Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält hinsichtlich der Rechtsgültigkeit des § 20 Abs. 2 der Dritten GewStDV an der in der Entscheidung I 33/50 U vom 2. Dezember 1950 -- Slg. Bd. 55 S. 37, BStBl. 1951 III S. 16 -- niedergelegten Rechtsauffassung fest.
Normenkette
GewStG § 8 Ziff. 6; Dritte GewStDV § 20 Abs. 2
Tatbestand
Der Streit geht um die Frage, ob die Bezüge, die die beiden Vorstandsmitglieder der Beschwerdeführerin (Bfin.), zwei Brüder, erhalten, nach § 8 Ziff. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1950 dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet werden dürfen. Von dem Kapital der Bfin. befanden sich 3,6 % in der Hand des einen, und 2,0 % in der Hand des anderen Vorstandsmitglieds. 65 v. H. standen der Mutter der beiden Vorstandsmitglieder zu. Das Finanzamt hat bei der Feststellung der Gewerbesteuermeßbeträge für II/1948 bis 1951 die Bezüge hinzugerechnet, indem es sich auf § 20 Abs. 2 der Dritten Durchführungsverordnung zum Gewerbesteuergesetz (Dritte GewStDV) berief. Die Bfin. greift die Vorschrift als rechtsunwirksam an, weil sie über das Gesetz selbst hinausgehe und damit eine Verschärfung der Besteuerung darstelle. Der Einspruch blieb erfolglos. Auch die Berufung wurde zurückgewiesen. Hierbei nahm das Finanzgericht im Einverständnis mit der Bfin. eine Verböserung insofern vor, als es die vom Finanzamt außer acht gelassenen Bezüge der Hauptgesellschafterin ebenfalls dem Gewerbeertrag hinzurechnete.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist unbegründet.
Mit dem strittigen Rechtsproblem hat sich der Senat bereits beschäftigt. In der Entscheidung I 33/50 U vom 2. Dezember 1950, Slg. Bd. 55 S. 37, Bundessteuerblatt 1951 III S. 16, hat der Senat in Ziffer 1 des Rechtsatzes seine Auffassung dahin zusammengefaßt:
"Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 der Ersten = § 20 Abs. 2 der Dritten GewStDV über die Abgrenzung der wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 8 Ziff. 6 GewStG hält sich im Rahmen der durch § 12 der Reichsabgabenordnung (AO) erteilten Ermächtigung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes."
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Er ist der Auffassung, daß der Wortlaut des § 8 Ziff. 6 GewStG nicht ohne weiteres klar ist. Es bedurfte der Bestimmung, was unter wesentlicher Beteiligung im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist. Die Begriffsbestimmung hat nach Auffassung des Senats der Gesetzgeber mit bindender Kraft im § 115 Abs. 2 AO gegeben (Legal-Interpretation).
Aus dem Umstande, daß in § 8 Ziff. 6 GewStG entgegen der Fassung der früheren Gesetzgebung ein Hinweis auf § 115 Abs. 2 AO -- etwa durch einen Zusatz -- unterblieben ist, kann nicht auf eine Änderung des gesetzgeberischen Willens geschlossen werden. Dem Gesetzgeber des GewStG 1936 ist aus § 17 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1934 und seinem Vorgänger, dem § 30 Abs. 3 Satz 2 EStG 1925, der Begriff der wesentlichen Beteiligung durchaus vertraut gewesen. Im Zuge der Vereinheitlichung der Gewerbesteuergesetzgebung und ihrer Angleichung an die Reichssteuergesetzgebung lag es, daß der Begriff der wesentlichen Beteiligung aus dem Einkommensteuerrecht entnommen wurde. Aus dem Vereinheitlichungs- und Angleichungsgedanken erklären sich zwanglos die Unterschiede in der Fassung des § 8 Abs. 4 des Gewerbesteuer-Rahmengesetzes (Gew StRG) vom 1. Dezember 1930 (Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- I S. 538) und des § 115 Abs. 2 AO in der Fassung vom 1. Dezember 1936 (RGBl. I S. 961/969). Dem Schöpfer des Entwurfs des GewStRG von 1928 und des GewStRG vom 1. Dezember 1930 lag nur § 30 Abs. 3 Satz 2 EStG 1925 vor. Darnach war eine wesentliche Beteiligung bereits gegeben, wenn lediglich Angehörige des Vergütungsempfängers zu mehr als 1/4 beteiligt sind. Nachdem in § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934 die wesentliche Beteiligung von der eigenen Beteiligung des Veräußerers abhängig gemacht wurde, ist zur Angleichung im Jahre 1936 in der Begriffsbestimmung des § 115 Abs. 2 AO das Vorliegen einer eigenen Beteiligung des Beschäftigten (bzw. seines Ehegatten nach § 8 Ziff. 6 GewStG) ebenfalls zum Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung gemacht worden. Die andersartige Bestimmung des Begriffs der wesentlichen Beteiligung im § 115 Abs. 2 AO in der Fassung vom 1. Dezember 1936 und des § 20 Abs. 2 Dritte GewStDV hat somit ihren Grund lediglich in der Entwicklung des Begriffs der wesentlichen Beteiligung im Einkommensteuerrecht.
Auch die Verschiedenheit der Fassung des § 17 Abs. 1 EStG und des § 115 Abs. 2 AO bzw. des § 20 Abs. 2 Dritte GewStDV ist bedeutungslos. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, daß der Ausdruck "wenn die natürliche Person und ihre Angehörigen zusammen zu mehr als 1/4 beteiligt sind" (§ 115 Abs. 2 AO in der Fassung vom 1. Dezember 1936 und § 20 Abs. 2 Dritte GewStDV) sachlich dasselbe bedeutet wie der Ausdruck "wenn jemand (der Veräußerer) allein oder mit seinen Angehörigen zu mehr als 1/4 beteiligt ist" (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934).
Die Übernahme der Vorschrift über die wesentliche Beteiligung aus dem § 8 Abs. 4 Satz 2 des GewStRG vom 1. Dezember 1930 in § 115 Abs. 2 AO in der Fassung des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936 erklärt sich (zwanglos) aus der Tatsache, daß der Abs. 4 des § 8 GewStRG aus dem GewStG ausgeschieden und in die AO eingefügt worden ist. Dabei wurde der Inhalt des Satzes 1 im Abs. 1 Satz 2 in Abs. 2 des § 115 untergebracht. In der Auffeilung in zwei Absätze liegt auch ein Anzeichen für die Absicht des Gesetzgebers, dem Begriff der wesentlichen Beteiligung eine allgemeinere Bedeutung beizumessen.
Angesichts der Schaffung des § 115 Abs. 2 AO durch das Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen, das ein Teil der Realsteuerreform des Jahres 1936 ist, besteht somit für den Senat kein Zweifel, daß § 115 Abs. 2 AO die allgemeine Begriffsbestimmung der wesentlichen Beteiligung enthält, die auch für § 8 Ziff. 6 GewStG Bedeutung besitzt.
Dem steht auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1952 -- BvH 2/52 (Slg. Bd. 1 S. 299) nicht entgegen. Hiernach ist maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung der in diesem zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers so, wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Aus dem Sinnzusammenhang aber ergibt sich, daß der Begriff der wesentlichen Beteiligung des § 8 Ziff. 6 GewStG in § 115 Abs. 2 AO in der Fassung vom 1. Dezember 1936 umrissen ist, dessen Wortlaut § 20 Abs. 2 Dritte GewStDV entnommen hat. Die Auffassung des Senats wird auch noch durch den weiteren Satz des Rechtsspruchs des vorgenannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts unterstützt. Hiernach kommt der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den gegebenen Grundsätzen erhaltenen Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Wege allein nicht ausgeräumt werden können. Ist man mit dem Senat der Auffassung, daß die Begriffsbestimmung des § 8 Ziff. 6 GewStG nicht ohne weiteres klar ist, dann muß nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die Entstehungsgeschichte zurückgegriffen werden. Diese läßt aber keinen Zweifel, daß § 115 Abs. 2 AO die authentische Interpretation des Begriffs der wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 8 Ziff. 6 GewStG enthält. Die Rb. ist daher mit der Kostenfolge nach § 307 AO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408223 |
BStBl III 1955, 243 |
BFHE 1956, 116 |