Leitsatz (amtlich)
Beförderungsleistungen im Sinne der Vorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 1 AusfFördG bewirkt neben dem Reeder und dem Ausrüster auch der Verfrachter, der nicht selbst Reeder oder Ausrüster ist. Soweit die Bestimmung des § 7 AusfFördDV diesen außer Betracht läßt, schränkt sie die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 1 AusfFördG in unzulässiger Weise ein.
Normenkette
AusfFördG § 1 Abs. 4 Nr. 1; AusfFördDV § 7
Tatbestand
Streitig ist, ob sich die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr (AusfFördDV) vom 7. September 1951 (BStBl I 1951, 581) im Rahmen der Ermächtigung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr (AusfFördG) vom 28. Juni 1951/18. September 1953 (BStBl I 1951, 228; BStBl I 1953, 402) hält und ob – bejahenden- wie verneinendenfalls – die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) die Voraussetzungen der Vorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 1 AusfFördG erfüllt hat.
Die Steuerpflichtige führte im Streitjahr 1953 See-, Küsten- und Binnenschiffahrtstransporte durch. Da der eigene Frachtraum der Steuerpflichtigen hierfür nicht ausreichte, schloß sie mit anderen Reedern Charterverträge ab über Schiffe unter Bundesflagge wie auch über Schiffe unter ausländischen Flaggen. Die Charterverträge betrafen in beiden Fällen entweder konsekutive Reisen oder Einzelreisen (Spotcharter); über fremde Schiffe unter Bundesflagge wurden auch Zeitcharterverträge geschlossen.
Die Steuerpflichtige nahm für sämtliche von ihr erzielten Frachteinnahmen, bei denen die Schiffe mindestens einen ausländischen Hafen angelaufen hatten, die Steuervergünstigung nach § 1 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 AusfFördG in Anspruch. Nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 AusfFördG sind sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 1 „Beförderungsleistungen von Handelsschiffen und Binnenschiffen auf Grund von Fracht- oder Überfahrtverträgen im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen”. Demgegenüber versagte der Revisionskläger (das Finanzamt – FA –) der Steuerpflichtigen die Vergünstigung für einen Teil ihrer Frachteinnahmen. Das FA berief sich dabei auf die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 AusfFördDV, die – gestützt auf die der Bundesregierung in § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AusfFördG erteilte Ermächtigung, „zur Durchführung dieses Gesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen über eine nähere Bestimmung der Begriffe … Beförderungsleistungen der Handelsschiffe und Binnenschiffe …” – die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 1 AusfFördG wie folgt interpretiert:
„Beförderungsleistungen im Sinn des § 1 Absatz 4 Ziffer 1 des Gesetzes liegen vor, wenn sie bewirkt werden
- in der Seeschiffahrt durch Schiffe, die die Bundesflagge führen oder die unter einer fremden Flagge von deutschen Reedern (§§ 484 ff. des Handelsgesetzbuchs) oder Ausrüstern (§ 510 des Handelsgesetzbuchs) auf Grund von Mietverträgen zur Bewirkung von Beförderungsleistungen verwendet werden;
- …”
Es war zu dem Ergebnis gekommen, daß die Steuerpflichtige die Schiffe unter ausländischer Flagge nicht auf Grund reiner Mietcharter (bare-boat-charter) und damit nicht als Ausrüster verwendet habe.
Das Finanzgericht (FG) gab der Berufung der Steuerpflichtigen gegen den Steuerbescheid vom 26. Juli 1963 (§ 261 der Reichsabgabenordnung – AO – a. F.) statt. Gegen seine Entscheidung richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA. Der vom Senat zum Beitritt zum Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO aufgeforderte Bundesminister der Finanzen (BdF) hat seinen Beitritt abgelehnt, da der Klärung der streitigen Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus keine Bedeutung mehr zukommen dürfte.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob die in § 10 Abs. 1 Buchst. a AusfFördG erteilte Ermächtigung dem Grundsatz des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) entspricht, da sich die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 AusfFördDV nicht im Rahmen der von ihr interpretierten Gesetzesvorschrift und damit nicht im Rahmen der Ermächtigung hält.
2. Betrachtet man die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 1 AusfFördG und die Ermächtigung in § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AusfFördG, unter anderen Begriffen den Begriff der „Beförderungsleistungen der Handelsschiffe und Binnenschiffe” näher zu bestimmen, einerseits und die Bestimmungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AusfFördDV andererseits, so ergibt sich, daß diese Bestimmungen den genannten Begriff einmal vom Begriff des Beförderungsunternehmers, zum andern vom Begriff des Frachtvertrages – als eines Vertrages zur Beförderung von Gütern (Stückgutfrachtverträge, Raumfrachtverträge) – her definieren. Sie halten sich damit – wenn auch zugleich die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 1 AusfFördG in unzulässiger Weise einengend – im Rahmen des Gesetzes.
Steuerbegünstigt sind nach dieser Vorschrift unter anderem Unternehmer (§ 3 Abs. 1 AusfFördG), die vermittels Handelsschiffen auf Grund von Frachtverträgen im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen Beförderungsleistungen durchführen. Als solche Unternehmer sind indes nicht nur Reeder oder Ausrüster anzusehen, sondern auch Verfrachter. Reeder ist nach § 484 HGB der Eigentümer eines ihm zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffes. Ausrüster ist nach § 510 HGB, wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zum Erwerb durch die Seefahrt für eigene Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut. Verfrachter ist, wer es übernimmt, im eigenen Namen die Beförderung von Gütern über See auszuführen. Der Verfrachter braucht nicht Reeder oder Ausrüster zu sein; er kann die Güter auch durch einen Reeder oder Ausrüster befördern lassen, indem er mit diesen Hauptfrachtverträge – unter anderen über das ganze Schiff – abschließt (vgl. Prüssmann, Seehandelsrecht, 1968, Anm. II A 1 vor § 556; Schlegelberger-Liesecke, Seehandelsrecht, 2. Aufl., Tz. 10, 11, 13 Einf. § 556, Tz. 2, 3 zu § 605 HGB).
Soweit die Steuerpflichtige nach herrschender Meinung nicht als Ausrüster im Sinne des § 510 HGB angesehen werden kann, als sie die von ihr verwendeten Schiffe unter ausländischer Flagge nicht auf Grund reiner Mietcharter (bare-boat-charter) und unter Führung eines allein von ihr abhängigen Kapitäns einsetzte, war sie jedoch im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber (Befrachter) Verfrachter. Der zwischen der Steuerpflichtigen und ihrem Auftraggeber geschlossene Frachtvertrag ist ein Unterfrachtvertrag im seerechtlichen Sinne und unabhängig von dem Hauptfrachtvertrag (dem von ihr mit dem fremden Reeder geschlossenen Chartervertrag mit Employment-Klausel, auf Grund dessen der Steuerpflichtigen außer dem Schiff auch der vom Eigentümer des Schiffs angestellte Kapitän kraft Dienstverschaffungsvertrag zur zeitweiligen Dienstleistung überlassen und innerhalb der Vertragsgrenzen unter ihre Befehlsgewalt gestellt wurde).
Wenn die Bestimmungen des § 7 AusfFördDV offenbar davon ausgehen, daß Reeder und Verfrachter oder Ausrüster und Verfrachter identisch seien, obwohl dies in der Praxis sehr oft nicht der Fall ist (vgl. Prüssmann, a. a. O., Anm. A zu § 556; Schlegelberger-Liesecke, a. a. O., Tz. 19 Einf. § 556), so engen sie mit dieser ihrer Auslegung die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 1 AusfFördG in einer von dieser nicht gebotenen Weise ein, da auch der Verfrachter, der nicht selbst Reeder oder Ausrüster ist, Beförderungsleistungen mittels Handelsschiffen auf Grund von Frachtverträgen im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen durchführt.
Fundstellen
Haufe-Index 514566 |
BFHE 1969, 130 |