutreffend geht das FG zwar davon aus, daß dies dann der Fall sei, wenn auch nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen läßt und der andere Partner ihn anerkannt oder zumindest hinnimmt (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Entscheidung vom 24. September 1987 VII ZR 306/86, BGHZ 101, 393 m.w.N.). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen jedoch nicht gegeben. Der maßgebliche Verknüpfungswille ist unter Berücksichtigung der Interessen der Vertragsschließenden und ihres erklärten Willens mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu ermitteln (BGH-Entscheidung vom 10. Oktober 1986 V ZR 247/85, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1987, 1069). Die Niederlegung selbständiger Verträge in verschiedenen Urkunden begründet zwar die Vermutung, daß die Verträge nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen sollen. Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar durch den übereinstimmenden Willen der Parteien. Gerade bei Grundstückserwerben im Rahmen von Bauherrenmodellen ist die Annahme, daß die Verträge miteinander ,,stehen und fallen" sollen, vielfach gerechtfertigt (BGHZ 101, 393). Im Streitfall hat jedoch die Klägerin einen - möglicherweisen vorhandenen - Einheitswillen der Veräußerin nach den Feststellungen des FG gerade nicht akzeptiert. Dies folgt nicht nur aus dem später erfolgten Abschluß der auf die Errichtung des Gebäudes gerichteten Verträgen, sondern vor allem daraus, daß die Klägerin bei Abschluß des Grundstücksvertrags ausdrücklich erklärt hatte, die weiteren - im Rahmen des Bauherrenmodells angebotenen - Verträge nicht abschließen, sondern ihre eigenen Entscheidungen treffen zu wollen. Der weitere Verlauf (Abschluß anderer Verträge bzw. von Verträgen mit anderem Inhalt, insbesondere mit einem niedrigeren Entgelt, als den Erwerbern im Bauherrenmodell angeboten) bestätigt, daß es sich insoweit nicht um bloße Scheinerklärungen handelte (vgl. im übrigen dazu Senatsurteil vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532).
c) Der für die Gewährung der begehrten Steuerbefreiung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird allerdings nicht nur bestimmt durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst und mit diesem in rechtlicher Einheit stehende Vereinbarungen, sondern auch durch mit ihm in objektiv sachlichem Zusammenhang stehende Verträge, wenn diese insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Oktober 1989 II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183 und II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BSTBl II 1992, 357). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Ein derartiger enger sachlicher Zusammenhang zwischen zivilrechtlich getrennten Verträgen liegt danach u.a. dann vor, wenn ein Veräußerer einem Erwerber aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann. Der objektive enge sachliche Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und zur Errichtung des Gebäudes abgeschlossenen Verträgen wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß - wie im Streitfall - zeitlich zuerst der Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wird. Maßgebend ist, ob der Erwerber in diesem Zeitpunkt in seiner Entscheidung über das ,,Ob" und das ,,Wie" der Bebauung noch frei ist oder nicht. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben (vgl. Senatsurteil in BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532).
Nach den vom FG getroffenen Sachverhaltsfeststellungen bestand zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags für die Klägerin keine derartige Bindung zum später erfolgten Abschluß der auf die Gebäudeerrichtung zielenden Verträge. Die vom FG festgestellten besonderen Umstände des Streitfalls stehen vielmehr einer solchen Annahme entgegen. Danach hat die Klägerin das Eingehen einer solchen Bindung ausdrücklich abgelehnt. Der weitere Geschehensablauf zeigt, daß diese Erklärung ernstgemeint und vom Vertragspartner auch so akzeptiert wurde. Die besondere Stellung des Gesellschafters der Klägerin im Zusammenhang mit der Verwertung des Grundbesitzes spricht ebenfalls dafür, daß weder rechtlich noch faktisch eine Bindung der Klägerin zum späteren Abschluß der Bauerrichtungsverträge bestand.
2. Die von anderen Grundsätzen ausgehende FG-Entscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet daher in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.
Fundstellen
Haufe-Index 418837 |
BFH/NV 1993, 687 |