Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Auch Land- und Forstwirte, deren Gewinne nach der VOL zu ermitteln sind, haben den bei der Veräußerung oder Aufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes (Teilbetriebes) sich ergebenden Veräußerungsgewinn im Sinne von § 14 EStG zu versteuern.
Normenkette
EStG § 14/1, § 29/1/1, § 34/2/1; VOL Abs. 2; VOL § 3; BewG § 31
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) hat am 1. Mai 1951 die Pachtung der Landwirtschaft, deren Gewinne nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) vom 2. Juni 1949 versteuert wurden, aufgegeben und das tote und lebende Inventar im Wege einer freiwilligen Versteigerung veräußert. Das Finanzamt errechnete aus dem Verkauf des Viehbestandes einen Veräußerungsgewinn von 13.545 DM, indem es dem Erlös von 25.011 DM die Durchschnittswerte für Vieh nach der für buchführende Landwirte geltenden Regelung mit 11.466 DM gegenüberstellte. Beim toten Inventar ging es davon aus, daß ein überschuß nicht erzielt worden sei.
Steuerausschuß wie Finanzgericht haben die Heranziehung des Veräußerungsgewinnes, den das Finanzamt neben dem laufenden Gewinn ohne Tarifermäßigung nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteuert hatte, für nicht berechtigt gehalten. In der Vorentscheidung wird hierzu, nachdem unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs allgemein zu § 14 EStG Stellung genommen ist, ausgeführt: Zwar sei die mit der Aufgabe des Betriebes verbundene Veräußerung von Inventarbeständen als letzte Betriebshandlung zu werten, ob sie aber zu einem Veräußerungsgewinn geführt habe, sei, da § 14 EStG keinen besonderen Gewinnbegriff, d. h. keine neue Einkommensquelle, schaffen wollte, nach den Gewinnermittlungsgrundsätzen zu entscheiden. Auf Grund der Durchschnittsätze nach der VOL werde nicht der tatsächliche, sondern ein auf der Grundlage der Einheitswerte errechneter, durchschnittlich nachhaltig erzielbarer Reinertrag erfaßt, der den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles nicht Rechnung trage und auch nicht tragen könne. Es widerspreche dem Wesen der Durchschnittsbesteuerung, einzelne, außerhalb der VOL liegende individuelle Betriebsvorgänge bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Das würde aber geschehen, wollte man dem Veräußerungserlös für das verkaufte Vieh nur für buchführende Landwirte geltende Durchschnittswerte als fiktive Buchwerte gegenüberstellen; ein solcher Bestandsvergleich verstoße gegen den Aufbau der VOL. Der landwirtschaftliche Gewinn sei im ganzen nach dieser Verordnung zu ermitteln, ohne daß daneben ein durch die Aufgabe der Pacht veranlaßter, durch Bestandsvergleich oder überschußrechnung gesondert ermittelter Gewinn angesetzt werden könne. § 14 EStG biete hierfür keine Handhabe. Gegen das Verfahren des Finanzamts beständen auch wirtschaftliche Bedenken, da nach der VOL landwirtschaftliche Gewinne ohne Rücksicht darauf zu versteuern seien, in welcher Höhe der Steuerpflichtige in den einzelnen Jahren tatsächlich Erträge aus der Viehhaltung gehabt habe. Die Heranziehung von Veräußerungsgewinnen über die VOL hinaus berge also die Gefahr einer Doppelbesteuerung in sich. Die Inventarveräußerung rechtfertige auch keinen Zuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL. Dafür sei nur bei außergewöhnlichen Betriebseinnahmen, die bei der Einheitswertfeststellung als nachhaltiger Ertrag nicht berücksichtigt worden seien, Raum. Solche lägen aber angesichts des von dem Stpfl. gehaltenen normalen Viehbesatzes nicht vor. Der Umstand allein, daß der gesamte Viehbestand im Laufe des hier maßgebenden Wirtschaftsjahres veräußert worden sei, reiche für eine Zuschlagsfestsetzung nicht aus; der Erlös müsse durch die auf dem Einheitswert beruhende Gewinnermittlung als abgegolten angesehen werden.
Dieser Beurteilung tritt der Vorsteher des Finanzamts, der im übrigen im Berufungsverfahren der Anwendung des § 34 EStG zugestimmt hat, unter Hinweis auf das in der "Information" Ausgabe L Nr. 21 vom 10. November 1953 S. 340 bekanntgegebene, amtlich nicht veröffentlichte, die Anwendung des § 14 EStG bejahende Urteil des Senats IV 401/52 vom 20. März 1953 entgegen.
Entscheidungsgründe
Die auf Nichtanwendung des § 34 EStG gestützte Rüge ist begründet.
In der Entscheidung IV 401/52 wird ausgeführt, § 14 EStG fordere die Besteuerung der durch die Veräußerung oder Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebes erzielten Gewinne uneingeschränkt; die Vorschrift mache keinen Unterschied, ob es sich um buchführende oder nichtbuchführende Landwirte handle. Ebensowenig könne aus dem Wesen und dem der Vereinfachung dienenden Zweck der auf § 29 EStG und der VOL beruhenden Gewinnberechnung nach Durchschnittsätzen die Nichterfassung von Veräußerungsgewinnen gefolgert werden, zumal § 14 EStG durchaus zweischneidig sei und sich auch zugunsten der Steuerpflichtigen auswirken könne. Weder das EStG noch die VOL hätten irgendwie zum Ausdruck gebracht, daß bei den nach der VOL besteuerten Landwirten auf die Heranziehung von Veräußerungsgewinnen zu verzichten sei. Die dieser Auslegung entgegenstehende Auffassung des Finanzgerichts verkennt die Bedeutung des § 29 und der hierauf beruhenden VOL. Aus dem Begriff "Durchschnittsätze" ergibt sich bereits, daß damit nur der laufende Gewinn erfaßt werden soll. Veräusserungsgewinne könnten ihrer Natur nach nicht im Wege von Durchschnittsberechnungen ermittelt werden; ihre Berechnung erfordert eine Berücksichtigung der im Einzelfall vorliegenden Merkmale. Es trifft nicht zu, daß die VOL die Gesamtheit der land- und forstwirtschaftlichen Gewinne umfaßt, sie bezieht sich nur auf die Feststellung der im normalen Betriebsablauf erzielbaren Gewinne, modifiziert durch die Zuschläge nach §§ 7 und 9 VOL. Das ergibt sich auch daraus, daß der Einheitswert für landwirtschaftliche Betriebe nach dem Ertragswert, aus dem die Durchschnittsätze abgeleitet sind, festgestellt wird (§ 31 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Bei dieser unter Zugrundelegung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit vorzunehmenden Bewertung sind aber nur alle die Umstände zu berücksichtigen, die auf den Wirtschaftserfolg, d. h. den laufenden Reinertrag, von Einfluß sind. Gewinne aus der Veräußerung des Betriebes (Teilbetriebes) im Sinne von § 14 EStG müssen außer Betracht bleiben und sind auch unberücksichtigt geblieben. Es können daher auch mit den Durchschnittsätzen der VOL derartige Gewinne nicht abgegolten sein.
In der Vorentscheidung wird zutreffend darauf hingewiesen, daß der VOL ein Bestandsvergleich fremd ist. Daraus muß aber entgegen den Ausführungen in der Vorentscheidung gefolgert werden, daß der aus der Gegenüberstellung von Veräußerungserlös und Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Veräußerung zu ermittelnde Veräußerungsgewinn durch die VOL nicht erfaßt worden ist und werden soll. Wenn es auch richtig ist, daß die Durchschnittsbesteuerung nicht von dem tatsächlichen, sondern von einem nachhaltig erzielbaren Reinertrag ausgeht, so kann weder aus dem EStG noch aus der VOL ein Gesichtspunkt entnommen werden, daß bei nichtbuchführenden Landwirten die im Zeitpunkt der Veräußerung in Erscheinung tretenden stillen Reserven der Besteuerung entzogen werden sollen. Die Anerkennung einer solchen Ansicht müßte dazu führen, daß auch § 16 EStG bei der Veräußerung von Betrieben der nach Richtsätzen besteuerten Gewerbetreibenden nicht zum Zuge kommen dürfte, da auch bei diesen nur ein wahrscheinlicher, nicht ein wirklicher Gewinn der Besteuerung unterworfen wird. Ein solches Ergebnis würde gerade der vom Finanzgericht betonten wirtschaftlichen Betrachtung und geichmäßigen Besteuerung widersprechen. Nach der Auffassung der Vorinstanz würde ein unter die VOL fallender, aber tatsächlich buchführender Steuerpflichtiger der Anwendung des § 14 EStG unterliegen. Das Gleiche würde für einen Land- und Forstwirt gelten, der buchführungspflichtig ist, aber tatsächlich keine Bücher führt. Handelte es sich aber um einen Landwirt, der in einem Wirtschaftsjahr buchführungspflichtig, in anderen aber nach der VOL zu besteuern wäre (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs IV 92/52 U vom 21. August 1952, Slg. Bd. 56 S. 676, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 259), dann würde die Erfassung der Veräusserungsgewinne maßgeblich davon abhängen, ob die Veräußerung oder Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes gerade in ein Wirtschaftsjahr fällt, in dem eine Buchführung besteht oder in dem für den laufenden Ertrag eine Gewinnermittlung nach der VOL stattfindet, ein Ergebnis, das mit der geichmäßigen Behandlung aller Land- und Forstwirte nicht vereinbar ist. Hiernach ist auch auf die nach der VOL zu besteuernden Steuerpflichtigen § 14 EStG anzuwenden.
Die von rechtsirrtümlichen Erwägungen getragene Vorentscheidung muß daher aufgehoben werden. Die Sache ist nicht spruchreif, da die vom Beschwerdeführer (Bf.) geforderte Anerkennung seiner Berechnung des Veräußerungsgewinnes nicht bedenkenfrei erscheint.
§ 14 EStG fordert für die Berechnung des Veräußerungsgewinnes die nach § 4 Abs. 1 EStG vorzunehmende Feststellung des Wertes des Betriebsvermögens für den Zeitpunkt der Veräußerung. Hierbei muß das gesamte Betriebsvermögen berücksichtigt werden; es geht nicht an, nur einen Teil in Rechnung zu stellen, auch dann nicht, wenn, wie der Bf. meint, die Außerachtlassung des toten Inventars dem Stpfl. zugute kommt. Die Berücksichtigung nur eines Teiles des Betriebsvermögens entbehrt ebenso wie der bei der Veranlagung vorgenommene Ansatz des toten Inventars mit 0 DM der tatsächlichen Unterlagen. Es ist durchaus möglich, daß sich beim toten Inventar ein den Veräußerungsgewinn mindernder Betrag ergibt, dessen Berücksichtigung dem Stpfl. nicht vorenthalten werden kann und darf.
Der Stpfl. hat sich bis zum Rechtsbeschwerdeverfahren unter Anerkennung der Anwendung des § 14 EStG - eine Ansicht, die er unter dem Eindruck der Vorentscheidung offenbar nicht mehr aufrecht erhalten will - nur gegen Bewertung des Viehbestandes gewendet. Nach seiner Ansicht ist der vom Finanzamt vorgenommene Ansatz von Durchschnittswerten für die einzelne Tiere unberechtigt; es handle sich durchweg um besonders wertvolles Vieh, das nach § 74 Abs. 5 Ziff. 4 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) mit den Wiederbeschaffungskosten nach § 18 a. a. O. zu bewerten sei. Ob dieses Begehren gegenüber der vom Finanzamt durchgeführten Bewertung, die offensichtlich auf die im Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen S 2155 - 23 - 31 - 1 vom 10. Januar 1951 (BStBl 1951 II S. 2) auf den 21. Juni 1948 für buchführende Landwirte auf Grund des § 74 Abs. 5 Ziff. 4 DMBG festgesetzten Durchschnittswerte zurückgeht, berechtigt ist, kann nach dem vorliegenden Akteninhalt nicht beurteilt werden. Hierzu werden noch Ermittlungen vorzunehmen sein; im Hinblick auf das Vorbringen des Stpfl. sei bemerkt, daß bei einer etwa in Betracht kommenden individuellen Bewertung des Viehbestandes § 6 Abs. 1 Ziff. 2 letzter Satz EStG bei der Wertermittlung nach § 14 EStG nicht angewendet werden kann, da der Stpfl. keine ordnungsmäßige Buchführung gehabt hat.
Der Wert des Betriebsvermögens kann für den Zeitpunkt der Aufgabe des Betriebes unmittelbar ermittelt werden; es kann aber auch in der Weise vorgegangen werden, daß das Betriebsvermögen auf den 21. Juni 1948 ermittelt und bewertet wird und die sich ergebenden Werte bis zum Aufgabetag so fortgeführt werden, wie es bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG zu geschehen hätte. Soweit der Viehbestand in Betracht kommt, dürfte letzteres nicht auf allzu große Schwierigkeiten stoßen, da nach dem Fragebogen vom 12. Oktober 1950 der Bestand auf den 30. Juni 1949 feststeht und gegenüber dem Währungsstichtag keine so erheblichen änderungen eingetreten sein dürften, daß sie nicht mehr festgestellt werden könnten.
Die Sache wird, auch unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung, an das Finanzamt zurückverwiesen, das unter Beachtung der vorstehenden Darlegung die Höhe des Veräußerungsgewinnes erneut festzustellen hat. übersteigt dieser die in § 14 Abs. 2 EStG bestimmte Grenze, so ist auf ihn § 34 Abs. 1 a. a. O. anzuwenden.
Der Bf. hat beantragt, außer der Einkommensteuer und dem Notopfer Berlin auch die Kirchensteuer auf einen bestimmten Betrag festzusetzen. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, da nach der für das Land Niedersachsen geltenden Regelung die Steuergerichte für die Entscheidung dieser Steuer nicht zuständig sind. Nach dem Gesetz zur Vereinheitlichung und Vereinfachung des Kirchensteuerwesens vom 21. Dezember 1948 für das Land Niedersachsen in der Fassung des Gesetzes vom 20. März 1952 und der Verordnung vom 30. Juli 1952 (Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt 1948 S. 186 und 1952 S. 19, 74, siehe auch BStBl 1952 II S. 104) entscheiden im Rechtsmittelverfahren die Verwaltungsgerichte (§ 3 des Gesetzes vom 21. Dezember 1948).
Fundstellen
Haufe-Index 408462 |
BStBl III 1956, 164 |
BFHE 1956, 441 |
BFHE 62, 441 |