Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbösernde KraftSt-Änderungsfestsetzung
Leitsatz (NV)
1. Bei Verletzung der finanzamtlichen Ermittlungspflicht scheidet eine verbösernde (KraftSt-)Änderungsfestsetzung aus (Bestätigung der Rspr.).
2. Zur Frage, unter welchen Umständen Ermittlungsmängel (1.) angenommen werden können, und zum Erfordernis einer Begründung.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hielt vom 28. September 1994 bis 24. März 1996 einen Geländewagen Typ Nissan, der für den Kläger nach erfolgtem Umbau (u. a. Entfernung der hinteren Sitzbank) als Lastkraftwagen zugelassen worden war und entsprechend besteuert wurde (Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 24. Oktober 1994). Nach Beschaffung näherer technischer Daten des Fahrzeugs im Rahmen einer allgemeinen -- landesweiten -- Überprüfung (1996) gelangte das beklagte und revisionsklagende Finanzamt (FA) zu der Auffassung, daß ein Personenkraftwagen vorliege, und setzte, gestützt auf §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), die Kraftfahrzeugsteuer für die Dauer des Haltens durch den Kläger entsprechend fest (Änderungsbescheid vom 22. Juli 1996, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 1996). Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage unter Aufhebung der Änderungsfestsetzung statt, mit der Begründung, die kraftfahrzeugsteuerrechtlich an sich gebotene Änderungsfestsetzung scheide wegen Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht aus. Im einzelnen wird auf das in einem Parallelfall ergangene gleichlautende FG-Urteil vom 4. Dezember 1996 6 K 5101/96 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1997, 309) verwiesen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision tritt das FA der Auffassung entgegen, daß eine Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht vorliege. Zweifel hätten sich bei der Erstveranlagung nicht aufdrängen müssen, zumal der Fahrzeugtyp nicht mitgeteilt worden sei. Hier sei zu beachten, daß das Fahrzeug nach Umbau vom Kläger erworben und auf ihn (als LKW) zugelassen worden sei. Eine Neufestsetzung liege nicht vor.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er schließt sich der Vorentscheidung an und trägt vor, das Fahrzeug sei im übrigen -- auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich -- als Lastkraftwagen einzustufen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um das Ergebnis, zu dem das FG gelangt ist -- Unzulässigkeit der mit der angegriffenen Veranlagung vorgenommenen Änderungsfestsetzung (§173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) wegen unzureichender finanzamtlicher Ermittlung -- zu rechtfertigen.
In seinem Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97 (BStBl II 1997, 627) -- Abschn. II Nr. 2 -- hat der Senat erkannt, daß die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflicht verletzt, wenn sie der Kraftfahrzeugsteuerveranlagung unter Verzicht auf für die Beurteilung notwendige Daten die verkehrsrechtliche Einstufung eines umgebauten Fahrzeugs zugrunde legt; eine verbösernde Änderungsfestsetzung wegen nachträglich erkannter Unerheblichkeit der Umbauten scheidet damit aus. Der Senat hat in dieser Entscheidung an sein Urteil vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90 (BFHE 166, 395, 398, BStBl II 1992, 324) angeknüpft und wiederholt, daß die Ermittlungspflicht nur dann verletzt ist, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach Sachlage aufdrängen, nicht nachgeht. Einen Ermittlungsmangel hat der Senat im Falle VII R 1/97 bejaht, weil nach den festgestellten Umständen zwingend eine nähere Aufklärung über Art und Umfang der vorgenommenen Umbauten erforderlich war (im Rahmen einer Besteuerung im Jahre 1989).
Die Grundsätze des Senatsurteils in VII R 1/97 können auch im Streitfall, bezogen auf die Besteuerung in den Jahren 1994 bis 1996, herangezogen werden, obwohl (wegen der von Anfang an erfolgten Zulassung als LKW) ein eigentlicher Umbaufall nicht vorliegt. Erforderlich sind aber Feststellungen, aus denen sich in nachvollziehbarer Weise ergibt, daß das FA zwangsläufig zu Zweifeln an der Bewertung des Fahrzeugs als Lastkraftwagen gelangen mußte. Solche Feststellungen hat das FG nicht in ausreichendem Maße getroffen. Das FG hat lediglich ausgeführt, daß das FA "schon im Oktober 1994" aufgrund der Datenübermittlung durch die Zulassungsstelle (verkehrsrechtliche Einstufung, Hubraum und Gesamtgewicht) über "genügend Daten und Anhaltspunkte" verfügt habe, um eine Überprüfung vorzunehmen (vgl. auch EFG 1997, 309, 310). Daß diese Überprüfung aus der Sicht des FA aber auch veranlaßt war, läßt sich der Vorentscheidung nicht entnehmen. Insbesondere fehlt eine Angabe der Gründe, aus denen sich die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ergab (etwa eine dem FA bekannte frühere Besteuerung des Fahrzeugs als PKW oder auch beim FA vorliegende besondere Erkenntnisse). Die Bezugnahme auf aufsichtsbehördliche Hinweise "zumindest seit 1992/93" reicht für sich nicht aus, da nicht ersichtlich ist, inwieweit diese Hinweise zu Ermittlungen -- auch -- in anderen als neuen (Umbau-)Fällen hätten veranlassen müssen.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG, wenn es auch angesichts des Vorbringens des Klägers im Revisionsverfahren an der bisherigen kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Beurteilung (PKW) festhält, die hiernach erforderlichen Feststellungen nachzuholen und auf ihrer Grundlage neu zu entscheiden haben. Im übrigen wird -- ohne Bindungswirkung (§126 Abs. 5 FGO) -- auf die vom Senat inzwischen bestätigten Urteile des FG Nürnberg vom 12. November 1996 VI 174/96 und VI 188/96 (EFG 1997, 497, 499) -- zu §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (Rechtserheblichkeit der neuen Tatsache) -- verwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 66358 |
BFH/NV 1998, 415 |