Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur doppelten Haushaltsführung bei ledigen Arbeitnehmern
Leitsatz (NV)
1. Ledige Arbeitnehmer unterhalten auch dann keinen eigenen Hausstand im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, wenn sie mit einem Partner/Verlobten in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammenwohnen.
2. Ledige Arbeitnehmer, die nur vorübergehend einer auswärtigen Beschäftigung nachgehen, sind verheirateten Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen, steuerrechtlich weitgehend gleichgestellt. Eine vorübergehende Beschäftigung in diesem Sinne kann auch dann vorliegen, wenn das Arbeitsverhältnis zunächst nur für zwei Jahre abgeschlossen wird, evtl. aber länger dauern soll.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5
Tatbestand
Der ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewohnte schon vor dem Streitjahr 1980 mit seiner Lebensgefährtin, einer Studentin, und einem Hund eine Mietwohnung in . . ., die mit seinen Möbeln ausgestattet war und von ihm finanziell mitgetragen wurde. Er war nichtselbständig als . . . beschäftigt. Ab dem 1. Januar 1979 war er in . . . tätig; zum 1. Oktober 1979 übernahm er - offenbar bei demselben Arbeitgeber - eine Stelle in D. Während dieser Zeit bewohnte er in K ein möbliertes Zimmer, ab Februar 1980 in D ein Einzimmerappartement. An 48 Wochenenden fuhr er im Streitjahr zu seiner Lebensgefährtin nach B, mit der er seit 1974 eheähnlich zusammenlebte.
In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1980 machte der Kläger beim Finanzamt, das im Vorjahr entsprechende Aufwendungen anerkannt hatte, Kosten für Fahrten zwischen B und seinem Arbeitsort in Höhe von . . . DM und Kosten für die Miete in D in Höhe von . . . DM als Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung geltend. Er trug vor, daß die Wohnung in B seinen Lebensbedürfnissen entspreche und seine Partnerin, die in B studiere, keine Möglichkeit habe, den Studienort zu wechseln. In der Wohnung in B herrsche hauswirtschaftliches Leben, an dem er sich finanziell und durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteilige, wobei er die Haushaltsaufwendungen überwiegend trage. Die Stelle in K/D habe er angenommen, obwohl er weiterhin eine Beschäftigung in der Nähe von B anstrebe.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 553 veröffentlichten Urteil u. a. im wesentlichen aus, daß § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes 1980 (EStG) auf nichteheliche Lebensgemeinschaften nicht anwendbar sei, da die Vorschrift eine rechtliche Bindung voraussetze, die auf einer familiären Beziehung des Arbeitnehmers zu den in seinem Hausstand lebenden Personen beruhe und ihn hindere, seinen Hausstand aufzugeben. Dies gelte unabhängig davon, ob die Partner verlobt seien. Im Streitfall komme hinzu, daß dies nicht der Fall gewesen sei, da eine Heirat weder kurzfristig vorgesehen, noch tatsächlich erfolgt sei.
Die geltend gemachten Aufwendungen könnten auch nicht als sonstige Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden, da es sich nicht um eine vorübergehende auswärtige Beschäftigung gehandelt habe. Die Erklärung der Arbeitgeberin in ihrem (bei den Steuerakten befindlichen) Schreiben vom . . . 1978, daß der Kläger zum 1. Januar 1979 oder früher eingestellt werden solle und ,,es sich um einen Einsatz für die Dauer von zwei Jahren (eventuell länger)" handle, rechtfertige nicht die Annahme einer Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der Ermittlungspflicht des FG. Denn dieses habe übersehen, daß er ausweislich des Kopfes seiner eingereichten Schriftsätze nunmehr . . . heiße, also verheiratet sei. Das FG hätte deshalb nicht ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen dürfen, daß er nicht mit seiner Lebensgefährtin verlobt sei, und insbesondere nicht ausführen dürfen, daß die Partner nicht geheiratet hätten. Tatsächlich sei die Heirat, wie dies auch beabsichtigt gewesen sei, 1983 erfolgt.
Ferner rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er meint, aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG lasse sich nicht ableiten, daß bei Unverheirateten, aber eheähnlich zusammenlebenden Arbeitnehmern eine doppelte Haushaltsführung nicht angenommen werden könne. Das Gegenteil entspreche vielmehr der steuerlichen Gerechtigkeit, da vergleichbare Verhältnisse steuerlich gleichbehandelt werden müßten. Bei einem in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebenden Arbeitnehmer könnten ebenso wie bei einem Verheirateten beruflich veranlaßte Mehraufwendungen entstehen, wenn er aus beruflichen Gründen außerhalb seines Lebensmittelpunkts wohne und arbeite.
Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß er Ende Dezember 1981 in die Wohnung in B zurückgekehrt sei und den gemeinsamen Haushalt dort weiterführe. Seit Januar 1982 fahre er täglich von B nach H, um dort einer Tätigkeit nachzugehen.
Entgegen der Auffassung des FG hätten die Aufwendungen aber auch als sonstige Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden können. Nach dem Schreiben seines damaligen Arbeitgebers vom . . . 1978 habe die Tätigkeit in K zwei Jahre (evtl. länger) andauern sollen; tatsächlich habe es sich um einen Einsatz von neun Monaten gehandelt. Der Einsatz in D habe dagegen zwei Jahre und drei Monate gedauert. . .
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Zu Recht ist allerdings das FG davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Streitjahr nicht vorgelegen haben. Denn der Begriff des Hausstands im Sinne dieser Vorschrift setzt einen Familienhausstand voraus. Dieser liegt nicht vor, wenn bei Begründung der doppelten Haushaltsführung in dem außerhalb des Beschäftigungsorts eingerichteten Haushalt nur eine Person lebt, mit der der Steuerpflichtige nicht verheiratet ist; auch nur Verlobte unterhalten keinen Familienhausstand. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Urteile vom 22. September 1988 VI R 53/85 (BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293), und vom 21. Oktober 1988 VI R 147/86 (BFHE 155, 518, BStBl II 1989, 561). Auf die vom FG festgestellten, vom Kläger aber mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Tatsachen, daß die Partner im Streitjahr nicht verlobt gewesen seien und auch später nicht geheiratet hätten, kommt es deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
Zu Unrecht hat das FG es aber abgelehnt, die geltend gemachten Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als allgemeine Werbungskosten anzuerkennen. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat ledige Arbeitnehmer verheirateten Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen, steuerrechtlich weitgehend gleichgestellt, wenn sie nur vorübergehend einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer nachgehen, den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen am bisherigen Wohnort beibehalten, dort ihre Wohnung aufrechterhalten und nach Beendigung der auswärtigen Tätigkeit voraussichtlich wieder an diesen Wohnort zurückkehren (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1982 VI R 123/81 BFHE 137, 474, BStBl II 1983, 269, m. w. N.). In diesen Fällen muß die auswärtige Beschäftigung allerdings von vornherein auf kurze Dauer angelegt sein (BFH-Urteil vom 29. Januar 1988 VI R 146/85, BFH/NV 1988, 365). Das war hier der Fall.
Wie der Senat im Urteil in BFHE 137, 474, BStBl II 1983, 269 ausgesprochen hat, ist eine auswärtige Beschäftigung von zwei Jahren ,,von verhältnismäßig kurzer Dauer". Nur für diesen Zeitraum war zunächst die Beschäftigung des Klägers vorgesehen; ob sie über zwei Jahre hinaus andauern würde, war offen. Der Kläger war deshalb in einer ähnlich ungewissen Lage wie ein Arbeitnehmer, der zunächst ein Probearbeitsverhältnis eingeht und nicht weiß, ob sich daraus ein dauerndes Beschäftigungsverhältnis bei diesem Arbeitgeber ergibt. Für den Fall des Probearbeitsverhältnisses hat der BFH im Urteil in BFH/NV 1988, 365, 366 (re. Sp.) aber entschieden, daß es im vorliegenden Zusammenhang nur auf die Kurzfristigkeit des Probearbeitsverhältnisses und die dadurch begründete Ungewißheit ankomme, die es unzumutbar erscheinen lasse, die bisherige Wohnung aufzugeben. Ausdrücklich hat der Senat dort hervorgehoben, daß die Annahme einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer in diesen Fällen nicht voraussetze, daß auch feststeht, daß der Arbeitnehmer nicht auf Dauer bei diesem Arbeitgeber tätig sein wird.
Die Vorentscheidung, die dieser Rechtsauffassung nicht entspricht, ist aufzuheben und gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der geltend gemachten Aufwendungen nachzuholen.
Fundstellen
Haufe-Index 417385 |
BFH/NV 1991, 301 |