Leitsatz (amtlich)
Enthält die Rechtsmittelbelehrung eines Urteils eines FG keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Verfahrensrevision nach § 116 FGO, so ist sie unvollständig. Eine Rechtsmittelbelehrung über eine Revision ist auch dann unrichtig erteilt, wenn nicht über den Lauf der Revisionsbegründungsfrist belehrt wird.
Orientierungssatz
Ist die Rechtsmittelbelehrung eines Urteils eines FG unrichtig, wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt. Das gilt selbst dann, wenn die unrichtige Belehrung für die Fristversäumung nicht ursächlich war (Literatur).
Normenkette
FGO § 55 Abs. 2, §§ 116, 120 Abs. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat im vorliegenden Verfahren die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) abgewiesen. Das FG-Urteil wurde dem Kläger am 25.Juli 1985 zugestellt. Es enthält eine "Rechtsmittelbelehrung", die in "Revision" und "Nichtzulassungsbeschwerde" unterteilt ist. Der Teil "Revision" ist gestrichen. In dem Teil "Nichtzulassungsbeschwerde" ist u.a. wörtlich ausgeführt: "Wird die Revision zugelassen, so beginnt mit der Zustellung des Zulassungsbeschlusses der Lauf der Revisionsfrist . - Im übrigen wird auf §§ 115 ff, 128 ff der Finanzgerichtsordnung ... verwiesen."
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat die Revision zugelassen. Dem Zulassungsbeschluß vom 6.Oktober 1986 V B 44/85 ist eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt. Der Zulassungsbeschluß wurde dem Kläger am 14.Oktober 1986 zugestellt.
Mit einem am 12.November 1986 eingegangenen Schriftsatz legte der Kläger Revision ein. Er wies gleichzeitig darauf hin, daß er die Revisionsbegründung nachreichen werde.
Mit Schreiben vom 22.Dezember 1986 teilte die Geschäftsstelle des erkennenden Senats dem Kläger mit, daß die Revisionsbegründungsfrist am 15.Dezember 1986 abgelaufen sei und daß eine Revisionsbegründung noch nicht vorliege.
Am 9.Januar 1987 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) die Revisionsbegründung des Klägers ein. In einem weiteren Schriftsatz, der an demselben Tag beim BFH eingereicht worden ist, teilte der Kläger mit, in der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils sei nicht auf den Lauf der Revisionsbegründungsfrist hingewiesen worden. Er habe auch keine Zeit gefunden, die entsprechenden Vorschriften nachzulesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, insbesondere ist die Revisionsbegründungsschrift des Klägers rechtzeitig eingegangen.
1. Die Rechtsmittelbelehrung des FG ist unrichtig.
In der Rechtsmittelbelehrung muß angegeben werden, welches Rechtsmittel zulässig ist. Da die Rechtsmittelbelehrung im Streitfall keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Verfahrensrevision nach § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) --ohne vorherige Nichtzulassungsbeschwerde-- enthält, ist sie schon aus diesem Grund unvollständig. Der Hinweis auf die "§§ 115 ff" FGO kann nicht als solcher auf diese Verfahrensrevision verstanden werden, schon weil er unter der Überschrift "Nichtzulassungsbeschwerde" steht.
Die Rechtsmittelbelehrung leidet noch an einem weiteren Mangel. Sofern ein Rechtsmittel zwingend der Begründung bedarf, wie die Revision, muß auch hierüber --einschließlich der für die Begründung bestehenden weiteren Frist-- belehrt werden (vgl. BFH-Urteile vom 15.Juli 1966 VI R 80/86, BFHE 86, 543, BStBl III 1966, 595; vom 3.Juli 1967 IV R 70/66, BFHE 89, 259, BStBl III 1967, 613; siehe auch Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 55 Anm.12). Dies mußte bereits im Urteil des FG geschehen, weil nach der dem FG-Urteil beigegebenen Rechtsmittelbelehrung zu beurteilen ist, ob die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist in Lauf gesetzt worden sind (vgl. BFH-Beschluß vom 12.Januar 1968 VI R 140/67, BFHE 90, 395, BStBl II 1968, 121).
2. Da die Rechtsmittelbelehrung folglich unrichtig ist, wurde die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt (arg. e. § 55 Abs.2 FGO). Das gilt selbst dann, wenn die unrichtige Belehrung für die Fristversäumung nicht ursächlich war (vgl. Gräber, a.a.O.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 55 FGO Tz.8). Es genügt die abstrakte Möglichkeit, daß durch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung ein Irrtum über die Möglichkeit und die Modalitäten der Einlegung eines Rechtsmittels hervorgerufen werden kann.
Da die Revisionsbegründungsschrift innerhalb der Jahresfrist des § 55 Abs.2 FGO eingegangen ist, ist die Revision mithin zulässig. Einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es deshalb nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 414997 |
BStBl II 1987, 438 |
BFHE 149, 120 |
BFHE 1987, 120 |
DB 1987, 1337-1337 (S) |
DStR 1987, 424-424 (ST) |
HFR 1987, 352-352 (ST) |