Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflegungsmehraufwendungen bei Gemeinschafts verpflegung in den Jahren 1990 und 1991

 

Leitsatz (NV)

Verpflegungsmehraufwendungen waren in den Jahren 1990 und 1991 bei mehrtägigen Dienstreisen dann, wenn eine Gemeinschaftsverpflegung angeboten wurde, nur in Höhe von 25 v. H. des in Betracht kommenden Pauschbetrages zu berücksichtigen, es sei denn, der Arbeitnehmer hat einen höheren Gesamtaufwand durch Vorlage von Rechnungen oder Quittungen nachgewiesen. Bei Gewährung des Pauschbetrages von 25 v. H. wegen des fehlenden Nachweises höherer Aufwendungen konnten die Aufwendungen für die Gemeinschaftsverpflegung nicht zusätzlich abgezogen werden.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1; LStR 1990 Abschn. 39 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1990 und 1991 an eine Fachhochschule abgeordnet. Dort bestand für ihn die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung in der Kantine.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erkannte Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 25 v. H. des Pauschbetrages von 46 DM täglich (Abschn. 39 Abs. 2 Nr. 2 der Lohnsteuer- Richtlinien -- LStR -- 1990) als Werbungskosten des Klägers an.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Kläger pro Tag weitere Verpflegungsmehraufwendungen von 19 DM geltend machte, statt. Es war der Ansicht, die zusätzlichen Kosten seien deshalb anzusetzen, weil nicht davon ausgegangen werden könne, daß der Richtliniengeber mit dem gekürzten Pauschbetrag die teilweise Entgeltlichkeit der angebotenen Gemeinschaftsverpflegung mit abgegolten habe. Die tatsächlichen Kosten für die tägliche Gemeinschaftsverpflegung in der Kantine könnten gemäß dem Vortrag des Klägers auf 19 DM geschätzt werden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 663 veröffentlicht.

Das FA rügt mit der Revision eine Verletzung des § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie des Art. 3 des Grundgesetzes.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Ansicht des FG kann der Kläger Mehraufwendungen für Verpflegung nicht über die vom FA anerkannte Höhe hinaus geltend machen.

Nach Abschn. 39 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 LStR 1990 konnte der Arbeitnehmer dann, wenn während einer mehrtägigen Dienstreise eine Gemeinschaftsverpflegung angeboten wurde, seine Verpflegungsmehraufwendungen im einzelnen nachweisen; statt dessen konnten die Mehraufwendungen im allgemeinen auf mindestens 25 v. H. des in Betracht kommenden Pauschbetrages geschätzt werden. Der Senat hat diese Regelung für eine zutreffende Konkretisierung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Fall gehalten, daß der Arbeitnehmer während einer mehrtägigen Dienstreise die Möglichkeit hatte, an einer Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen (Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 67/88, BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909, 912, linke Spalte, 5. Absatz).

Allerdings hatte der Senat für das Kalenderjahr 1986 und für den Fall der unentgeltlichen Gewährung von Gemeinschaftsverpflegung entschieden, daß das im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung für die Hauptmahlzeiten entrichtete Entgelt neben dem gekürzten Pauschbetrag als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abgezogen werden konnte (BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909, 912, Nr. 4 der Entscheidungsgründe). Er hatte den Abzug einer Haushaltsersparnis bei Ansatz der gekürzten Pauschbeträge nicht für zulässig erachtet, weil eine solche nach § 5 Abs. 7, § 6 Satz 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1984 (LStDV 1984) nur zu berücksichtigen sei, wenn der Steuerpflichtige seine tatsächlichen Aufwendungen für Verpflegung geltend mache.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Rechtsauffassung für die Veranlagungszeiträume vor 1990 zwingend war. Denn jedenfalls hat die für die Streitjahre 1990 und 1991 gültige Lohnsteuer-Durchführungsverordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. Oktober 1989 -- LStDV 1990 -- (BGBl I, 1848, BStBl I, 405) keine vergleichbare Regelung enthalten, auf die der Nichtabzug einer Haushaltsersparnis möglicherweise hätte gestützt werden können.

Nach der in den Streitjahren 1990 und 1991 allein maßgebenden gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG konnte nur ein Mehraufwand für Verpflegung als Werbungskosten abzogen werden. Der Senat hat im Urteil vom 13. Januar 1995 VI R 82/94 (BFHE 176, 419, BStBl II 1995, 324) ausgeführt, die Rechtsprechung habe in der Vergangenheit anerkannt, daß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Abzug von Mehraufwendungen für Verpflegung als Werbungskosten bei einer Auswärtstätigkeit darstellt und § 12 Nr. 1 EStG dem Abzug nicht entgegensteht. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG enthält also keine gesetzliche Grundlage dafür, die gesamten Aufwendungen für Verpflegung ohne Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis als Werbungskosten abzuziehen. Für den Fall einer mehrtägigen Auswärtstätigkeit mit dem Angebot einer Gemeinschaftsverpflegung bedeutet dies, daß der Arbeitnehmer seine tatsächlichen Aufwendungen für die drei Hauptmahlzeiten nur insoweit als Werbungskosten abziehen konnte, als ihm dafür im Vergleich mit seinen Aufwendungen für Verpflegung während der Tätigkeit an der regelmäßigen Arbeitsstätte überhaupt ein Mehraufwand entstanden war. Von dem nachgewiesenen Gesamtaufwand für die drei Hauptmahlzeiten war mithin auf jeden Fall eine Haushaltsersparnis abzuziehen.

Hat der Arbeitnehmer im Falle des Angebots einer Gemeinschaftsverpflegung keine Belege über die Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen für Verpflegung gesammelt, so kann für die drei Hauptmahlzeiten nicht mit hinreichender Gewißheit die Feststellung getroffen werden, daß ihm dafür überhaupt ein höherer Aufwand entstanden ist, als dies bei einer Tätigkeit an der regelmäßigen Arbeitsstätte der Fall gewesen wäre. Denn zum einen steht nicht fest, daß die angebotene Gemeinschaftsverpflegung überhaupt teurer war als dies eine Verpflegung an der regelmäßigen Arbeitsstätte, z. B. in der Kantine des Arbeitgebers, gewesen wäre. Zum anderen kann bei Nichtteilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung gerade bei längerdauernden Dienstreisen am selben Ort nicht ausgeschlossen werden, daß der Arbeitnehmer sich tatsächlich durch Einkäufe in Lebensmittelgeschäften ebenso preiswert verpflegt hat wie zu Hause.

Die Vorentscheidung ist von anderen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat nach den von ihm nicht beanstandeten Feststellungen des FG keine Belege über die Höhe seines Verpflegungsaufwands gesammelt. Es läßt sich deshalb unter Berücksichtigung des Angebots der Gemeinschaftsverpflegung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, daß dem Kläger für die drei Hauptmahlzeiten überhaupt ein höherer Aufwand entstanden ist, als dies während der Tätigkeit an einer regelmäßigen Arbeitsstätte der Fall gewesen wäre. Soweit ein Mehraufwand für Aufwendungen außerhalb der Hauptmahlzeiten anzunehmen ist, hat das FA dies berücksichtigt, indem es Mehraufwendungen in Höhe von 25 v. H. des Pauschbetrages anerkannt hat.

Soweit die Ausführungen des FG auf Seite 7 seines Urteils dahin zu verstehen sein sollten, es halte es für erwiesen, daß dem Kläger "effektiv" höhere Kosten durch Verpflegung in einer Gaststätte entstanden sind, geht das FG bei seiner Sachverhaltswürdigung von einem zu niedrigen Beweismaß aus. Der Kläger hat lediglich behauptet, nicht an der Gemeinschaftsverpflegung teilgenommen, sondern in Gaststätten gegessen zu haben. Er hat keine Indizien vorgetragen, die für die Richtigkeit seiner Behauptung sprechen, daß er sich in Gaststätten verpflegt hat. Den im Falle der Richtigkeit seiner Behauptung ohne weiteres möglichen Nachweis durch Vorlage der Belege der Gaststätte hat der Kläger nach den Feststellungen des FG gerade nicht erbracht

 

Fundstellen

Haufe-Index 421223

BFH/NV 1996, 470

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