Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Darlehen für mehrere Zwecke aufgenommen, z. B. zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Steuerpflichtigen und zur Bezahlung von Reparaturkosten an einem Mietwohnhaus, so steht § 12 Ziff. 1 EStG der Aufteilung der Geldbeschaffungskosten in Werbungskosten und Kosten der Lebenshaltung selbst dann nicht entgegen, wenn das Darlehen überwiegend für die private Lebenshaltung verwendet wurde. 2. Nimmt ein Steuerpflichtiger zur Bestreitung von Lebenshaltungskosten ein Darlehen auf, bei dem ein Damnum vereinbart wird, so ist das Damnum im allgemeinen auf die Laufzeit des Darlehens zu verteilen und in jedem der Jahre, in denen Rückzahlungen auf das Darlehen geleistet werden, ein entsprechender Teilbetrag des Damnums als Sonderausgaben abzuziehen.
Normenkette
EStG §§ 9, 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 11/2, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Streitig ist der Abzug von Hypothekenbeschaffungskosten und eines Damnums. Das Verwaltungsgericht hatte in seiner ersten Entscheidung ebenso wie das Finanzamt die Abzugsfähigkeit dieser Aufwendungen verneint und nur wegen kleinerer anderer Ausgaben die einheitlich festgestellten Einkünfte für 1955 niedriger festgesetzt als das Finanzamt. Das erste Urteil des Verwaltungsgerichts wurde aufgehoben, weil die Verteilung der einheitlich festgestellten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unrichtig war. Außerdem hielt der Senat damals die Ablehnung des Abzugs der streitigen Beträge in tatsächlicher Hinsicht nicht für ausreichend geklärt.
Das Verwaltungsgericht hat auch bei seiner zweiten Entscheidung die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen verneint, weil die Hypothek aufgenommen worden sei, um den Lebensunterhalt der beiden Mitglieder der Erbengemeinschaft zu gewährleisten. Es treffe nicht zu, daß die Hypothek aufgenommen worden sei, um die von einem Miteigentümer vorgeschossenen Kosten für Instandsetzungsarbeiten zurückzuzahlen; denn die Bfin. habe diese Ausgaben aus den laufenden Einnahmen gedeckt. Aber auch soweit die Bfin. den in der Zukunft anfallenden Reparaturaufwand durch Aufnahme der Hypothek gedeckt habe, seien die dabei angefallenen Beschaffungskosten nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen, da die Bfin. mit der Hypothekenaufnahme in erster Linie die Sicherung der Lebenshaltung der Miterben erstrebt habe.
Die Bfin. rügt mit der Rb. die Nichtberücksichtigung der Hypothekenbeschaffungskosten, insbesondere des Damnums. Soweit die Aufnahme der Hypothek zur Ablösung des Hypothekenstammrechts und der damit zusammenhängenden Hypothekengewinnabgabe gedient habe, seien die Kosten Werbungskosten. Ebenso seien aber auch die Refinanzierungskosten der Aufwendungen zur Beseitigung von Kriegsschäden abzugsfähig.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das Verwaltungsgericht geht davon aus, daß die Hypothekenbeschaffung ein einheitlicher Vorgang sei und daß deshalb auch die Aufwendungen der Bfin. für die Beschaffung des hypothekarisch gesicherten Darlehens steuerlich nicht aufgeteilt werden könnten. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Nach § 12 Ziff. 1 EStG sind Aufwendungen für die private Lebenshaltung, zu deren Bestreitung nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts der größte Teil des Darlehens verwendet wurde, vom Abzug als Werbungskosten ausgeschlossen. Es ist zwar nicht zu beanstanden, daß das Verwaltungsgericht demgemäß den Teil der Geldbeschaffungskosten, der auf den der privaten Lebenshaltung dienenden Teil des Darlehens entfällt, für nicht abzugsfähig erklärt. Wenn das Darlehen jedoch zugleich für private Zwecke und auch deshalb aufgenommen wurde, um einen Teil des Geldes für das Haus zu verwenden, so muß für den auf den letzteren Zweck entfallenden Teil der Geldbeschaffungskosten die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten geprüft werden. Eine Aufteilung der Geldbeschaffungskosten kann jedenfalls nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß der überwiegende Teil des Darlehens zur Deckung der Lebenshaltung der Mitglieder der beschwerdeführenden Erbengemeinschaft aufgenommen worden sei. Wenn eine Aufwendung sowohl für private Zwecke als auch für solche gemacht wurde, die der Erzielung von Einnahmen dienen, muß eine Aufteilung vorgenommen werden, wenn sie irgendwie durchführbar ist (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 164/59 U vom 8. April 1960, BStBl 1960 III S. 274, Slg. Bd. 71 S. 70; IV 229/57 U vom 28. August 1958, BStBl 1959 III S. 44, Slg. Bd. 68 S. 113). Im Streitfall hält der Senat eine Aufteilung der Hypothekenbeschaffungskosten für möglich und deshalb auch für erforderlich.
Das Verwaltungsgericht hat auch nicht beachtet, daß das Damnum, soweit das Darlehen zur Bestreitung von Lebenshaltungskosten aufgenommen wurde, zwar nicht zu den Werbungskosten rechnet, daß es insoweit aber als Sonderausgaben zu berücksichtigen ist. Das Damnum ist nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 172/38 vom 25. November 1938, RStBl 1939 S. 233, Slg. Bd. 45 S. 248; Urteile des Senats VI 19/57 U vom 24. April 1959, BStBl 1959 III S. 236, Slg. Bd. 68 S. 619, und insbesondere VI 62/63 S vom 8. November 1963, BStBl 1964 III S. 31) ein zusätzlicher Aufwand neben den vereinbarten Zinsen, der bei der Besteuerung auf die Laufzeit des Darlehens zu verteilen ist. Es handelt sich danach bei dem Damnum steuerlich um wiederkehrende Zahlungen des Darlehnsschuldners, die die Voraussetzungen für einen Abzug nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG erfüllen. Von dem auf das Streitjahr entfallenden Damnum ist deshalb ein entsprechender Teil als Sonderausgabe abzugsfähig.
Da die Vorentscheidung in diesen beiden Punkten von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, muß sie wegen unrichtiger Rechtsanwendung aufgehoben werden.
Das Verwaltungsgericht muß bei seiner erneuten Entscheidung nochmals prüfen, inwieweit das Darlehen für die Lebenshaltung der Mitglieder der beschwerdeführenden Erbengemeinschaft verwendet wurde, insbesondere ob von der Bfin. gegen die Auslegung des Begriffs "Refinanzierung" in der Vorentscheidung Einwendungen erhoben werden. Soweit das Darlehen unmittelbar zur Bezahlung von Reparaturaufwendungen an dem Haus ausgegeben wurde, sind die anteiligen Beschaffungskosten Werbungskosten, und zwar auch soweit dies etwa zur Erfüllung von Bauauflagen des Hypothekengläubigers geschehen ist. Nach dem Schreiben der Bfin. vom 13. April 1957 wurde übrigens die durch die Hypothekenaufnahme abgelöste Verkehrshypothek vom Hypothekengläubiger gekündigt, so daß die Hypothek über 40.000 DM nicht allein der Geldbeschaffung, sondern auch der Rückzahlung der früheren Hypothek diente, deren Zinsen bis dahin vom Finanzamt als Werbungskosten berücksichtigt worden waren. Sollte diese Behauptung der Bfin. richtig sein, so würde das ebenfalls für die Abzugsfähigkeit der Hypothekenbeschaffungskosten sprechen.
Schließlich ist auch zu beachten, daß nicht, wie in dem aufgehobenen Urteil ausgeführt wurde, der Abzug von 1.646 DM streitig ist; denn hiervon wurden bereits in der ersten Entscheidung des Verwaltungsgerichts 197 DM zutreffend als Werbungskosten anerkannt, so daß von diesem Betrag nur noch 1.449 DM streitig sind. Die Bfin. hat aber andererseits noch wiederholt die Berücksichtigung von weiteren 1.320 DM als Werbungskosten verlangt, über deren Abzugsfähigkeit zwar das Urteil vom 12. Mai 1958, nicht jedoch die nunmehr aufgehobene Entscheidung vom 8. März 1962 Ausführungen enthält, ohne daß die Bfin. ihren diesbezüglichen Antrag zurückgenommen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 411063 |
BStBl III 1964, 77 |
BFHE 1964, 192 |
BFHE 78, 192 |