Leitsatz (amtlich)
Verbindlichkeiten, die bis zur Vollbeendigung eines Gewerbebetriebs trotz Verwertung des Aktivvermögens nicht getilgt werden konnten, bleiben auch dann durch die frühere gewerbliche Tätigkeit veranlaßt, wenn zu ihrer Sicherung ein privates Einfamilienhausgrundstück mit einer Hypothek belastet wird. Die bezahlten Hypothekenzinsen sind nachträgliche Betriebsausgaben.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 24 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte im April 1966 seinen Gewerbebetrieb bei der Gemeinde abgemeldet. Die Abwicklung zog sich bis zum 31. Dezember 1968 hin. Trotz Verwertung des Aktivvermögens hatten nicht alle betrieblichen Schulden beglichen werden können. Der Kläger hatte auf Drängen der Kreissparkasse zur Sicherung der verbliebenen Schulden sein privates Einfamilienhausgrundstück mit einer Hypothek belasten müssen. Die danach gezahlten Hypothekenzinsen waren bis zum Jahre 1973 steuerlich als Sonderausgaben behandelt worden. Für das Jahr 1974 lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) eine steuerliche Berücksichtigung ab.
Die im Streitjahr 1975 gezahlten Zinsen (in Höhe von 5 107 DM) machte der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Er führte aus, die Hypothekenbestellung sei nötig gewesen, da er andernfalls das Grundstück zur Deckung der Schulden hätte verkaufen müssen. Das FA lehnte die steuerliche Berücksichtigung der Zinsen sowohl als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als auch als nachträgliche Betriebsausgaben ab.
Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage stattgegeben. Es hat die Zinszahlungen in der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 433 (EFG 1979, 433) veröffentlichten Entscheidung als nachträgliche Betriebsausgaben anerkannt, die zu negativen Einkünften aus Gewerbebetrieb führten.
Dagegen wendet sich das FA mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision. Es rügt unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und macht geltend, die ursprünglich betrieblich veranlaßte Schuld sei eine Privatschuld geworden. Der Kläger habe sich für die Übernahme der Verbindlichkeit in das Privatvermögen entschieden. Dies folge aus der wiederholten Erklärung des Klägers, die Zinsen als Sonderausgaben abziehen zu wollen. Für das Streitjahr habe der Kläger sogar ausdrücklich eine Berücksichtigung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung begehrt.
Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Die vom Kläger (im Streitjahr) gezahlten Zinsen sind nachträgliche Betriebsausgaben (§ 24 Nr. 2, § 4 Abs. 4 EStG).
Zinszahlungen für Verbindlichkeiten, die bis zur Vollbeendigung eines Gewerbebetriebs trotz Verwertung des Aktivvermögens nicht getilgt werden konnten, sind grundsätzlich als nachträgliche Betriebsausgaben anzuerkennen (s. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Dezember 1980 I R 119/78, BStBl II 1981, 460).
Dem steht nicht entgegen, daß die Zinsen (im Streitfall) in früheren Veranlagungszeiträumen als Sonderausgaben behandelt worden sind (s. auch hierzu BFH-Urteil I R 119/78).
Unbeachtlich ist auch, daß der Kläger die Schulden nach der Aufgabe des Betriebs - durch Belastung seines privaten Einfamilienhausgrundstücks mit einer Hypothek - dinglich gesichert und die im Streitjahr gezahlten Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht hat. Die Zinszahlungen stehen nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die durch die Hypothek gesicherten Schulden sind nicht für Zwecke des belasteten Einfamilienhausgrundstücks aufgenommen worden, etwa für den Erwerb, die Verbesserung oder die Bebauung des Grundstücks (vgl. das BFH-Urteil vom 25. November 1954 IV 523/53 U, BFHE 60, 107, BStBl III 1955, 42, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Es wirkt vielmehr der im früheren Gewerbebetrieb begründete Charakter der Verbindlichkeiten fort. Ihr Zusammenhang mit dem betrieblichen Bereich ist durch die Verpfändung des - im Privatvermögen des Klägers stehenden - Einfamilienhausgrundstücks nicht gelöst worden. Wie die (bloße) Verpfändung eines Grundstücks für eine Betriebsschuld für sich allein das Grundstück nicht zum notwendigen Betriebsvermögen macht (s. hierzu das BFH-Urteil vom 13. August 1964 IV 304/63 S, BFHE 80, 78, BStBl III 1964, 502), so führt dieser Vorgang umgekehrt auch nicht zur Umwandlung der entsprechenden Verbindlichkeit in eine Privatschuld. Der objektive Zusammenhang zwischen der (im Streitfall ehemals betrieblich veranlaßten) Verbindlichkeit und dem Grundstück erschöpft sich in der Sicherung der Schuld durch das Grundstück. Für das Grundstück selbst und den privaten Vermögensbereich insgesamt bringt die Schuld keine Vorteile. Mithin ist auch für die Annahme einer sog. wirtschaftlichen Umwandlung der Schuld (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 10. Mai 1972 I R 220/70, BFHE 105, 480, BStBl II 1972, 620) kein Raum.
Fundstellen
Haufe-Index 413528 |
BStBl II 1981, 461 |
BFHE 1981, 25 |