Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Steuerbegünstigung für EDV-Berater
Leitsatz (NV)
Die Umsätze eines Steuerpflichtigen in den Streitjahren 1979 und 1980 aus der Tätigkeit ,,Datenverarbeitung-Software-Entwicklung" unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG.
Normenkette
UStG 1973/1980 § 12 Abs. 2 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war nach Abschluß einer Lehre als Fernmeldemechaniker sechs Jahre bei der Bundeswehr als Flugbetriebsspezialist und anschließend acht Jahre zunächst als Programmierer, danach als Datenverarbeitungsorganisator im Angestelltenverhältnis tätig. Während dieser Zeit nahm er ein halbes Jahr lang an einem Lehrgang zur Ausbildung als Programmierer und Datenverarbeitungskaufmann teil. Außerdem besuchte er an einer Universität für ein Semester betriebswirtschaftliche und mathematische Vorlesungen.
Der Kläger meldete zum 1. Juli 1979 einen ,,Betrieb für Datenverarbeitung-Software-Entwicklung" an. Die daraus 1979 und 1980 erzielten Einkünfte erklärte er als solche aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für die Umsätze aus dieser Tätigkeit begehrte er den ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes 1973/1980 - UStG -) aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte dem Kläger und der Klägerin in dem Einkommensteuerbescheid für 1980 den Freibetrag für freie Berufstätigkeit nach § 18 Abs. 4 EStG. Die Umsätze des Klägers besteuerte das FA in den Umsatzsteuerbescheiden 1979 und 1980 mit dem allgemeinen Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG. Außerdem setzte es gegen den Kläger für 1979 einen Gewerbesteuermeßbetrag fest. Das FA begründete seine Entscheidungen damit, daß der Kläger als Programmierer, Berater, Planer und Organisator in EDV-Sachen gewerblich und nicht freiberuflich tätig gewesen sei.
Die Klage hatte Erfolg.
Dazu führte das FG u. a. aus: Der Kläger habe durch seine Tätigkeit gezeigt, daß er als EDV-Berater auch Systemanalysen im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. August 1983 IV R 6/80 (BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677) erstellt habe. Die hierzu erforderlichen Kenntnisse habe er sich vorwiegend durch Selbststudium und durch praktische Erfahrungen während seiner früheren Tätigkeit erworben. Nur als Programmierer sei er in einem mit 40 v. H. geschätzten Umfang gewerblich tätig gewesen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es rügt unrichtige Anwendung von § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG und § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Es legt dar, das FG habe nicht beachtet, daß die Tätigkeit eines EDV-Beraters der eines beratenden Betriebswirts nur dann ähnlich sei, wenn sie auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruhe. Dafür müsse der Kenntnisstand eines EDV-Beraters mindestens dem eines staatlich geprüften Betriebswirts entsprechen. Die Tätigkeit eines Systemanalytikers sei nicht mit der eines beratenden Betriebswirts vergleichbar. Sie könne zwar bei entsprechender Ausbildung mit dem Ingenieurberuf verglichen werden. Eine einem Ingenieur vergleichbare Ausbildung habe der Kläger aber nicht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Das FA hat die Umsätze des Klägers in den Umsatzsteuerbescheiden 1979 und 1980 aus dem Betrieb für ,,Datenverarbeitung-Software-Entwicklung" zutreffend mit dem allgemeinen Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG besteuert. Die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG in den in den Streitjahren 1979 und 1980 geltenden Fassungen für Leistungen aus der Tätigkeit als Angehörige eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegen nicht vor. Die Betätigung des Klägers war keine Ausübung eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
a) Der Kläger war insbesondere kein beratender Betriebswirt. Zwar ist mit der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts kein festes Berufsbild verknüpft. Die Rechtsprechung hat aber als beratenden Betriebswirt denjenigen angesehen, der eine bestimmte Berufsausbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft erworben hat. Außer der Ausbildung an einer Universität oder technischen Hochschule mit Diplomabschluß kann diese Ausbildung auch an einer Fachhochschule mit dem Abschluß als ,,graduierter Betriebswirt" oder an einer Fachakademie mit dem Abschluß als ,,staatlich geprüfter Betriebswirt" erreicht werden. Alle aufgezählten Bildungswege vermitteln Kenntnisse in den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre, zu denen die Investition, die Finanzierung, die Produktion und der Absatz gehören (Urteil des BFH vom 11. Dezember 1985 I R 285/82, BFHE 146, 121, BStBl II 1986, 484). Beratender Betriebswirt im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist deshalb nur derjenige, der entweder über eine abgeschlossene Ausbildung als Betriebswirt verfügt oder sich in der Form des Selbststudiums Kenntnisse in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre angeeignet hat, die mit denen vergleichbar sind, die in einem der aufgezählten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden, und davon bei seiner Berufstätigkeit auch tatsächlich Gebrauch macht (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1981 IV R 79/80, BFHE 134, 565, BStBl II 1982, 267).
Der Kläger war - wie das FG zu Recht ausgeführt hat - nicht als beratender Betriebswirt tätig, weil er keine Berufsausbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft in einem der beschriebenen Ausbildungsgänge erhalten hat. Er hat auch nicht nachgewiesen, daß er durch ein Selbststudium Kenntnisse in den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre erworben hat, die mit denen vergleichbar sind, die in einem der aufgezählten Bildungswege üblicherweise vermittelt werden, insbesondere nicht aufgrund der Teilnahme an Vorlesungen über betriebswirtschaftliche oder mathematische Themen über nicht mehr als ein halbes Jahr. Daß der Kläger diese Kenntnisse auf andere Weise erlangt und davon bei seiner Beratungstätigkeit auch Gebrauch gemacht habe, ist nach der zutreffenden Würdigung durch das FG weder aufgrund der Tätigkeit als Flugbetriebsspezialist bei der Bundeswehr noch aufgrund der nichtselbständig und selbständig ausgeübten Tätigkeit als Programmierer und EDV-Berater nachgewiesen worden.
b) Der Kläger hat als EDV-Berater auch keinen einem Katalogberuf ähnlichen Beruf im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeübt.
Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in den wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann. Das typische Bild des Katalogberufs muß mit allen seinen Merkmalen dem Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit vergleichbar sein (BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118). Im Streitfall kommen als ähnlicher Beruf der eines beratenden Betriebswirts oder der eines Ingenieurs in Betracht.
aa) Der Kläger war nicht einem beratenden Betriebswirt ähnlich tätig. Ein einem beratenden Betriebswirt ähnlicher Beruf liegt vor, wenn der ähnliche Beruf auf einer vergleichbar breiten Vorbildung beruht und die Beratungstätigkeit sich auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt (Urteil in BFHE 134, 565, BStBl II 1982, 267).
Für die Anerkennung einer Beratungstätigkeit auf dem Gebiet der Datenverarbeitung als der einem beratenden Betriebwirt ähnlichen Tätigkeit reicht es nicht aus, daß die Beratung bestimmte Hauptbereiche der Betriebswirtschaftslehre berührt. Maßgebend ist nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteile in BFHE 146, 121, BStBl II 1986, 484; vom 11. Dezember 1985 I R 99/85, BFH/NV 1986, 634; vom 19. Juni 1986 V R 11/85, BFH/NV 1986, 670) die Verschiedenheit der Ausbildung, die den jeweiligen Berater zur Ausübung seiner Beratungstätigkeit befähigt. Die Ausbildung des EDV-Beraters weicht von der eines Betriebswirts erheblich ab. Hiernach kann selbst ein Diplom-Kaufmann steuerrechtlich nicht als beratender Betriebswirt beurteilt werden, wenn er nur als EDV-Berater tätig ist, weil er dann eine andere Ausbildung haben muß als ein beratender Betriebswirt (Urteil in BFHE 146, 121, BStBl II 1986, 484).
Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger die für den Beruf des EDV-Beraters typischen Tätigkeiten ausgeübt. Er hat für seine Auftraggeber in nicht nur unwesentlichem Umfang EDV-Programme geschrieben. Außerdem hat er den Einsatz einer EDV-Anlage vorbereitet, indem er betriebliche Probleme - teilweise zusammen mit dem Auftraggeber - analysiert und an den besonderen Möglichkeiten der EDV ausgerichtete Lösungen ausgearbeitet hat. Seine Tätigkeit hat er in den Streitjahren zudem selbst als die eines EDV-Beraters beschrieben. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Es hat nicht berücksichtigt, daß die Tätigkeit des EDV-Beraters sich als eigenständige Berufstätigkeit entwickelt hat. Die eigenständige Berufstätigkeit des EDV-Beraters ist keine einem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit.
bb) Das Urteil des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend dar. Der Kläger hat, soweit er als EDV-Berater an den besonderen Möglichkeiten der EDV ausgerichtete Aufgabenlösungen erarbeitet hat, auch keine einem Ingenieur ähnliche Tätigkeit ausgeübt. Da der Ingenieurberuf eine qualifizierte Ausbildung - den Abschluß eines Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule, einer Ingenieurschule oder eines Betriebsführungslehrgangs an einer Bergschule - voraussetzt (Urteil in BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118 m. w. N.), muß die Ausbildung für den ähnlichen Beruf vergleichbar sein (BFH-Urteil vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584). Das kann bei einem selbständig tätigen graduierten Ingenieur und Diplom-Informatiker (BFH-Urteil vom 4. August 1983 IV R 6/80, BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677) oder bei einem Diplom-Mathematiker (BFH-Urteil vom 19. Juli 1985 III R 175/80, BFHE 144, 413, BStBl II 1986, 15) der Fall sein, wenn er Systemanalysen anfertigt. Der Kläger verfügt nach den Feststellungen des FG aber über keine dem Ingenierberuf vergleichbare Ausbildung.
cc) Dem Anliegen des Klägers, die Tätigkeit eines EDV-Beraters steuerlich als freiberufliche Tätigkeit zu beurteilen, vermag der Senat nicht im Wege der Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu entsprechen. Gerade weil die Entwicklung dieser Betätigung zu einem neuen mit den bisher vorhandenen Katalogberufen nicht vergleichbaren Beruf geführt hat, könnte nur der Gesetzgeber die von dem Kläger begehrte Entscheidung durch eine Erweiterung des Katalogs der freien Berufe treffen.
Fundstellen