Leitsatz (amtlich)

Zur Tarifierung eines Klimaschlauches.

 

Normenkette

GZT ATV 2; GZT ATV 3; GZT Vorschrift 1 r zu Abschn. XI; GZT Tarifnr. 39.07; GZT Tarifnr. 59.15; GZT Tarifnr. 70.20; GZT Tarifnr. 73.14

 

Tatbestand

Die Beklagte (Oberfinanzdirektion – OFD –) erteilte der Klägerin am 29. März 1973 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über einen Klimaschlauch. In der Auskunft wurde die Ware der Tarifst. 39.07 E II des Gemeinsamen Zolltarifs – GZT – (Waren aus Kunststoffen) zugewiesen. Es handelt sich dabei um einen Schlauch aus etwa 12,5 cm breiten, spiralförmig verlaufenden Streifen, die an den Rändern miteinander verklebt sind. Die ca. 0,22 mm dicken Streifen bestehen aus einem Gewebe aus Glasfasern; sie sind beidseitig mit Kunststoff bestrichen und so über eine Spirale aus etwa 1,2 mm dickem Stahldraht gewickelt, daß ein Schlauch mit einem Innendurchmesser von etwa 10 cm entsteht. Der Draht ist von einer weißen, 0,2 mm dicken Kunststoffhülle umgeben; die Windungen der Spirale haben voneinander einen Abstand von ca. 1,5 cm. Die Ware soll als flexibles Luftzuführungsrohr verwendet werden.

Gegen diese Auskunft legte die Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, die Ware gehöre zur Tarifnr. 59.15 GZT (Schläuche aus Spinnstoffen mit Drahteinlage), weil sie aus einem Glasfibergewebe bestünde, das lediglich zum Verschluß der Poren mit Polyvinylchlorid beschichtet sei.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die OFD führte aus, es sei nach der Allgemeinen Tarifierungsvorschrift (ATV) 3 b zu tarifieren. Dabei komme es auf den charakterbestimmenden Bestandteil oder Stoff an. Das sei das mit Kunststoff überzogene Gewebe. Erzeugnisse von der Beschaffenheit dieses Gewebes, in denen ein Glasfasergewebe ganz in einen Kunststoff (Polyvinylchlorid mit Füllstoffen) eingebettet sei, seien zolltariflich Kunststoffe; das Glasfasergewebe diene dem Kunststoff lediglich als Gerüststoff. Kunststoffe seien dem Kap. 39 zuzuweisen. Nach Stoffbeschaffenheit gehörten sie zur Tarifst. 39.07 E II.

Mit der Klage macht die Klägerin geltend, daß die Spirale aus Draht der entscheidende Faktor für die Verwendung der Ware als flexibles Luftzuführungsrohr sei. Sie gewährleiste, daß der Durchmesser unverändert bleibe und es nicht zu einem Abknicken des Schlauches komme. Da die Drahtspirale charakterbestimmend sei, gehöre die Ware zur Tarifnr. 73.14 GZT (Draht aus Stahl, auch überzogen). Hilfsweise trägt die Klägerin vor, die Ware müsse unter Tarifnr. 59.15 eingeordnet werden, da die Tarifnummer mit der genaueren Warenbezeichnung der Tarifnummer mit allgemeiner Warenbezeichnung vorgehe; diese Bezeichnung sei nämlich sehr viel genauer als die der Tarifst. 39.07 E II. Weiter hilfsweise trägt die Klägerin noch vor, daß die Ware einen hohen Anteil von Glasfibergewebe aufweise, was die Einordnung unter die Tarifst. 70.20 B rechtfertige. Die Klägerin beantragt die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die in Frage stehende Ware bei der Bundesanstalt für Materialprüfung.

Die Klägerin stellt den Antrag, die vZTA aufzuheben und festzustellen, daß die Ware zur Tarifnr. 73.14 gehört, hilfsweise zur Tarifnr. 59.15, hilfweise zur Tarifst. 79.20 B.

Die OFD beantragt, die Klage abzuweisen. Sie führt aus, den Charakter der Ware bestimme der schlauchförmig gewickelte Streifen aus einem mit Kunststoff beidseitig überzogenen Glasfasergewebe; er sei das eigentliche Luftzuführungsrohr, das den Durchfluß des Mediums ermögliche. Die Spirale aus Stahldraht verleihe dem Klimaschlauch zwar Stabilität, sie trete aber in ihrer Bedeutung in bezug auf seine Verwendung gegenüber dem Streifen zurück; denn entscheidend sei die Luftundurchlässigkeit. Der Schlauch sei deshalb so zu tarifieren, als bestünde er ganz aus Streifen aus einem beidseitig mit Kunststoff überzogenen Gewebe aus Glasfasern. Streifen dieser Beschaffenheit, in denen ein Glasfasergewebe ganz in einen Kunststoff eingebettet sei, seien zolltariflich Kunststoffe. Die Ware sei deshalb zutreffend als Ware aus Kunststoff der Tarifst. 39.07 E II zugewiesen worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Für die Tarifierung maßgebend ist der Gemeinsame Zolltarif (Verordnung [EWG] Nr. 950/68 – VO [EWG] Nr. 950/68 – vom 28. Juni 1968, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 172 vom 22. Juli 1968 S. 1). Die aus einem beidseitig mit Kunststoff überzogenen Gewebe aus Glasfasern und einem mit Kunststoff ummantelten Stahldraht zusammengesetzte Ware ist in dieser Form in keiner Tarifstelle des Gemeinsamen Zolltarifs unmittelbar erfaßt. Sie ist deshalb nach der ATV 2 b nach den Grundsätzen der ATV 3 zu tarifieren.

Nach der ATV 3 a geht, wenn für die Tarifierung einer Ware zwei oder mehr Tarifnummern in Betracht kommen, die Tarifnummer mit der genaueren Warenbezeichnung den Tarifnummern mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt in diesem Sinne nicht in Betracht die Tarifnr. 59.15 (Schläuche aus Spinnstoffen); denn nach Vorschrift 1 r zu Abschn. XI gehören Glasfasern und Waren daraus nicht zu diesem Abschnitt. Nach der Zusammensetzung der Ware kommen also lediglich die Tarifnrn. 70.20 (Glasfasern und Waren daraus), 39.07 (Waren aus Kunststoffen) und 73.14 (Draht aus Stahl) in Betracht. Da keine der genannten Tarifnummern im Vergleich zu den anderen eine genauere Warenbezeichnung enthält, scheidet eine Tarifierung nach der ATV 3 a aus.

Nach der ATV 3 b ist daher für die Tarifierung der charakterbestimmende Bestandteil oder Stoff der Ware maßgebend, wenn dieser ermittelt werden kann. Die vZTA und die Einspruchsentscheidung der OFD gehen zu Recht davon aus, daß im Hinblick auf den Verwendungszweck der Ware als Luftzuführungsrohr die den Schlauch bildende und die Luft führende Ummantelung der Drahtspirale den Charakter der Ware bestimmt. Die Ware ist also so zu tarifieren, als bestünde sie ganz aus den glasfaserverstärkten Kunststoffstreifen.

Für die Tarifierung des Kunststoffstreifens kommen wiederum zwei Tarifnummern in Betracht, und zwar eine Tarifnummer aus dem Kap. 39 (Kunststoffe) und die Tarifnr. 70.20 (Glasfasern und Waren daraus). Nach der ATV 3 ist daher auch hier maßgebend die Tarifnummer mit der genaueren Warenbezeichnung (ATV 3 a) oder – da eine solche hier nicht erkennbar ist – der charakterbestimmende Stoff oder Bestandteil (ATV 3 b). Das ist nach Aussehen und Verwendungszweck die Kunststoffbeschichtung; denn wie die Drahtspirale im Verhältnis zur Ummantelung tritt auch der im Kunststoff eingebettete Gerüststoff an Bedeutung zurück hinter der Kunststoffolie. Die Ware ist daher in das Kap. 39 GZT einzuordnen. Dies wird bestätigt durch die Erläuterungen zum Brüsseler Zolltarifschema zu Kap. 39 Teil I Rdz. 10, 17, 21 und 23, wonach Streifen aus Gewebe, die mit Kunststoff getränkt, bestrichen oder überzogen sind, zu Kap. 39 gehören, wenn das Gewebe ganz in Kunststoff eingebettet ist. Das ist hier der Fall. Die Kunststoffbeschichtung besteht aus Polyvinylchlorid. Dieser Stoff ist für die Tarifierung maßgebend, obwohl ihm zur Erhöhung der Temperaturbeständigkeit Aluminiumstaub beigemischt ist; denn nach der ATV 2 b gilt jede Anführung eines Stoffes in einer Tarifnummer für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen (vgl. auch die Erläuterungen zum Brüsseler Zolltarifschema zu Kap. 39 Teil I Rdz. 10, 18). Die Ware ist daher der Tarifst. 39.07 E II zuzuordnen, wie dies in der vZTA und der Einspruchsentscheidung geschehen ist. Bei dieser Sach- und Rechtslage hielt es der erkennende Senat nicht für erforderlich, das von der Klägerin beantragte Sachverständigengutachten anzufordern.

Die Tarifierung gründet sich auf den unzweideutigen Wortlaut der Warenbeschreibungen und der Vorschriften des Gemeinsamen Zolltarifs. Da die angezogenen Bestimmungen keine Zweifelsfragen lassen, die zu verschiedenen gleichwertigen Entscheidungen führen könnten, hielt der erkennende Senat eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht für geboten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514639

BFHE 1975, 165

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