Leitsatz (amtlich)
Die Beförderung von Seegut (§ 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB) vom Schiff ist nur umsatzsteuerfrei, wenn die Beförderungsleistung in dem Seehafenplatz, in dem entladen wurde, beginnt und endet.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 2a; UStDB § 28 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige betreibt ein Fuhrunternehmen. Sie führt hauptsächlich den Transport von frischen Seefischen mit Lastkraftwagen durch. Streitig ist, ob die Steuerpflichtige für die Beförderungsleistung von frischen Seefischen von der Auktionshalle in Bremerhaven zum Fischgroßhändler in Cuxhaven die Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB beanspruchen kann.
Durch die Reedereien werden frische Seefische in den Seehafenplätzen angelandet und dort von Fischgroßhändlern in den Auktionshallen erworben. Zur Befriedigung des täglichen Bedarfs kaufen die Fischgroßhändler nicht nur an einem Seehafenplatz ein, sondern an mehreren und versenden die erworbenen Frischfische an Seehafenplätze, an denen sie ihren Bedarf aus der Anlieferung für bestimmte Sorten oder Mengen nicht dekken können. Die Steuerpflichtige übernimmt mit ihren Lastkraftwagen für die Fischgroßhändler die Beförderung ab Auktionshalle des Seehafenplatzes in Bremerhaven zum Fischgroßhändler im Seehafenplatz Cuxhaven und umgekehrt. Sie ist der Auffassung, daß die Beförderungsleistung entsprechend einer großzügigen und wirtschaftlichen Auslegung der §§ 4 Ziff. 2a UStG, 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB von der Umsatzsteuer freigestellt werden müsse, und gab entsprechende Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1958 und 1959 ab.
Auf Grund der Feststellungen eines Betriebsprüfers im Jahre 1960 unterwarf das Finanzamt die genannten Beförderungsleistungen durch erstmalige Veranlagungen für die Jahre 1958 und 1959 der Umsatzsteuer.
Die Sprungberufung der Steuerpflichtigen hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht stellte die Beförderungsleistungen, soweit sie innerhalb des Gebiets der beiden Seehafenplätze bewirkt wurden, von der Umsatzsteuer frei, soweit dagegen die Beförderung auf dem Gebiet zwischen den Seehafenplätzen vorgenommen wurde, unterwarf es diese Leistungen der Umsatzsteuer. Dementsprechend teilte das Finanzgericht die Umsätze der Steuerpflichtigen in 1/3 steuerfreie und 2/3 steuerpflichtige Umsätze auf.
Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts. Der Bf. ist der Ansicht, daß die Beförderungsleistungen der Steuerpflichtigen in vollem Umfang der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB sei eng auszulegen und könne nur so verstanden werden, daß die Beförderungen innerhalb eines Seehafenplatzes von der Umsatzsteuer freigestellt seien. Beförderungen aus dem Seehafenplatz hinaus in einen anderen Seehafenplatz fielen nicht unter die Befreiungsvorschrift.
In ihrer Anschlußbeschwerde macht die Steuerpflichtige geltend, die gesamte Beförderungsleistung, also auch diejenige, die auf das Gebiet zwischen den Seehafenplätzen entfalle, sei steuerfrei. Dies erfordere eine wirtschaftliche Auslegung des § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB unter Berücksichtigung des Sinnes und Zweckes dieser Bestimmung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Gemäß § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB ist in einem Seehafenplatz die Beförderung von Fracht- oder Schiffsgut, das mit einem Schiff zur See angekommen ist oder abgehen soll (Seegut), von und zu diesem Schiff von der Umsatzsteuer freigestellt. Die genannte Bestimmung begünstigt, wie sich auch aus der Überschrift ergibt, Beförderungsleistungen im sogenannten Umschlagverkehr in Seehafenplätzen. Hierunter sind nur solche Beförderungsleistungen zu verstehen, die innerhalb eines Seehafenplatzes vom Schiff zu einem Abnehmer innerhalb dieses Seehafenplatzes oder in umgekehrter Reihenfolge vorgenommen werden.
Das Finanzgericht geht zu Recht davon aus, daß durch § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB nur Leistungen begünstigt sind, die in den Seehafenplätzen tatsächlich bewirkt werden (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs V 262/54 U vom 8. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 117, Slg. Bd. 60 S. 306; V 240/55 U vom 21. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 58, Slg. Bd. 62 S. 158). Es verkennt aber den Sinn und Zweck der Vorschrift, wenn es die Begünstigung auf Beförderungsleistungen ausdehnt, die über das Gebiet des Seehafenplatzes hinausgehen. Für die Auslegung der Vorschrift ist von ihrer Entstehungsgeschichte auszugehen. Die in § 28 UStDB enthaltenen Befreiungen sind vor allem zur steuerlichen Entlastung der in § 4 Ziff. 2a UStG von der Umsatzsteuer befreiten Lieferungen geschaffen worden. § 4 Ziff. 2a UStG stellt nur Lieferungen in Seehafenplätzen unter den vorgesehenen Voraussetzungen von der. Umsatzsteuer frei, nicht aber sonstige Leistungen. Der mit dieser Bestimmung verfolgte, auch heute noch bedeutsame wirtschaftspolitische Zweck, nämlich eine Belebung des Seehandels zu erreichen (vgl. Begründung zum UStG 1934, RStBl 1934 S. 1549 ff., S. 1551), wird durch die Freistellung verschiedener sonstiger Leistungen, darunter der Beförderung zum oder vom Schiff in einem Seehafenplatz, in § 28 UStDB noch unterstützt. Diese Zielsetzung ergibt sich bereits aus der Verordnung über Befreiung von der Umsatzsteuer von Leistungen in Seehäfen vom 17. März 1928 (RGBl 1928 I S. 69). § 1 dieser Verordnung bezweckte die Umsatzsteuerbefreiung einer Reihe von Leistungen, die in Seehafenplätzen bei der Ein- und Ausfuhr vorgenommen werden, ausschließlich zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Seehäfen (vgl. Nr. 3 Reichsratsdrucksache 1928, abgedruckt bei Popitz-Kloß-Grabower, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl., S. 440). Die Vorschrift ist später als § 19 in die UStDB 1934 aufgenommen worden (vgl. RStBl 1934 S. 1171 f., S. 1176) und besteht heute in § 28 UStDB fort. Aus der Entstehungsgeschichte des § 28 UStDB ergibt sich somit als Sinn und Zweck der Bestimmung, daß Leistungen, die mit den in § 4 Ziff. 2a UStG begünstigten Lieferungen eng zusammenhängen, von der Umsatzsteuer freigestellt werden sollen. An den Grundgedanken und entscheidenden Voraussetzungen der Begünstigung hat sich durch verschiedene Änderungen der Bestimmung nichts geändert. Die Änderungen dienten lediglich, wie der Senat bereits früher festgestellt hat (vgl. Entscheidung V 73/58 U vom 28. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 148, Slg. Bd. 70 S. 396), der Klarstellung und Anpassung an die geänderten sonstigen umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften.
Dieser Zweck der Bestimmung kommt auch durch den Wortlaut klar zum Ausdruck, wenn dort nur "Leistungen in einem Seehafenplatz" begünstigt sind. Für die Befreiung kommen hiernach, soweit es sich um Beförderungen vom Schiff handelt, nur Beförderungsleistungen in Betracht, die sich an die Entladung anschließen und sich nicht über das Gebiet des Seehafenplatzes hinaus erstrecken. Die Beförderungsleistungen sollen nach dem Willen des Verordnungsgebers nur dann begünstigt sein, wenn sie unmittelbar dem Umschlagverkehr dienen. Noch § 19 UStDB 1934 hatte lediglich eine Beförderung zu Wasser begünstigt, während § 27 Abs. 1 UStDB 1938 eine Erweiterung der Bestimmung insofern brachte, als nunmehr schlechthin die Beförderung von Seegut ab Schiff oder ab Kai in einem Seehafenplatz begünstigt sein sollte. Wenn aber eine Beförderungsleistung nicht mehr dem Umschlagverkehr in einem Seehafenplatz dient, sondern sich darüber hinaus erstreckt, ist sie nicht mehr begünstigt. Die gesamte Beförderungsleistung ist einheitlich zu sehen und überschreitet damit im gegebenen Fall den sich bereits aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB ergebenden Rahmen, denn aus der Formulierung "in einem Seehafenplatz" kann nach der Entstehungsgeschichte der Bestimmung nur gemeint sein, daß Beginn und Beendigung der Beförderungsleistung innerhalb des Seehafenplatzes liegen müssen. Geht die Beförderungsleistung über den Seehafenplatz hinaus, ist sie als ganzes nicht mehr im Seehafenplatz erbracht. Eine Aufteilung der Beförderungsleistung in eine solche innerhalb des Seehafenplatzes und in eine solche, die außerhalb des Seehafenplatzes erbracht wird, widerspricht dem Grundgedanken der Begünstigung von Leistungen des Umschlagverkehrs.
Soweit die Beförderungsleistungen im gegebenen Fall noch in einen zweiten Seehafenplatz hineinreichen, kann eine Vergünstigung insoweit auch deshalb nicht gewährt werden, weil in dem zweiten Seehafenplatz keine Beförderung vom Schiff oder zum Schiff vorgenommen wird. Demgegenüber kann auch der Einwand, daß gerade bei Fischen ein Warenaustausch zwischen den Seehafenplätzen unumgänglich sei, zu keiner anderen Beurteilung führen.
Nach alledem führt die Rb. zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die Anschlußbeschwerde der Steuerpflichtigen kann aus den dargetanen Gründen keinen Erfolg haben. Die Sache ist spruchreif. Die Sprungberufung der Steuerpflichtigen gegen die Steuerbescheide des Finanzamts vom 6. April 1961 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 411180 |
BStBl III 1964, 289 |
BFHE 1964, 159 |