Leitsatz (amtlich)
1. Für die Klage auf Übersendung eines Betriebsprüfungsberichts ist der Finanzrechtsweg gegeben.
2. Der frühere Gesellschafter einer Personengesellschaft kann die Übersendung eines ungekürzten Betriebsprüfungsberichts über die Verhältnisse der Gesellschaft nicht beanspruchen, wenn der Prüfungszeitraum sich auch auf Zeitabschnitte nach seinem Ausscheiden erstreckt, die für seine Besteuerung ohne Bedeutung sind.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 §§ 30, 91 Abs. 1, § 202 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder Gesellschafter einer OHG. Im April 1967 schied er aus der Gesellschaft aus. Die verbliebenen Gesellschafter verzichteten auf einen Ausgleich seines negativen Kapitalkontos und sagten ihm eine Abfindung zu. Die OHG wurde Mitte 1969 in eine GmbH & Co. KG umgewandelt; Geschäftsführer der Komplementär-GmbH wurde der Bruder des Klägers. Der Kläger gründete im Bereich des Finanzamts H einen neuen Betrieb.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte das Ergebnis der OHG für 1967 und den Veräußerungsgewinn des Klägers zunächst antragsgemäß fest. Später fand für die frühere OHG eine Betriebsprüfung hinsichtlich des Zeitraums 1967 bis 1969 statt. Dabei ergab sich für 1967 ein höherer Verlust. Das FA rechnete den Mehrverlust nur den verbliebenen Gesellschaftern zu. Es erließ im Jahre 1972 einen berichtigten Feststellungsbescheid, gab ihn dem Kläger aber nicht bekannt.
Im Jahre 1976 beantragte der Kläger beim FA, ihm eine Ausfertigung des Betriebsprüfungsberichts zu überlassen. Das FA übersandte ihm daraufhin einen Auszug aus dem Bericht, der sich mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft beschäftigte. Auf die Beschwerde des Klägers übersandte das FA einen weiteren Auszug, aus dem sich der Gesamtverlust 1967 und die Verteilung des Mehrverlustes auf die verbliebenen Gesellschafter ergab; außerdem erläuterte es die Berechnung des Veräußerungsgewinns. Weitere Angaben lehnte das FA unter Hinweis auf die Erfordernisse des Steuergeheimnisses ab.
Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, das FA entscheide nach pflichtgemäßem Ermessen über die Gewährung von Akteneinsicht. Ausgeschiedenen Gesellschaftern müßten die Feststellungen einer Betriebsprüfung über die Gewinnentwicklung während der Zeit ihrer Gesellschaftszugehörigkeit grundsätzlich bekanntgegeben werden. Im Streitfall habe der Kläger die erforderlichen Angaben erhalten; es gebe keinen Anhaltspunkt, daß der Betriebsprüfungsbericht weitere Einzelheiten enthalte, die für seine Besteuerung erheblich seien. Das FG hat den Bruder des Klägers gemäß § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Rechtsstreit beigeladen; dieser hat einer Übersendung des Betriebsprüfungsberichts an den Kläger widersprochen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 578 (EFG 1978, 578) veröffentlicht.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das FA habe dem für seinen neuen Betrieb zuständigen FA H eine Ausfertigung des Betriebsprüfungsberichts zugestellt und damit das Steuergeheimnis verletzt: aus Gründen der Gleichbehandlung müsse der Bericht auch ihm zugänglich gemacht werden. Die übersandten Auszüge enthielten unrichtige Einzelheiten; wahrscheinlich sei der Bericht auch in anderen Punkten unrichtig. Der Beigeladene verweigere zu Unrecht die Zustimmung zur Aushändigung des Betriebsprüfungsberichts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger die Bekanntgabe des Betriebsprüfungsberichts nicht verlangen kann.
1. Für das Klagebegehren ist der Finanzrechtsweg gegeben, weil es sich um eine Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten i. S. von § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO handelt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. August 1965 VI 349/63 U, BFHE 83, 490, BStBl III 1965, 675; vom 24. November 1971 VII R 110/68, BFHE 104, 181, BStBl II 1972, 284; vom 13. September 1972 I R 189/70, BFHE 107, 253, BStBl II 1973, 119).
2. Der Kläger hat in der Vorinstanz die Aushändigung einer ungekürzten Ausfertigung des Betriebsprüfungsberichts, nicht aber eine Ergänzung der vom FA erteilten, seine eigene Besteuerung berührenden Auszüge aus dem Betriebsprüfungsbericht beantragt. Dieses Klagebegehren hat das FG zu Recht als unbegründet angesehen.
Nach § 202 Abs. 2 AO 1977 hat die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag den Betriebsprüfungsbericht vor seiner Auswertung zu übersenden und ihm Gelegenheit zu geben, in angemessener Zeit dazu Stellung zu nehmen. Der Senat läßt offen, ob ein ausgeschiedener Gesellschafter als Steuerpflichtiger i. S. dieser Vorschrift anzusehen ist und damit einen Rechtsanspruch auf die Übersendung des Betriebsprüfungsberichts hat oder ob ihn die Finanzbehörde lediglich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 91 Abs. 1 AO 1977) nach pflichtgemäßem Ermessen vom Ergebnis der Betriebsprüfung unterrichten muß (so BFHE 83, 490, BStBl III, 1965, 675). Im Streitfall besteht die Besonderheit, daß der Kläger nicht während des gesamten Prüfungszeitraums Gesellschafter war. Dieser Umstand hindert in jedem Fall die Bekanntgabe des vollständigen Betriebsprüfungsberichts.
Betriebsprüfung und Betriebsprüfungsbericht betrafen nicht allein den Kläger, sondern erstreckten sich auch auf die Verhältnisse der Gesellschaft und der verbliebenen Gesellschafter. Hinsichtlich der hierzu getroffenen Feststellungen hatte das FA das Steuergeheimnis zu wahren (§ 30 Abs. 1 AO 1977). Sie durften dem Kläger nur offenbart werden, soweit dies der Durchführung seines Besteuerungsverfahrens diente (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977). Im Streitfall kamen dafür die Angaben über den Verlust der Gesellschaft im Jahre 1967 und seine Aufteilung auf die Gesellschafter in Betracht. Dagegen waren die im Betriebsprüfungsbericht enthaltenen Feststellungen hinsichtlich späterer Zeiträume für die Besteuerung des Klägers unerheblich. Das FA hätte sie nur bekanntgeben dürfen, wenn die Betroffenen zugestimmt hätten (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO 1977). Diese Zustimmung ist weder von der Gesellschaft noch von den verbliebenen Gesellschaftern erteilt worden; warum sie ihre Zustimmung versagt haben, brauchte das FA nicht zu prüfen.
In dieser Lage konnte das FA eine bestehende Informationspflicht nur dadurch erfüllen, daß es den Kläger über die ihn betreffenden Feststellungen der Betriebsprüfung gesondert unterrichtete. Das ist durch die erteilten Auszüge aus dem Betriebsprüfungsbericht geschehen, die dem Kläger Aufschluß über den Mehrgewinn und seine Verteilung auf die Gesellschafter gaben. Aus dem Umstand, daß das FA eine Abschrift des Betriebsprüfungsberichts an das FA H gesandt hat, kann der Kläger keinen Anspruch auf Gleichbehandlung ableiten; die Befugnisse der Finanzbehörden und des Steuerpflichtigen sind im Besteuerungsverfahren unterschiedlich gestaltet.
Fundstellen
Haufe-Index 413529 |
BStBl II 1981, 457 |
BFHE 1981, 383 |