Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Ist der Vorstandsvorsitzende einer inländischen Kapitalgesellschaft zugleich deren Gesellschafter und außerdem Vorstandsmitglied einer rechtsfähigen Unterstützungskasse dieser Gesellschaft im Sinne von § 12 KStDV 1953 (ß 11 KStDV 1961), so sind Kredite der Unterstützungskasse an die inländische Kapitalgesellschaft mangels einer kapitalmäßigen Beteiligung des "Doppelgesellschafters" gesellschaftsteuerfrei, wenn die Unterstützungskasse in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins betrieben wird und der "Doppelgesellschafter" bei Auflösung des Vereins satzungsgemäß nicht anteilmäßig als Anfallberechtigter des Vermögens vorgesehen ist.
Normenkette
KVStG § 4
Tatbestand
Streitig ist, ob Gesellschaftsteuerpflicht eintritt, wenn ein Unterstützungsverein der Kapitalgesellschaft ein Darlehen gewährt, aus deren Zuweisungen allein sein Vermögen entstanden ist, sofern der Vorsitzende des Vereinsvorstandes geringfügig als Gesellschafter an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist.
Die Bgin., eine AG, hat von ihrer Werkunterstützungseinrichtung, einer rechtsfähigen Unterstützungskasse im Sinne des § 12 KStDV 1953 (eingetragener Verein), in dem hier maßgebenden Zeitraum ständig Kredite in Anspruch genommen. Während ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Verein am 31. Dezember 1954 1.057.120 DM betrugen, erhöhte sich der Schuldenstand zum 31. Dezember 1957 auf 2.285.000 DM, also um 1.227.880 DM. Das Finanzamt war der Auffassung, daß diese Erhöhung der Kredite des Vereins eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt habe, die gesellschaftsteuerpflichtig sei, da der Vorsitzende des Vorstands des Vereins seit 1956 zugleich Aktionär der Bgin. und deren Vorstandsvorsitzender sei. Bei dem maßgebenden Einfluß des Vorstandsvorsitzenden bei beiden juristischen Personen, die einem geschlossenen wirtschaftlich Machtkreis angehörten, sei es unerheblich, daß er an der Bgin., deren Stammkapital 13 Millionen DM betrage, nur mit Aktien im Nennwert von 7.000 DM, also mit nur rund 0,05 v. H., beteiligt sei. Das Finanzamt setzte daher durch Steuerbescheid vom 12. Oktober 1959 eine Gesellschaftsteuer von 36.870 DM fest, wobei es für die Zeit vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1957 von einer Kreditgewährung von 1.229.000 DM ausging.
Auf die Sprungberufung der Bgin. hob das Finanzgericht den Steuerbescheid auf und stellte sie von der Gesellschaftsteuer mit der Begründung frei, die Kreditgewährung durch den Verein habe nicht gleichzeitig dazu gedient, die wirtschaftlichen Interessen des Doppelgesellschafters zu verfolgen. Sei dies aber nicht der Fall, könne die Kreditgewährung dem Doppelgesellschafter nicht zugerechnet werden.
Mit der Rb. begehrt der Vorsteher des Finanzamts (Bf.) Wiederherstellung des Steuerbescheids. Er macht im Hinblick auf das erst nach Einlegung der Rb. ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs II 19/58 S vom 22. November 1962 (BStBl 1963 III S. 64, Slg. Bd. 76 S. 179) geltend, daß der Vorstandsvorsitzende an dem Verein "beteiligt" im Sinne von § 4 KVStG sei, obwohl er nach der Satzung weder Beiträge zu leisten noch Rechte an der etwaigen Liquidationsmasse habe. Diese Rechtsansicht stützt der Bf. darauf, daß die Vereinsmitglieder sich "freiwillig der ihnen insoweit originär und naturgemäß zustehenden Rechte begeben" hätten. Daß die Mitgliedschaft zu einem Verein auch ohne kapitalmäßige Beteiligung genüge, folge aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 1/59 vom 10. Oktober 1961 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 13 S. 153 ff., BStBl 1961 I S. 716), dem ein insoweit gleichartiger Sachverhalt zugrunde gelegen habe. In diesem Verfahren seien die Voraussetzungen des § 4 KVStG ausdrücklich für gegeben angesehen worden. Komme es aber nur auf die Doppelgesellschafterstellung und eine entsprechende Machtposition in der Geschäftsführung an, so sei dem Doppelgesellschafter der Kredit auch zuzurechnen, da er bei der Bgin. Eigenkapital ersetzt habe.
Entscheidungsgründe
Nach § 4 KVStG 1934/1955 wird die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen, daß Leistungen (ß 2 KVStG) nicht von Gesellschaftern bewirkt werden, sondern von Personenvereinigungen, an denen die Gesellschafter als Mitglieder oder Gesellschafter beteiligt sind. Dabei steht den Leistungen die Gewährung von Darlehen (ß 3 KVStG) gleich. Da der Vorstandsvorsitzende der Bgin. Aktien seiner Arbeitgeberin nach dem vom Bf. nicht bestrittenen Vorbringen im Schriftsatz vom 31. Oktober 1958 erst im Jahre 1956 erworben hat, können die von dem Verein der Bgin. bis dahin gewährten Kredite auch nach der vom Bf. vertretenen Rechtsansicht nicht zugerechnet werden. Damit entfällt schon aus diesem Grunde die Steuerpflicht für Kredite von mindestens 801.221 DM (= 1.858.341 DM - 1.057.120 DM). Es kann unter diesen Umständen auch davon abgesehen werden, auf das offenbare Versehen des Finanzamts bei der Ermittlung des Steuermaßstabes einzugehen, den es statt mit 1.227.880 DM (vgl. S. 2) mit 1.229.000 DM angenommen hat.
Aber auch wegen der noch verbleibenden Kredite kann die Rb. nicht zum Erfolg führen. Nach dem Urteil des erkennenden Senats II 19/58 S vom 22. November 1962 (a. a. O.) ist eine Person an einer Personenvereinigung nur dann im Sinne von § 4 KVStG "beteiligt", wenn sie eine Kapitaleinlage in das Vermögen der Vereinigung geleistet hat; beim Fehlen einer kapitalmäßigen Beteiligung sind die Voraussetzungen des § 4 KVStG nicht erfüllt. Wie der Senat in dieser Entscheidung weiter ausgeführt hat, gestattet auch der Zweck des Gesetzes nicht, den Tatbestand des § 4 KVStG über seinen Wortlaut hinaus auszuweiten. Das Vorbringen des Bf. gibt dem Senat keine Veranlassung, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Es ist insbesondere unbeachtlich, ob Vereinsmitglieder im Regelfall Beiträge zu entrichten haben und dementsprechend auch am Liquidationserlös beteiligt sind, da zwingendes Recht insoweit nicht besteht. Im Gegenteil sind in den §§ 58 Nr. 2 und 45 Abs. 3 BGB auch andere Möglichkeiten der Finanzierung eines Vereins und der Verteilung seiner Liquidationsmasse vorausgesetzt. Haben sich die Vereinsmitglieder im Rahmen der ihnen zustehenden Vertragsfreiheit eine Verfassung gegeben, die eine kapitalmäßige Beteiligung der Mitglieder an dem Vereinsvermögen ausschließt, so hat die Gesellschaftsteuer als eine Rechtsverkehrsteuer von dieser Gestaltung auszugehen. Eine Gesellschaftsteuerpflicht kann mangels einer "Beteiligung" in derartigen Fällen nicht entstehen. Hätte der Gesetzgeber die bloße Mitgliedschaft genügen lassen wollen, so hätte er eine andere Fassung der Vorschrift gewählt. Zu Unrecht beruft sich der Bf. ferner auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 1/59 vom 10. Oktober 1961 (BVerfGE Bd. 13 S. 153, 155). Das Bundesverfassungsgericht hat dort unter A I der Gründe lediglich ausgeführt, daß das Finanzgericht "die Voraussetzungen der §§ 3 und 4 KVStG in der anhängigen Berufungssache als gegeben" ansehe. Es hat also nicht selbst geprüft, ob die Voraussetzungen des § 4 KVStG von dem Finanzgericht zutreffend angenommen worden sind, da es nach seiner ständigen Rechtsprechung für die Frage, ob die verfassungsrechtliche Gültigkeit der zu prüfenden Norm entscheidungserheblich ist, auf die Ansicht des vorlegenden Gerichts ankommt, es sei denn, daß diese Ansicht offensichtlich unhaltbar wäre (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 5/59 vom 7. Juli 1959, BVerfGE Bd. 10 S. 1 ff., 3; 2 BvL 5/60 vom 13. November 1962, BVerfGE Bd. 15 S. 105 ff., 111). Die zuletzt genannte Voraussetzung war aber nicht gegeben, da das Finanzgericht immerhin annehmen konnte, der Tatbestand des § 4 KVStG umfasse auch den zu beurteilenden Sachverhalt.
Die Anwendung dieser Grundsätze kann nur dazu führen, das Urteil der Vorinstanz im Ergebnis auch hinsichtlich der Kredite zu bestätigen, über die noch zu befinden ist. Unstreitig ist der Vorsitzende des Vorstands der Bgin. an dem Verein nicht kapitalmäßig beteiligt. Ein vom Verein der Bgin. eingeräumter Kredit kann daher diesem Vereinsmitglied nicht zugerechnet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 411144 |
BStBl III 1964, 274 |
BFHE 1964, 116 |
BFHE 79, 116 |