Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der nachträglichen Minderung des Kaufpreises eines anlässlich der Betriebsaufgabe veräußerten Grundstücks; Selbständigkeit und Bindungswirkung einzelner Regelungen eines Gewinnfeststellungsbescheids
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Grundstück im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe veräußert und zu einem späteren Zeitpunkt der Kaufpreis aus Gründen, die im Kaufvertrag angelegt waren, gemindert, so ist nach ständiger Rechtsprechung nur der tatsächlich erzielte Veräußerungserlös in das Betriebsaufgabeergebnis einzustellen. Gleiches kann dann gelten, wenn der ursprüngliche Kaufvertrag aufgehoben und das Grundstück zu einem geringeren Preis an neue Erwerber veräußert wird.
2. Zur Selbständigkeit der einzelnen Regelungen eines Gewinnfeststellungsbescheids (hier: Betriebsaufgabetatbestand; Höhe des Betriebsaufgabegewinns) und deren Bindungswirkung.
Normenkette
AO 1977 §§ 175, 179-180; EStG § 16 Abs. 3; FGO § 48
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ―die X-KG i.L.― betrieb bis Anfang 1989 in A-Stadt ein Baugeschäft.
1. Im Zuge der Beendigung ihrer gewerblichen Tätigkeit verkaufte sie mit notariellem Vertrag vom 14. Dezember 1988 das bis dahin in ihrem Anlagevermögen ausgewiesene Firmengrundstück H-Straße an die K. Baugenossenschaft (im Folgenden: KBau). Auf dem Grundstück befanden sich u.a. ein Bürogebäude sowie verschiedene Fertigungsstätten (Schreinerei, Sägewerk); es war mit Grundpfandrechten zugunsten der Kreissparkasse O. belastet. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten gingen am 31. März 1989 auf die KBau über. Da diese das Grundstück zum Zwecke der Wohnbebauung nutzen wollte, wurden für den Kaufpreis (insgesamt 2 Mio. DM) Ratenzahlungen entsprechend dem Planungsfortschritt vereinbart. Für den Fall, dass der "Bebauungsplan ganz oder auch nur in Teilen nicht zu Stande kommt", behielt sich die Erwerberin das Recht zum Rücktritt vor. Sie entrichtete die erste Kaufpreisrate im Juni 1989 sowie die zweite Rate im Februar 1998 (insgesamt somit: 2 x 0,5 Mio. DM = 1 Mio. DM).
2. Zu weiteren Zahlungen kam es nicht mehr, da die zu erwartenden Feststellungen des Bebauungsplans durch die Stadt A. ("Mischgebiet") nicht den Erwartungen der KBau ("reines Wohngebiet") entsprachen und ab Mitte 1996 die Kreissparkasse die Zwangsversteigerung des Grundstücks betrieb.
Daraufhin wurden im Juli 1999 drei Vereinbarungen getroffen:
a) Zum einen veräußerte die Klägerin mit den beiden notariellen Verträgen vom 14. Juli 1999 zum Preis von jeweils 156 DM/qm eine Teilfläche des Grundstücks (rd. 5 500 qm) zu Miteigentum an die Stadt A. (43/100) sowie an einen privaten Schulverein (57/100) sowie die verbleibende Restfläche (240 qm) an einen der Gesellschafter der Klägerin (Herrn Y.). Die Kaufpreisschulden (insgesamt 0,9 Mio. DM; davon Stadt/Verein: 862 560 DM; Herr Y.: 37 440 DM) standen unter dem Vorbehalt eines abweichenden Vermessungsergebnisses; die Kaufpreiszahlungen durften von der Treuhänderin (Kreissparkasse) erst nach Löschung der vorrangigen Belastungen ―einschließlich der Auflassungsvormerkung zugunsten der KBau― an die Klägerin ausgekehrt werden.
b) Zum anderen wurde eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der KBau unter Zustimmung der Kreissparkasse sowie der Stadt A. getroffen, nach der die KBau zugunsten der Ansiedelung einer Schule "auf das Grundstück verzichtet" und die Löschung ihrer Auflassungsvormerkung unter der Voraussetzung bewilligt, dass ihr die geleisteten Kaufpreisraten erstattet und die ihr entstandenen Bauvorbereitungskosten (teilweise) ersetzt werden. Zudem ging die Stadt A. die Verpflichtung ein, der KBau Ersatzgrundstücke zum Zwecke der Wohnbebauung anzubieten.
3. Erklärungsgemäß ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) vom Vorliegen einer Betriebsaufgabe auf den 31. März 1989 aus und stellte den Aufgabegewinn ―ohne Berücksichtigung eines Gewinns aus dem Kaufvertrag vom 14. Dezember 1988― mit Bescheid vom 30. Januar 1992 fest. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung gelangte das FA hingegen zu der Auffassung, dass die Grundstücksveräußerung an die KBau rechtswirksam vereinbart worden sei und sich deshalb das Aufgabeergebnis (u.a.) um den hierbei erzielten Gewinn (2 Mio. DM [Kaufpreis] abzüglich 19 340 DM [Grundstücksbuchwert] = 1 980 660 DM) auf 2 458 945 DM erhöht habe. Der hierzu ergangene Änderungsbescheid vom 22. Februar 1996 wurde während des Einspruchsverfahrens ―aus zwischen den Beteiligten nicht mehr umstrittenen Gründen― mehrfach geändert (zuletzt am 19. Oktober 1998), ohne dass dem Anliegen der Klägerin, das Aufgabeergebnis um den vom FA angesetzten Grundstücksveräußerungsgewinn zu mindern, entsprochen worden wäre.
4. Der Einspruch blieb ebenso wie die Klage ohne Erfolg. Der Gewinn aus dem Verkauf des Grundstücks H-Straße sei, so das Finanzgericht (FG), mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (31. März 1989) ―unabhängig von einer späteren Auflösung des Kaufvertrags (vom 14. Dezember 1988)― realisiert worden. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die KBau nicht das ihr nach dem Vertrag vom 14. Dezember 1988 zustehende Rücktrittsrecht ausgeübt, sondern zur Wahrung ihrer Interessen im Juli 1999 lediglich für die Zukunft auf die Ausübung ihrer Vertragsrechte gegen Vereinbarung von Ersatzleistungen (z.B. Kostenerstattung, Anbieten von Ersatzflächen zum Zwecke der Wohnbebauung) verzichtet habe. Bereits dies stehe der Annahme eines rückwirkenden Ereignisses i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) entgegen. Hinzu komme, dass das Grundstück nicht an die ursprüngliche Erwerberin (KBau), sondern an neue Vertragsparteien übereignet worden sei.
5. Mit der Revision rügt die Klägerin vor allem, das FG habe verkannt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) jede Änderung des Verkaufspreises auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs zurückzubeziehen sei und damit die Höhe des anzusetzenden Gewinns ändere. Unerheblich sei demnach, ob der Vertrag zivilrechtlich rückwirkend oder lediglich mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werde. Folge hiervon sei für den Streitfall, dass das Grundstück im März 1989 zum gemeinen Wert in das Privatvermögen entnommen worden sei; diesen Wert habe die Klägerin auf 0,9 Mio. DM geschätzt, so dass der im Änderungsbescheid angesetzte Veräußerungsgewinn (2 458 945 DM) um 1,1 Mio. DM auf 1 358 945 DM herabgesetzt werden müsse.
6. Der erkennende Senat hat den Beteiligten Gelegenheit gegeben, zur Frage einer etwaigen Vollbeendigung der Klägerin Stellung zu nehmen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat hierzu ―unwidersprochen― vorgetragen, die Gesellschafter seien darüber einig gewesen, dass die X-KG bis zur Begleichung aller Gesellschaftsschulden (einschließlich derjenigen des anhängigen Steuerprozesses) gesellschaftsrechtlich fortbestehen soll. Demgemäß habe die Gesellschafter die Verpflichtung zur Zahlung von Nachschüssen getroffen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den Feststellungsbescheid 1989 vom 19. Oktober 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2001 dahin abzuändern, dass der Aufgabegewinn in Höhe von 1 358 945 DM festgestellt und auf die Gesellschafter entsprechend ihrer Anteilsquote verteilt wird,
2. hilfsweise, das Urteil der Vorinstanz sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt sinngemäß,
1. die Revision als unzulässig zu verwerfen,
2. hilfsweise, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Die Klägerin war ―als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter― nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO zur Klageerhebung befugt. Sie hat ihre Beteiligtenfähigkeit auch nicht während des Revisionsverfahrens verloren, da sich ihre Gesellschafter ―wie der Bevollmächtigte unwidersprochen vorgetragen hat― im Hinblick auf die Erfüllung der noch ausstehenden Verbindlichkeiten der X-KG zur Zahlung von Nachschüssen in das Gesamthandsvermögen verpflichtet haben. Dies schließt nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht nur die handelsrechtliche Vollbeendigung der KG, sondern darüber hinaus auch ihre faktische Beendigung aus (vgl. BFH-Urteile vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333; vom 27. April 1993 VIII R 27/92, BFHE 171, 392, BStBl II 1994, 3; vom 25. Juni 1992 IV R 86/90, BFH/NV 1993, 457; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler ―HHSp―, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 48 FGO Rz. 117, m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschafter (erkennbar) nicht in der Lage wären, ihrer Nachschusspflicht zu genügen, sind nicht ersichtlich; hiergegen spricht insbesondere die vom Bevollmächtigten im Zusammenhang mit den Rechnungen aus dem Jahre 2003 geschilderte Handhabung.
2. Das FG hat verkannt, dass die Höhe des Betriebsaufgabegewinns nach dem von der X-KG für das Grundstück H-Straße tatsächlich erzielten Veräußerungspreis zu bestimmen ist.
Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr (1989) geltenden Fassung (EStG 1987) gilt auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebs als Veräußerung des Gewerbebetriebs. Werden im Rahmen der Aufgabe des Betriebs einzelne Wirtschaftsgüter veräußert, sind bei der Bestimmung des Aufgabegewinns die Veräußerungspreise anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG 1987; jetzt Satz 6). Werden hingegen die Wirtschaftsgüter nicht veräußert, sondern entnommen, so geht ihr gemeiner Wert in das Aufgabeergebnis ein (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG 1987; jetzt Satz 7).
a) Kennzeichen einer Betriebsaufgabe ist, dass aufgrund eines einheitlichen Entschlusses die bisherige betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird und alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang, also innerhalb kurzer Zeit, entweder betriebsfremden Zwecken zugeführt oder einzeln an verschiedene Erwerber veräußert werden (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 2001 IV R 14/00, BFHE 195, 290, BStBl II 2001, 798, 800).
Der erkennende Senat hat nicht zu überprüfen, ob diese Voraussetzungen im Streitjahr (1989) von der X-KG erfüllt wurden, da Gegenstand des anhängigen Verfahrens ausschließlich die Höhe des im Jahre 1989 festzustellenden Aufgabegewinns ist.
Ein Gewinnfeststellungsbescheid (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) enthält ―wie insbesondere die Regelungen des § 352 Abs. 1 AO 1977 sowie des § 48 Abs. 1 FGO zeigen― eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen. Sie können nicht nur eigenständig in Bestandskraft erwachsen, sondern entfalten darüber hinaus für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Januar 2003 VIII B 108/01, BFHE 201, 6, BStBl II 2003, 335). Aufgrund dieses bindenden Stufenverhältnisses ist es nicht nur ausgeschlossen, in einem finanzgerichtlichen Verfahren, in dem lediglich über die Höhe des laufenden gewerblichen Gewinns gestritten wird, die nicht angefochtene und rechtlich vorrangige Feststellung des Bescheids dazu, dass überhaupt in mitunternehmerschaftlicher Verbindung gewerbliche Einkünfte erzielt worden sind, in Frage zu stellen (BFH-Beschluss in BFHE 201, 6, BStBl II 2003, 335; BFH-Urteil vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544, m.w.N.). Gleiches gilt vielmehr auch für das Verhältnis von Betriebsaufgabetatbestand ―Vorfrage― zur Höhe des Betriebsaufgabegewinns ―Folgefrage― (vgl. dazu BFH-Urteile vom 6. Dezember 2000 VIII R 21/00, BFHE 194, 97, BStBl II 2003, 194; vom 30. März 1999 VIII R 15/97, BFH/NV 1999, 1468; BFH-Beschluss vom 24. Mai 1995 VIII B 153/94, BFH/NV 1995, 1078; BFH-Urteile vom 17. Oktober 1985 IV R 34/84, BFH/NV 1987, 374; vom 17. Dezember 1970 IV R 119/68, BFHE 101, 354).
b) Da das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück H-Straße sowohl im sachlichen als auch im zeitlichen Zusammenhang mit dem Aufgabevorgang der KBau übertragen worden ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 26. Januar 1989 IV R 86/87, BFHE 156, 141, BStBl II 1989, 456; Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 24. Aufl., § 16 Rz. 291, m.w.N.), war auch der hierbei erzielte Gewinn als Teil des Betriebsaufgabeergebnisses zu erfassen.
aa) Dem Vorliegen eines solchen sachlichen (wirtschaftlichen) Zusammenhangs steht nicht entgegen, dass der Gewinn aus der Veräußerung des zum Umlaufvermögen eines gewerblichen Grundstückshändlers gehörenden Grundbesitzes nicht i.S. von § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG 1987 "im Rahmen der Aufgabe des Betriebs" anfällt, sondern der bisherigen und somit nicht nach den §§ 16, 34 EStG begünstigten unternehmerischen Tätigkeit zuzuordnen ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 6. Juli 2005 VIII R 65/02, zur Veröffentlichung bestimmt, m.w.N.). Dieser Einschränkung kommt für die Beurteilung des Streitfalls deshalb keine Bedeutung zu, weil nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt kein Zweifel daran bestehen kann, dass das mit verschiedenen Fertigungsstätten bebaute Grundstück H-Straße zum Anlagevermögen der X-KG gehörte. Hiervon gehen erkennbar auch die Verfahrensbeteiligten aus.
bb) Die Grundstücksübertragung stand ferner auch im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe.
(1) Der erkennende Senat kann im Rahmen der Prüfung dieser Voraussetzung offen lassen, ob aus der bestandskräftigen Feststellung zum Vorliegen einer Betriebsaufgabe im Jahre 1989 (s. oben zu Abschn. II.2.a der Gründe) zugleich ―d.h. ohne eine weitere materiell-rechtliche Prüfung― abzuleiten ist, dass der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks H-Straße im zeitlichen Zusammenhang mit dem Aufgabevorgang erzielt wurde. Insbesondere ist nicht darauf einzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die für einzelne Regelungen eines Feststellungsbescheids vorgelagerten Umstände rechtlicher und tatsächlicher Art ―hier: zusammengeballte Gewinnrealisierung bezüglich aller wesentlichen Betriebsgrundlagen einschließlich des Grundstücks H-Straße― Bindungswirkung entfalten (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1998 III R 61/97, BFHE 187, 526, BStBl II 1999, 390, 396 f.), da auch bei materiell-rechtlicher Würdigung des Streitfalls ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Grundstücksveräußerung und Betriebsaufgabe ―jedenfalls im Ergebnis― nicht fraglich sein kann.
(2) Allerdings ist in der Rechtsprechung umstritten, ob hierbei auf die schuldrechtliche Abrede (hier: Kaufvertrag vom 14. Dezember 1988; vgl. BFH-Beschluss vom 30. April 1996 X B 41/96, BFH/NV 1996, 881) oder auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung abzustellen ist (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637; Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 292). Der erkennende Senat neigt zwar zu letzterer Ansicht, da das Merkmal des einheitlichen Aufgabevorgangs sicherstellen will, dass auch in Fällen der Betriebsaufgabe nur die (zeitlich) zusammengeballte Realisierung stiller Reserven nach den §§ 16, 34 EStG begünstigt wird (BFH-Urteil in BFHE 195, 290, BStBl II 2001, 798, 801; Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 192 f., m.w.N.). Auch dies kann im anhängigen Verfahren aber ebenso offen bleiben wie die weitere Frage danach, in welcher Höhe die Abreden des Kaufvertrags vom 14. Dezember 1988 zur Realisierung eines Gewinns geführt haben. Beides bedarf deshalb keiner Entscheidung, weil zum einen sowohl der Kaufvertragsschluss als auch der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (31. März 1989) zeitlich dem Aufgabevorgang zuzuordnen ist. Zum anderen kommt hinzu, dass ―wie nachfolgend unter Abschn. II.2.c der Gründe dargelegt― der auf den Übergabezeitpunkt anzusetzende Gewinn nicht nach den Verhältnissen des Wirtschaftsjahres der Betriebsaufgabe (hier: 1989), sondern rückwirkend und damit unter Durchbrechung des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung sowie des Realisationsprinzips nach Maßgabe der im Juli 1999 geschlossenen Verträge zu ermitteln ist mit der weiteren Folge, dass der von der X-KG tatsächlich erzielte Veräußerungserlös Eingang in den im Streitjahr zu erfassenden Betriebsaufgabegewinn findet.
c) Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) ist in der nachträglichen Änderung des für die Veräußerung eines Gewerbebetriebs vereinbarten Kaufpreises ein Ereignis zu sehen, das i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 auf den Veräußerungszeitpunkt zurückwirkt und damit die Höhe des Veräußerungsgewinns entsprechend dem tatsächlichen Forderungsausfall beeinflusst. Unerheblich für die rückwirkende Korrektur des Steuer- oder Feststellungsbescheids sei, so der Große Senat des BFH, ob die tatsächlichen oder rechtlichen Gründe, die zur Änderung des Kaufpreises führen, bereits im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt gewesen oder erst nach Vertragsschluss eingetreten seien. Dem komme deshalb keine Bedeutung zu, weil die Regelungen der §§ 16, 34 EStG im Rahmen eines punktuellen Besteuerungszugriffs einen Härteausgleich für die zusammengeballte Aufdeckung stiller Reserven schaffen wollten. Sie beruhten mithin auf der Annahme, dass das Veräußerungsgeschäft ohne Störungen so abgewickelt werde, wie es vertraglich vereinbart worden sei. Erfülle sich diese Erwartung nicht, könne auch nur der tatsächlich erzielte Gewinn Anknüpfungspunkt für Begünstigung nach den §§ 16, 34 EStG sein. Diese Beurteilung widerspreche nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung; insbesondere werde das Realisationsprinzip nicht verletzt, weil den Regelungen über die Ermittlung des Veräußerungsgewinns (§ 16 Abs. 2 EStG) Vorrang zukomme. Vielmehr entspreche sie dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, da sie einerseits die Besteuerung nicht erzielter (Veräußerungs-)Gewinne vermeide, andererseits aber auch einer Überentlastung begegne, die aufgrund des Zusammentreffens von überhöhtem Veräußerungsgewinn und nachträglichem Verlust (zu Lasten des laufenden Gewinns) eintreten könne.
aa) Nach diesen Grundsätzen, die gleichfalls für den Fall der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG 1987 (jetzt: Satz 6; BFH-Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564) zum Tragen kommen und sinngemäß auch bei noch nicht bestandskräftigen Bescheiden (Senatsurteil vom 19. April 2005 VIII R 68/04, BFHE 209, 476) zu beachten sind, kann nicht zweifelhaft sein, dass die Ausübung des Rücktrittsrechts durch die KBau zur Folge gehabt hätte, dass der Kaufpreisanspruch aus dem Vertrag vom 14. Dezember 1988 erloschen wäre und damit ―wie von der Rechtsprechung bereits vor dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 entschieden (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1982 VIII R 54/81, BFHE 137, 456, BStBl II 1983, 315)― auch nicht mehr der Ermittlung des Aufgabegewinns hätte zu Grunde gelegt werden können. Nichts anderes gilt für den zwischen der X-KG und der KBau geschlossenen Aufhebungsvertrag vom Juli 1999 (s. zum Vergleich bezüglich auflösender Bedingungen eingehend Senatsurteil vom 19. August 2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107). Der Senat hat hierbei ―angesichts der Regelung des § 41 AO 1977― weder der Frage nachzugehen, ob der ―anschließend vollzogene― Vertrag nach § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB― a.F. (jetzt § 311b BGB n.F.) der notariellen Beurkundung bedurft hätte (vgl. hierzu sowie zur Heilung Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 57. Aufl., § 313 Rdnr. 39 f.), noch ist die Rückwirkung dieser Abrede auf die Bestimmung des Betriebsaufgabegewinns davon abhängig, in welcher Höhe der (ursprüngliche) Kaufvertrag vom 14. Dezember 1988 im Wirtschaftsjahr der Betriebsaufgabe mit dem Anfall eines Gewinns verbunden war (s. hierzu bereits oben zu Abschn. II.2.b bb zu (2) sowie ―betreffend die spätere Erfüllung im Betriebsaufgabezeitpunkt bestrittener und damit nicht aktivierbarer Schadensersatzforderungen― BFH-Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564; ebenso zu Verbindlichkeiten sowie zu Veräußerungskosten BFH- Urteil vom 1. August 1996 VIII R 36/95, BFH/NV 1997, 216; BFH- Beschluss vom 11. September 1997 IV B 81/96, BFH/NV 1998, 317; BFH-Urteil vom 8. Oktober 1997 XI R 20/97, BFH/NV 1998, 701).
bb) Soweit die Klägerin aus den vorstehenden Erwägungen ableitet, dass aufgrund des rückwirkenden Wegfalls der ursprünglichen Kaufpreisforderung das Grundstück entnommen worden und deshalb sein gemeiner Wert zum 31. März 1989 als Teil des Aufgabegewinns anzusetzen sei (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG 1987; jetzt: Satz 7), kann der Senat dem nicht beipflichten. Die Ansicht verkennt, dass mit dem Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten (31. März 1989) das wirtschaftliche Eigentum im Zuge der Abwicklung des Betriebs der X-KG übertragen worden ist; dies schließt ―da auch dieser Vorgang der betrieblichen Tätigkeit der X-KG angehörte (vgl. BFH-Vorlagebeschluss vom 26. März 1991 VIII R 55/86, BFHE 166, 21, BStBl II 1992, 479, 482)― die Verwendung des Grundstücks für "betriebsfremde Zwecke" i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG und damit auch den Tatbestand der Entnahme aus. Gegenstand einer Entnahme könnte mithin allenfalls die aus dem Kaufvertrag vom 14. Dezember 1988 erlangte Kaufpreisforderung sein (offen BFH-Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, zu C.II.4. der Gründe; BFH-Urteil vom 19. August 1999 IV R 67/98, BFHE 190, 150, BStBl II 2000, 179, 182; vgl. zum Streitstand Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 381).
cc) Hierauf ist indes nicht einzugehen, weil ―wie ausgeführt― mit dem Erlöschen der ursprünglichen Kaufpreisforderung auch deren Einwirkung auf den Aufgabegewinn aufgehoben wurde (vgl. dazu auch Groh, Der Betrieb ―DB― 1995, 2235, 2239 und 2240); in diesen ist vielmehr ―in Fortentwicklung der dargelegten Grundsätze zur rückwirkenden Berücksichtigung von Vertragsänderungen― das von der X-KG aus den Kaufverträgen vom 14. Juli 1999 erzielte Entgelt einzustellen.
aaa) Dabei kann dahinstehen, ob eine solche Rückwirkung auch dann zu bejahen sein könnte, wenn nach Aufhebung des zunächst geschlossenen Kaufvertrags der Veräußerer aufgrund eines von der Rückabwicklung getrennten weiteren Rechtsgeschäfts über den Kaufgegenstand zu Gunsten eines Dritten verfügt. Jedenfalls rechtfertigen es die Gründe, die für die rückwirkende Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Veräußerungserlöses sprechen, hierzu unter den Gegebenheiten des Streitfalls auch die Kaufpreiszahlungen zu fassen, die die X-KG von den "Zweiterwerbern" (Stadt A., Schulverein, Herrn Y.) erhalten hat.
bbb) Wie dargelegt, fußt die Qualifikation der nachträglichen Änderung (oder Aufhebung) eines Kaufvertrags als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 auf der Zwecksetzung der §§ 16, 34 EStG, den Vorgang der Betriebsveräußerung oder -aufgabe als in sich geschlossene Einheit zu begünstigen. Ihr Regelungsanliegen ist mithin nicht auf die Behandlung des Vorgangs beim Erwerber gerichtet; insbesondere bleibt dessen Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer (grundsätzlich) unberührt (vgl. hierzu auch Senatsurteile vom 19. August 2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107, 111; vom 17. Februar 2004 VIII R 28/02, BFHE 205, 426, BStBl II 2005, 46). Der Begünstigungszweck der §§ 16, 34 EStG zielt vielmehr auf den Veräußerer; er ist bei ihm durch den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und somit nach dem von ihm tatsächlich erzielten Gewinn begrenzt.
(1) Hätte demnach die KBau angesichts dessen, dass der im Jahre 1999 zu erwartende Bebauungsplan ihren Vertragsinteressen nicht entsprach, mit der X-KG ―anstelle der Ausübung ihres Rücktrittsrechts― eine Herabsetzung des Kaufpreises vereinbart, so kann nicht fraglich sein, dass eine solche Abrede rückwirkend den Betriebsaufgabegewinn des Streitjahres (1989) beeinflusst hätte (vgl. zur vergleichsweisen Kaufpreisminderung auch BFH- Urteil in BFHE 205, 426, BStBl II 2005, 46 a.E.). Unerheblich hierfür wäre auch, ob die KBau das Grundstück behalten oder ―beispielsweise zu den geänderten Konditionen ihres Erwerbs― an die Stadt A. sowie den Schulverein weiterveräußert hätte.
(2) Entsprechendes muss für das anhängige Verfahren gelten. Zwar wurde im Streitfall nicht der Kaufpreis gemindert, sondern der ursprüngliche Kaufvertrag einvernehmlich aufgehoben und neue Kaufverträge geschlossen. Gleichwohl ist hierdurch der Zusammenhang zur Betriebsaufgabe nicht gelöst worden, da die Veräußerin (X-KG) nicht ―wie im Falle eines Vertragsrücktritts durch die KBau― ein eigenständiges Entscheidungsrecht über die Verwertung des Grundstücks erlangt hat. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang der getroffenen Abreden zweifelsfrei, dass die KBau "ausschließlich zum Zwecke der Ansiedlung einer Schule" bereit war, auf ihre Vertragsrechte zu verzichten, und somit die X-KG nur im Rahmen dieser Zweckbestimmung, die zudem im Kaufvertrag vom 14. Juli 1999 durch eine Bauverpflichtung der Schule gegenüber der Stadt A. abgesichert wurde, über das Grundstück H-Straße verfügen konnte. Demgemäß waren die Kaufverträge des Jahres 1999 aus der maßgeblichen Sicht der X-KG nicht Ausdruck einer (wiedererlangten) freien Verfügungsbefugnis über das Grundstück, sondern regelten vielmehr ―bei wirtschaftlicher Betrachtung und damit in ihrer Zusammenschau― Modalitäten zur Minderung des Kaufpreises aus dem ursprünglich geschlossenen Vertrag unter Wahrung der Interessen der Ersterwerberin (KBau). Sie sind deshalb mit den hierfür aufgezeigten Rechtsfolgen verbunden.
(3) Letzteres gilt nicht nur für die an die Stadt A. sowie die Schule veräußerten Flächen, sondern gleichermaßen für die auf den Gesellschafter der X-KG (Herr Y.) übertragene Teilfläche. Abgesehen davon, dass der hierfür geschuldete Preis pro Quadratmeter demjenigen der anderen Kaufparteien entsprach, unterlag auch diese Teilveräußerung dem Einverständnis der Ersterwerberin (KBau). Abweichendes ergibt sich schließlich nicht aus der Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG in der für das Kalenderjahr 1999 geltenden Fassung (zuvor: § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG in der für das Kalenderjahr 1994 geltenden Fassung; jetzt: Satz 5), nach der der Gewinn, der aus der Veräußerung einzelner dem Betrieb gewidmeter Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufgabe erzielt wird, insoweit als laufender Gewinn gilt, als auf der Seite des Veräußerers und auf der Seite des Erwerbers dieselben Personen Unternehmer oder Mitunternehmer sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. Juni 2004 VIII R 7/01, BFHE 205, 307, BStBl II 2004, 754). Die durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) mit Wirkung für Veräußerungen nach dem 31. Dezember 1993 eingefügte Vorschrift ist für den Streitfall nicht anwendbar. Zwar hat die X-KG das Grundstück im Jahre 1999 auf die Zweiterwerber übertragen; der hierbei erzielte Veräußerungsgewinn ist jedoch ―wie ausgeführt― der Grundstückübertragung des Streitjahrs (1989) zuzuordnen und damit vor dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG in der für das Kalenderjahr 1994 geltenden Fassung zu erfassen (Art. 34 StMBG; vgl. allgemein Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 4 AO Tz. 12 ff.).
3. Die Sache ist nicht spruchreif, da die Vorinstanz keine Feststellungen zu den von den Zweiterwerbern tatsächlich gezahlten Kaufentgelten und damit auch keine Feststellungen zu dem hieraus sich ergebenden Veräußerungsgewinn getroffen hat. Sie ist deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1475587 |
BFH/NV 2006, 644 |
BStBl II 2006, 307 |
BFHE 2006, 458 |
BFHE 211, 458 |
BB 2006, 368 |
DB 2006, 423 |
DB 2007, 6 |
DStR 2006, 231 |
DStRE 2006, 318 |
DStZ 2006, 138 |
DStZ 2006, 160 |
HFR 2006, 478 |