Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff der "Geistlichen" im Sinn des § 24 Abs. 1 Buchstabe k des Preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 15. Juli 1893.
Normenkette
GrStG § 4/5/c; GrStDV § 9
Tatbestand
Das Grundstück der Beschwerdeführerin (Bfin.), X-Straße 21/23 in S, wird seit der Einführung des Grundsteuergesetzes (GrStG) am 1. April 1938 nur mit dem Teil zur Grundsteuer herangezogen, in dem sich die Dienstwohnung des Geistlichen befindet. Der Einheitswert für diesen steuerpflichtigen Teil des Grundstücks beträgt 6.700 DM und der Grundsteuermeßbetrag 67 DM.
Am 22. September 1951 hat die Bfin. beantragt, ab 1. April 1951 auch den bisher steuerpflichtigen Teil des Grundstücks von der Grundsteuer zu befreien, da durch das Gesetz zur änderung des Grundsteuergesetzes vom 10. August 1951 die Steuerbefreiung für Dienstwohnungen der Geistlichen wieder eingeführt worden sei (ß 4 Ziff. 5 Buchstabe c GrStG). Die Vorinstanzen haben die Befreiung mit dem Hinweis abgelehnt, daß Dienstwohnungen von Geistlichen neuerlich nur in dem Umfang von der Grundsteuer befreit worden sind, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften befreit waren. Die Dienstwohnung des Geistlichen im Grundstück der Bfin. falle nicht darunter; denn als Geistlicher im Sinn der Befreiungsvorschrift seien nur Geistliche der Evangelischen Landeskirchen und der Römisch-katholischen Kirche zu verstehen.
Demgegenüber macht die Bfin. geltend, daß die Evangelische Gemeinschaft im Jahre 1931 in Preußen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt worden sei. Mit dieser Anerkennung sei sie in die Rechte der bestehenden öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften eingetreten. Das Finanzamt habe die Befreiung des Kirchengebäudes nach § 4 Ziff. 5 Buchstabe a GrStG anerkannt. Es gehe aber nicht an, bei der Auslegung und Anwendung des § 4 GrStG in der Ziff. 5 Buchstabe c das abzulehnen, was nach Ziff. 5 Buchstabe a anerkannt werde. Die Geistlichen der Evangelischen Gemeinschaft seien ebenso wie diejenigen der Evangelischen Landeskirchen Geistliche im Sinn des Gesetzes. Im übrigen sei im Land Württemberg durch die Oberfinanzdirektion Stuttgart erklärt worden, daß die Steuerfreiheit auch für die Dienstwohnungen der Prediger der als öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften anerkannten Körperschaften gewährt werde. Wenn im Lande Nordrhein-Westfalen eine solche Erklärung fehle, so sei das eine bedauerliche Lücke, die den Finanzämtern die Anwendung des § 4 Ziff. 5 Buchstabe C GrStG auf diejenigen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften erschwere, die in den früheren Gesetzen nicht genannt seien, bei denen aber die inneren Voraussetzungen für die Anwendung der Befreiungsvorschrift durchaus gegeben seien.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Das Finanzgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß nach § 4 Ziff. 5 Buchstabe c GrStG Dienstwohnungen von Geistlichen ab 1. April 1951 von der Grundsteuer wieder in dem Umfang befreit worden sind, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften befreit waren. Das strittige Grundstück der Bfin. liegt in einem ehemals Preußischen Gebietsteil, so daß als "maßgebendes Landesgesetz" das Gesetz über die Erhebung einer vorläufigen Steuer von Grundvermögen vom 14. Februar 1923 (Preußische Gesetzsammlung - GS - S. 29) in Betracht kommt. Nach § 15 Abs. 1 dieses Gesetzes wird die Steuer nicht erhoben von allen denjenigen Grundstücken oder Grundstücksteilen, die nach § 24 Abs. 1 b bis k und Abs. 3 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 15. Juli 1893 (GS S. 152) der Steuer vom Grundbesitz nicht unterliegen. In § 24 Abs. 1 Buchstabe k dieses Gesetzes sind Dienstwohnungen der Geistlichen befreit, soweit ihnen bisher Steuerfreiheit zugestanden hat.
Wie die Vorinstanz weiter mit Recht hervorgehoben hat, sind als "Geistliche" im Sinn des § 24 Abs. 1 Buchstabe k des Preußischen Kommunalabgabengesetzes nur Geistliche der "öffentlich" oder "ausdrücklich" aufgenommenen Kirchengesellschaften anzusehen. Darunter fallen lediglich die Evangelischen Landeskirchen und die Römisch-katholische Kirche. Darüber hat in der Rechtsprechung (vgl. insbesondere Entsch. des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Juni 1898, Bd. 33 S. 29, vom 26. Oktober 1911, Bd. 62 S. 291 und vom 4. Juni 1918, Bd. 74 S. 124) und in der Lehre nie ein Zweifel bestanden. Die Evangelische Gemeinschaft, die sich von der Evangelischen Landeskirche getrennt hält und erst im Jahre 1931 als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt worden ist, kann nicht als öffentlich aufgenommene Kirchengesellschaft angesehen werden. Die Auffassung der Bfin., daß die Evangelische Gemeinschaft mit der Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts in die Rechte der bestehenden Religionsgesellschaften eingetreten sei, ist abzulehnen. Die landesrechtlichen Steuerprivilegien der genannten Religionsgesellschaften sind nicht auf andere Religionsgesellschaften erstreckt worden (Entsch. des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 1929, Juristische Wochenschrift - JW - 1931 S. 679). Das ist entgegen der Auffassung der Bfin. weder durch Art. 137 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 noch durch Art. 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (GG) geschehen. Verfehlt ist auch der Hinweis der Bfin. auf § 4 Ziff. 5 Buchstabe a GrStG. In dieser Vorschrift ist ausdrücklich vorgeschrieben, daß Grundbesitz, der dem Gottesdienst einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft gewidmet ist, von der Grundsteuer befreit ist. In § 4 Ziff. 5 Buchstabe c GrStG dagegen ist den Dienstwohnungen von Geistlichen die Steuerbefreiung in dem Umfang zuerkannt, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften bestanden hat. Die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 5 Buchstabe c GrStG ist eine Ausnahme von der Regel der Steuerpflicht. Sie kann und darf nicht aus einer anderen Befreiungsvorschrift, insbesondere nicht aus § 4 Ziff. 5 Buchstabe a GrStG ergänzt oder erläutert werden. Unerheblich ist auch der Hinweis der Bfin. auf eine Verwaltungsanweisung der Oberfinanzdirektion Stuttgart. Im Land Württemberg galten vor der Einführung des GrStG ganz andere landesgesetzliche Vorschriften über die Erhebung von Grund- und Gebäudesteuern als in Preußen. Aus einer Anweisung der Oberfinanzdirektion Stuttgart kann daher nichts für den Steuerfall der Bfin. entnommen werden.
Da somit die Evangelische Gemeinschaft nicht als öffentlich aufgenommene Kirchengesellschaft und ihre Geistlichen nicht als Geistliche im Sinn des § 24 Abs. 1 Buchstabe k des Preußischen Kommunalabgabengesetzes anzusehen sind, ist der geltend gemachte Anspruch der Bfin. auf Befreiung der Dienstwohnung ihres Geistlichen von der Grundsteuer nicht gerechtfertigt. Die Rechtsbeschwerde mußte daher als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 407873 |
BStBl III 1954, 100 |
BFHE 1954, 493 |
BFHE 58, 493 |