Leitsatz (amtlich)
Die Fahrten eines Rechts-(Gerichts-) Referendars zwischen seiner Wohnung und dem Ort der Arbeitsgemeinschaft sind Dienstreisen, wenn der Ort der Arbeitsgemeinschaft mindestens 15 Kilometer vom Ort der praktischen Ausbildung des Referendars entfernt ist.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger war im Streitjahr 1979 Rechtsreferendar. Er wohnte in B. Durch Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts (OLG) wurde er verschiedenen Ausbildungsstationen zugewiesen, und zwar im Streitjahr vom 1. Januar bis zum 28. Februar dem Landgericht D, anschließend bis zum 31. Mai der Staatsanwaltschaft in D. Vom 1. Juni bis zum 30. November war der Kläger sodann dem Kreisdirektor in A zur Ausbildung zugewiesen. Im Juni 1979 fuhr er fünfmal, ab Juli fünfzigmal nach A. Die einfache Entfernung zwischen B und A beträgt 60 km.
Während der gesamten Zeit, also vom 1. Januar bis zum 30. November 1979, nahm der Kläger an Arbeitsgemeinschaften in M teil. Im 1. Halbjahr fuhr er dreißigmal und im 2. Halbjahr zweiundzwanzigmal nach M. Die einfache Fahrstrecke zwischen B und M beträgt 85 km.
Wegen dieser mit dem eigenen PKW durchgeführten Fahrten machte der Kläger im Lohnsteuer-Jahresausgleich Aufwendungen nach Dienstreisekostengrundsätzen abzüglich ihm vom Arbeitgeber erstatteter Beträge als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) lehnte diese Berücksichtigung ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum überwiegenden Teil statt. Es führte aus: Die Fahrten zu den einzelnen Ausbildungsstationen seien keine Dienstreisen. Insoweit handele es sich aber um Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Einsatzstellen. Jedoch komme die Begünstigung -- aus hier nicht interessierenden Gründen -- nur für die Fahrten nach A. und zwar nur für die ersten drei Monate der dortigen Tätigkeit, in Betracht. Die Fahrten zwischen B und M -- zur Arbeitsgemeinschaft und zurück -- seien hingegen Dienstreisen. Für sie seien die Dienstreisesätze unmittelbar anzuwenden.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zum Teil begründet.
1. Soweit im vorliegenden Verfahren die Aufwendungen für Fahrten zwischen B und der Ausbildungsstätte in A streitig sind, hat die Revision des FA Erfolg; denn insoweit liegen keine Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Einsatzstellen, sondern Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor. Der Senat hat dies im Urteil VI R 155/80 vom 12. August 1983 unter 2. a), BStBl II 1983, 718, dargelegt. Auf die Ausführungen in diesem Urteil wird verwiesen.
2. Die Vorentscheidung ist allerdings insoweit zutreffend, als das FG die Fahrten zwischen B und M -- zur Arbeitsgemeinschaft und zurück -- als Dienstreisen beurteilte.
Im Urteil VI R 155/80 Iieß es der Senat unter 2. b) dahingestellt, ob es sich bei den Fahrten zwischen der Wohnung und dem Ort der Arbeitsgemeinschaft um eine Dienstreise handele. Er brauchte dies in jenem Fall nicht abschließend zu entscheiden, da der Ort der praktischen Ausbildungsstätte -- der Arbeitsstätte -- und der Arbeitsgemeinschaft identisch waren. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz sind insoweit Dienstreisen anzunehmen. Denn der Kläger hatte vom 1. Januar bis zum 31. Mai seine Arbeitsstätte in D und vom 1. Juni bis zum 30. November in A. Während dieser Zeit mußte er etwa einmal wöchentlich aus beruflichen Gründen -- auf Weisung seines Dienstherrn -- an einen anderen Ort, nämlich nach M, fahren. Dann aber lagen Dienstreisen vor. Denn solche sind anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer vorübergehend (zeitweilig) aus beruflichen Gründen den Ort seiner regelmäßigen Arbeitsstätte verläßt, um an einer anderen Stätte tätig zu werden (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 23. März 1979 VI R 14/78, BFHE 127, 526, BStBl II 1979, 521); die tatsächliche und die regelmäßige Arbeitsstätte müssen also voneinander abweichen, um eine Dienstreise annehmen zu können (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1971 VI R 184/69, BFHE 103, 493, BStBl II 1972, 130). Dabei muß die tatsächliche Abweichung mindestens 15 km betragen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 14. August 1981 VI R 115/78, BFHE 134, 139, BStBl II 1982, 24, unter 2.). Das FG hat im Streitfall ausdrücklich festgestellt, daß eine derartige Entfernung zwischen den Ausbildungsorten und dem Ort der Arbeitsgemeinschaft gegeben ist. Somit handelte es sich bei den Fahrten des Klägers zu den Arbeitsgemeinschaften um Dienstreisen.
3. Das FG ist zum Teil, nämlich bei den Fahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung und dem Ort der praktischen Ausbildung, von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung wird deshalb aufgehoben. Die Sache ist spruchreif. Für die Fahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte in A kommen als Werbungskosten nur die Beträge des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in Betracht. Hinsichtlich der Fahrten des Klägers zwischen B und M hat das FG indessen zutreffend die Kilometersätze für Dienstreisen angesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 74743 |
BStBl II 1983, 720 |
BFHE 1984, 195 |