Leitsatz (amtlich)
über die Bedeutung des Fehlens einer Küche in Wohnungen, die nach den Bestimmungen über den sozialen Wohnungsbau von der Grundsteuer befreit sind, insbesondere bei Wohnungen, die im räumlichen Zusammenhang mit einer Schankwirtschaft stehen und für den Unternehmer der Wirtschaft bestimmt sind.
Normenkette
GSWBY 1
Tatbestand
Streitig ist, ob eine der drei Wohnungen im Obergeschoß des durch den Beschwerdeführer (Bf.) wiederhergestellten kriegszerstörten Grundstücks die Voraussetzungen der Befreiung von der Grundsteuer erfüllt. Das Finanzamt hat die Befreiung versagt, weil die Wohnung keine Küche enthält. Der Bf. ist der Meinung, daß das Fehlen einer Küche die Versagung der Befreiung nicht rechtfertige. Um einen "Mangel" handele es sich nicht. Die Dreizimmerwohnung, die alles sonstige übliche Zubehör enthalte, gehöre wirtschaftlich zu den im Parterregeschoß liegenden Schankräumen. Die in diesen betriebene Gastwirtschaft sei mit der Wohnung zusammen verpachtet. Eine Verwendung der unteren - gewerblichen - Räume ohne die darüberliegenden Wohnräume komme nicht in Frage und es verstehe sich, daß die Gastwirtsfamilie auch für den Haushalt die Speisen in der unteren Küche zubereiten lasse. Es entspräche der allgemeinen übung, daß mit Schankräumen zusammenhängende Wohnräume eine besondere Küche nicht enthielten.
Auf die Sprungberufung des Bf. hat das Finanzgericht die Auffassung des Finanzamts bestätigt. Es hat sich auf die Entschließung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 11. April 1951 - I 1108 B - 16 - 30 720 - V - bezogen, die für den Begriff "Wohnung" das Vorhandensein einer Küche fordere. Es hat zwar die nicht veröffentlichte Entschließung als die Steuergerichte nicht bindend erklärt, sich hinsichtlich der Auslegung des Begriffs Wohnung aber der dort vertretenen Auffassung angeschlossen.
Hiergegen richtet sich die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage für zulässig erklärte Rechtsbeschwerde (Rb.).
Entscheidungsgründe
Sie ist begründet.
Das Finanzgericht geht zutreffend davon aus, daß die in Frage kommende Befreiungsvorschrift nicht dem Grundsteuergesetz, sondern dem Bayer. Gesetz über die Grundsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau vom 28. November 1949, Gesetz- und Verordnungsblatt 1950 S. 30, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen 1950 S. 41, zu entnehmen ist, nachdem dieses Gesetz durch § 11 des ersten Wohnungsbaugesetzes des Bundes vom 24. April 1950, Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1950 S. 83, aufrechterhalten worden ist. Wie das Finanzgericht weiter zutreffend ausführt, ist der Begriff der Wohnung in keinem der einschlägigen Gesetze fest umschrieben. Dies gilt gleichmäßig für die für Bayern geltenden Sonderbestimmungen, wie für das bundesgesetzliche erste Wohnungsbaugesetz und die dazu ergangene Verwaltungsanordnung vom 30. Juni 1951, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 S. 238, und endlich das Wohnungsbewirtschaftungsgesetz des Bundes vom 31. März 1953, BGBl. I S. 97.
Untersuchungen darüber, was der Gesetzgeber unter Wohnraum und Wohnung verstanden wissen will, finden sich an verschiedenen Stellen. So werde, vgl. das Handbuch über Kosten und Wirtschaftlichkeit in der Wohnungswirtschaft von Bormann-Flender-Thiele S. 389 und die dort angeführte Literatur, unter "Wohnung" im Sinne des Wohnungsbaugesetzes gemäß der Verkehrsauffassung eine Zusammenfassung von Wohnräumen und Nebengelaß verstanden, die einer Person oder Gruppe (Familien mit einem gemeinsamen Haushalt) zur Unterbringung dient. Nach dem Normblatt DIN Nr. 283 des deutschen Normenausschusses, das im Gemeinsamen Ministerialblatt 1951 S. 79 veröffentlicht ist, ist eine Wohnung die Summe der Räume, welche die Führung eines Haushalts ermöglicht, darunter stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit sowie mit Wasserversorgung, Ausguß und Abort, welch letzterer sich auch außerhalb der - abgeschlossenen - Wohnung befinden könne (Kommentar zum Wohnungsbewirtschaftungsgesetz von Fellner-Fischer zu § 3 Anm. 14 S. 38). Nach den Richtlinien 1950 zum Einkommensteuergesetz, die sich in Verbindung mit § 7 c des Einkommensteuergesetzes mit dem Problem beschäftigen, ist hinsichtlich der zur Erfüllung des Wohnungsbegriffs notwendigen Räume die Verkehrsauffassung maßgebend (Richtlinien 1950 Abschn. 75 b), vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs III 40/52 U vom 1. August 1952 - BStBl. III S. 251, Amtl. Slg. Bd. 56 S. 625 -, das für das Bewertungsrecht auf die Verkehrsauffassung und den Einzelfall abstellt. Der in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 89/42 vom 30. Juli 1942, Reichssteuerblatt S. 963, für das Gebiet der Reichsabgabenordnung entwickelte Wohnungsbegriff kann für das Gebiet des sozialen Wohnungsbaus nicht übernommen werden. Es ist also von verschiedener Seite an die Aufgabe herangegangen worden, eine feste Umschreibung des Wohnungsbegriffs zu finden, die der Gesetzgeber schuldig geblieben ist. Stets handelt es sich aber um subjektive Auslegungen, wie auch die Entschließung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen, die nicht veröffentlicht worden ist, nur als die - unverbindliche - Auffassung des Ministeriums gewürdigt werden kann.
Im vorliegenden Falle fehlt es - darüber besteht Einvernehmen - lediglich an dem Vorhandensein der Küche. Mit Rücksicht auf die Verhältnisse, unter denen heute Haushaltungen eingerichtet werden, erheben sich Zweifel, ob diesem Umstande entscheidende Bedeutung zuzumessen ist. Der Senat ist der Auffassung, daß die Bedeutung der Küche nicht überschätzt werden sollte. Wo Gasanlage vorhanden ist, bedarf es allein der Aufstellung eines Gasherdes und schon die elektrische Anlage genügt sehr vielen kleinen Haushaltungen - nur solche kommen bei dem beschränkten Umfang der begünstigten Wohnungen in Betracht -, um auf elektrischem Wege Speisen zuzubereiten. Es erscheint dem Senat jedenfalls nicht gerechtfertigt, wegen des Fehlens einer Küche im alten Sinne die Vergünstigung zu versagen.
Bei der streitigen Wohnung handelt es sich um einen besonders gelagerten Fall insofern, als die Wohnung und die darunter liegenden Schankräume wirtschaftlich zusammengehören und einheitlich zum Betrieb einer Gastwirtschaft verpachtet sind. Die Miete für die Wohnräume ist in dem nach dem Umsatz berechneten Pachtzins der Wirtschaft einbegriffen. Der Senat tritt der Auffassung der Rb. bei, daß die Räume in ihrer Gesamtheit als Einheit behandelt werden müssen. Entscheidend kann nur die Verkehrsauffassung sein, und nach dieser gelten die für den Familienhaushalt des Gastwirts bestimmten Räume als eng mit dem Gewerbe zusammenhängend, nachdem weder in der Großstadt noch auf dem Lande der Wirt eines Schankbetriebs der hier in Frage kommenden Größenordnung seine Wohnung außerhalb des Hauses hat, in dem sich seine Wirtschaft befindet. Darum ist es - hierauf hat das Finanzgericht hingewiesen - bedeutungslos, daß Schankräume und die damit wirtschaftlich zusammenhängende Wohnung nur für einen bestimmten Kreis von Wohnungssuchenden in Betracht kommen. Als Schankräume eingerichtete Räume werden stets zum Betrieb einer Gastwirtschaft verwendet werden, und wenn ein Wechsel eintritt und ein anderer den Betrieb übernimmt, benötigt auch er die hierfür vorgesehenen Wohnräume. Dem trägt das Wohnungsbewirtschaftungsgesetz Rechnung, indem es in § 18 für zweckbestimmte Wohnräume besondere Regeln aufstellt. Nach § 18 Abs. 2 gilt als zweckbestimmter Wohnraum: Eine Wohnung auf einem Grundstück mit gewerblichen Betrieben, die für den Betriebsinhaber bestimmt ist. Hierbei ist - vgl. die Ausführungen bei Fellner-Fischer S. 136 unten - an Betriebe des Handwerks, der Industrie, des Handels, der Versicherung, des Verkehrs und der Schank- und Gastwirtschaft zu denken. Wo eine Wohnung schon bei der Herstellung für den Unternehmer des darunter befindlichen Gewerbebetriebs vorgesehen ist - sie ist "bestimmt", wo wegen des Zusammenhangs mit der Gastwirtschaft auf den Einbau einer Küche verzichtet wird -, muß auch der Mangel der unmittelbaren Verbindung sämtlicher Räume im gleichen Geschoß als unschädlich angesehen werden.
Da das Finanzgericht den Wohnungsbegriff zu eng ausgelegt hat, unterliegt die Entscheidung der Aufhebung.
Die Grundsteuerermäßigung ist für die im Zusammenhang mit der Schankwirtschaft genutzten Wohnung zu gewähren. Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages für das Grundstück unter Freistellung der streitigen Wohnung durchzuführen haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 407688 |
BStBl III 1953, 229 |
BFHE 1954, 597 |
BFHE 57, 597 |