Leitsatz (amtlich)
Der Herausgeber einer Tageszeitung, der diese Zeitung aus zwei von verschiedenen Firmen bezogenen Teilen zusammenstellt, kann für die Weiterlieferung der Zeitung die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG mangels Nämlichkeit zwischen erworbenem und weitergeliefertem Gegenstand nicht in Anspruch nehmen; denn die von dem Herausgeber gelieferte Zeitung ist als eine Sache (Sacheinheit) anzusehen, weil sich beide Teile in ihrem Inhalt dergestalt ergänzen, daß sie erst zusammen eine Tageszeitung bilden, die auch, wie sich dies aus dem nur auf dem einen Teile befindlichen Impressum, aber aus der auf allen Seiten vorhandenen Bezeichnung der Zeitung ergibt, von den Beziehern als eine Zeitung angesehen wird.
Normenkette
UStDB § 12 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Ziff. 1-3. I. Bescheid; UStG § 7 Abs. 3
Tatbestand
Die Bfin. ist Herausgeber der Tageszeitung "X., Überparteiliche unabhängige ... Tageszeitung". Sie stellt diese Zeitung aus zwei Teilen zusammen, die sie gedruckt und gefaltet von zwei Firmen erhält, die Gesellschafter der Bfin. sind. Der eine Teil, der allein mit dem Zeitungskopf und dem Impressum ausgestattet ist, enthält im wesentlichen den politischen und den Unterhaltungsteil, auch eine Chronik mit Ereignissen von überörtlicher Bedeutung; er wird von der Y. Zeitungsverlag GmbH geliefert. Den anderen Teil, der im wesentlichen die Lokalnachrichten und örtliche Anzeigen des Erscheinungsortes enthält und gleichfalls auf allen Blättern die Bezeichnung "X. Nachrichten" trägt, liefert die Firma X. Nachrichten A. B. in X.
Streitig ist, ob die Bfin. für 20 v. H. ihrer Einnahmen aus den Zeitungsverkäufen den ermäßigten Steuersatz des § 7 Abs. 3 UStG für Großhandelslieferungen in Anspruch nehmen kann. Die Bfin. ist der Ansicht, daß sie lediglich die lose Verbindung zweier selbständig bleibender Sachen bewirke, während die Vorinstanzen die von der Bfin. gelieferte Zeitung als eine Sache (Sacheinheit) ansehen und deshalb für den Veranlagungszeitraum 1957 den ermäßigten Steuersatz versagt haben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Nach der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 (BGBl 1957 I S. 6, BStBl 1957 I S. 131) ist § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB mit Wirkung ab 1. Januar 1957 dahin ergänzt worden, daß nunmehr auch das Zusammenstellen von erworbenen Gegenständen zu Sachgesamtheiten der Steuerermäßigung des § 7 Abs. 3 UStG nicht abträglich ist. Entsteht jedoch durch die Maßnahmen des Unternehmers eine Sacheinheit, so greift diese Erleichterung nicht durch. Ohne Rechtsirrtum ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die Frage, ob die von der Bfin. zusammengestellte Zeitung eine Sache ist, so daß die beiden bezogenen Liefergegenstände als bloße Teile einer Sache kein eigenes rechtliches Dasein führen können, nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilen ist, dem der Sachbegriff entstammt (vgl. §§ 90 ff. BGB). Zutreffend ist auch die Auffassung der Vorinstanz, daß eine feste, körperliche Verbindung für den Sachbegriff nicht Voraussetzung ist. Sicherlich werden Zweifel, ob die Teile einer Sache in der Sacheinheit aufgegangen sind, vor allem dann auftauchen, wenn es an dieser festen Verbindung fehlt. Wie aber die Schublade eines Schrankes oder der Deckel einer Kaffeekanne, die auch nur lose eingefügt werden, von jedem verständigen und unbefangenen Beurteiler nicht mehr als selbständige Sachen angesehen werden, so wird ein solcher Beurteiler im Einklang mit der Verkehrsauffassung die von der Bfin. herausgegebene Zeitung als eine Zeitung ansehen. Entscheidend kann nicht sein, daß der eine (Lokal-) Teil ein etwas kleineres Format besitzt. Es kommt vielmehr darauf an, daß sich die beiden Teile in ihrem Inhalt dergestalt ergänzen, daß sie erst zusammen als eine Tageszeitung angesehen werden können, mithin auch einem einheitlichen Zwecke dienen. Von Bedeutung ist ferner, daß ein gesonderter Bezug eines der Teile nicht vorgesehen und presserechtlich auch nicht möglich ist und daß schließlich jede Tageszeitung aus mehreren Blättern besteht, deren Inhalt (politischer Teil, Lokalteil, Wirtschaftsteil, Sportnachrichten usw.) erst in seiner Zusammenfassung, wie dies auch durch das nur einmal vorhandene Impressum und die auf allen Blättern befindliche Bezeichnung als "X. Nachrichten" zum Ausdruck kommt, von jedem Bezieher eben nur als eine Zeitung, mithin als eine Sacheinheit angesehen wird.
Der Senat tritt auch den übrigen Ausführungen der Vorinstanz bei; sie stehen im Einklang mit der im bürgerlich-rechtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung der Zivilgerichte vertretenen Auffassung (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 158 S. 362 ff., 367 u. f.).
Die Rb. war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
II. Urteil
Das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ist nicht geeignet, die im Bescheid vertretene Auffassung zu entkräften.
Der Hinweis der Rb. auf überregionale Zeitungen, die ohne lokalen Teil erscheinen, geht fehl. Von einer regionalen Tageszeitung erwartet der Bezieher, daß seine Zeitung ihn sowohl über das politische und Weltgeschehen als auch über die Ereignisse von nur lokaler Bedeutung unterrichtet. Auf die Auffassung der Bezieher als Abnehmer des Liefergegenstandes und auf die Auffassung eines verständigen und unbefangenen Beurteilers kommt es für die Auslegung des dem bürgerlichen Recht angehörenden Sachbegriffs an. Der Einwand, daß die Vorinstanz ihre Aufklärungspflicht verletzt habe, weil sie nicht die Stellungnahme der beteiligten Wirtschaftskreise eingeholt habe, greift deshalb nicht durch.
Es kann wohl vorkommen, daß auch bei einer bloßen Sachgesamtheit deren einzelne Teile nicht gesondert käuflich zu erwerben sind. Im Streitfalle sind die Bestandteile der Zeitung aus preisrechtlichen und tatsächlichen Gründen unstreitig nur als eine Zeitung unter einer für beide Teile gleichlautenden Bezeichnung zu beziehen. Es ist also nicht so, wie die Rb. meint, daß zwei Zeitungen gemeinsam verkauft werden, sondern es wird im Zusammenwirken zweier Redaktionen eine Zeitung, die nur in ihrer Zusammenstellung den im Streitjahr 1957 allgemein für Provinz-Tageszeitungen gestellten Anforderungen entspricht, vertrieben. Dabei kann es auf das geringfügig abweichende Format der Bestandteile, das kaum als wesentlicher Mangel anzusehen ist, und auf die Möglichkeit, Inserate nur für einen Teil aufzugeben, nicht entscheidend ankommen.
Hiernach rechtfertigt sich die getroffene Entscheidung.
Fundstellen
BStBl III 1962, 261 |
BFHE 1962, 708 |