Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff des Herstellungsbetriebs im mineralölsteuerrechtlichen Sinn.
2. Die Entnahme von Mineralöl aus dem Transformator, in den es unter steuerbegünstigter Verwendung unversteuert eingefüllt worden ist, ist Mineralölherstellung.
Orientierungssatz
Normen, die eine Steuerpflicht begründen, müssen nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein. Die Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer Norm aber noch nicht die erforderliche Bestimmtheit (vgl. BVerfG-Rechtsprechung).
Normenkette
MinöStG § 3; MinöStDV § 5 Abs. 1 Fassung: 1962-02-04, § 23 Abs. 2 Nr. 3 Fassung: 1962-02-04
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 03.09.1982; Aktenzeichen IV 133/81 N) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) kaufte im August 1978 von einem Schrotthändler 6 930 kg Mineralöl, von denen 5 430 kg versteuert und der Rest unversteuert waren. Das Öl befand sich in einem Transformator, den der Schrotthändler von der S-AG, einem Stromversorgungsunternehmen, erworben hatte. Der Kläger ließ das Mineralöl am Standort des Transformators im Umspannwerk C in einen Tankwagen pumpen und abtransportieren. Er verkaufte es als "helles Mineralöl, mineralölversteuert" weiter. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) sah in der Entnahme des Öls eine Wiedergewinnung von Mineralöl und forderte mit Steuerbescheid vom 12.Dezember 1979 gemäß § 3 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) vom Kläger als Hersteller für 6 930 kg Mineralöl Mineralölsteuer in Höhe von 3 440,70 DM. Dem Einspruch des Klägers gab das HZA insoweit statt, als es die Steuerschuld für 1 500 kg Mineralöl festsetzte und nur noch 744,70 DM Mineralölsteuer anforderte.
Die hiergegen erhobene Klage hielt das Finanzgericht --FG-- (Urteil vom 3.September 1982 IV 133/81 N, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1983, 305) für begründet. Die Veräußerung des Transformators sei eine zweckwidrige Verwendung, aufgrund derer die bedingte Steuerschuld in der Person der S-AG unbedingt geworden sei.
In seiner Revisionsbegründung vertritt das HZA die Auffassung, daß die Vorentscheidung § 23 Abs.2 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) --hier maßgebend i.d.F. der 9.Änderungsverordnung vom 4.Februar 1962 = a.F. (BGBl I 1962, 61), insoweit aber übereinstimmend mit der jetzt geltenden Fassung-- verletze. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Entscheidung, daß der angefochtene Steuerbescheid rechtmäßig ist. Danach ist der Kläger Schuldner der streitbefangenen Mineralölsteuer geworden, weil das der Mineralölsteuer unterliegende Mineralöl aus einem Herstellungsbetrieb im Sinne des Gesetzes entfernt worden und der Kläger als Hersteller dieses Mineralöls anzusehen ist. Nach § 3 MinöStG 1964 (BGBl I 1963, 1003) entsteht --insoweit übereinstimmend mit § 3 MinöStG nach der jetzt geltenden Fassung-- die Steuerschuld mit der Entfernung des Mineralöls aus dem Herstellungsbetrieb und ist der Inhaber des Herstellungsbetriebs (Hersteller) der Steuerschuldner.
1. Die Steuerschuld ist durch den Abtransport des aus dem Transformator entnommenen Mineralöls entstanden, da das Mineralöl spätestens in diesem Zeitpunkt aus einem Herstellungsbetrieb entfernt worden ist.
a) Herstellungsbetrieb i.S. des § 3 MinöStG ist nach § 5 Abs.1 MinöStDV a.F. grundsätzlich jeder Betrieb, in dem steuerbares Mineralöl gewonnen wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach den Feststellungen des FG ist nicht zweifelhaft, daß das aus dem Transformator entnommene Mineralöl steuerbar ist.
aa) Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Schlußfolgerung, daß das streitbefangene Mineralöl mit der Entnahme aus dem Transformator gewonnen worden ist. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen des Klägers, die Firma P habe das Öl als versteuert an ihn verkauft, zutreffend sind, weil nach den Feststellungen des FG davon auszugehen ist, daß erst der Vorgang der Wiedergewinnung dazu geführt hat, daß Mineralöl vorlag. Daher sind die Angaben über den vorherigen steuerrechtlichen Zustand des Mineralöls bedeutungslos.
Die Gewinnung von Mineralöl i.S. des § 5 Abs.1 MinöStDV a.F. wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß das Mineralöl vor Beginn des Gewinnungsvorgangs bereits stofflich vorhanden ist (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer, Mineralölzoll, 5.Aufl., § 3 Rdziff.35).
Das ist bereits den Regelungen in § 5 Abs.3 MinöStDV a.F., insbesondere dessen Nr.3, zu entnehmen. Danach gilt für einen Betrieb die Entnahme von Mineralöl aus Waren der Abschn.XVI und XVII des Zolltarifs (ZT) dann nicht als Mineralölherstellung, wenn das Mineralöl ausschließlich im Betrieb selbst wieder verwendet wird. Waren im Sinne der genannten Abschnitte des ZT sind u.a. Maschinen, Apparate und mechanische Geräte. Aus der besonderen Regelung in der MinöStDV, daß die Entnahme von Mineralöl aus diesen Waren unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Mineralölherstellung gilt, ist zu schließen, daß die Entnahme des Mineralöls aus diesen Waren grundsätzlich als Mineralölherstellung angesehen werden soll. Dieses Ergebnis entspricht auch der Auswirkung für die bedingte Steuerschuld, die sich daraus ergibt, daß Mineralöl aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Steuervergünstigung für die Verwendung von Mineralöl zu gewerblichen Zwecken (§ 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG) unversteuert in Waren der genannten Art eingefüllt wird. Darin ist eine Verwendung zu dem steuerbegünstigten Zweck und als dessen Folge der Eintritt der Bedingung zu erblicken, von der die Steuervergünstigung abhängig ist, mit der Folge, daß die bedingte Steuerschuld mit dem Eintritt dieser Bedingung wegfällt. Das ergibt sich für den Streitfall aus § 4 Abs.2 Satz 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG), wird aber auch bestätigt durch die weitere Rechtsentwicklung, die zu den Regelungen in den §§ 47, 50 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) geführt hat.
Ist aber das in Waren der genannten Art enthaltene Mineralöl nicht mehr mit einer bedingten Steuerschuld belastet, so entspricht es der Regelung in § 1 Abs.1 MinöStG, daß das Mineralöl wieder mit einer Steuerschuld belastet wird, sobald es wieder aus den Waren entnommen wird.
bb) Der Auffassung des FG, die Entnahme des Mineralöls aus dem Transformator könne nicht als Mineralölgewinnung und folglich auch nicht als Mineralölherstellung angesehen werden, weil das Mineralöl durch das Einfüllen in den Transformator nicht als Verbrauch i.S. des § 23 Abs.2 Satz 3 MinöStDV a.F. ( § 23 Abs.2 Nr.3 MinöStDV n.F.) angesehen werden könne und die auf dem Mineralöl ruhende bedingte Steuerschuld deshalb nicht habe wegfallen können, kann nicht gefolgt werden. Das FG geht davon aus, daß ein Verbrauch in vorgenanntem Sinne nur vorliegen könne, wenn das Mineralöl nach der Verwendung stofflich nicht mehr vorhanden sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Dem Sinn und Zweck der bedingten Steuerschuld entspricht es vielmehr, einen Verbrauch des Mineralöls im Rahmen einer steuerbegünstigten Verwendung auch dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, daß stofflich noch vorhandenes Mineralöl nicht mehr dem Mineralölsteuerrecht unterliegen soll und folglich mineralölsteuerrechtlich in einer Weise bedeutungslos geworden ist, daß es nach diesem Recht nicht mehr als existent angesehen werden kann. Diese Voraussetzung ist bereits erfüllt, wenn Mineralöl aufgrund der Steuervergünstigung für gewerbliche Zwecke unversteuert etwa in Maschinen, Apparate und mechanische Geräte und folglich auch in Transformatoren eingefüllt wird (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O., § 3 Rdziff.51, § 8 Rdziff.265). Die bedingte Steuerschuld, mit der unversteuertes und zur steuerbegünstigten Verwendung bestimmtes Mineralöl belastet ist, hat zum Ziel, Mineralöl unversteuert dem steuerbegünstigten Zweck zuzuführen. Sie soll, wie sich aus § 4 Abs.2 Satz 1 StAnpG, §§ 47, 50 AO 1977 ergibt, wegfallen, sobald das Mineralöl diesem Zweck zugeführt worden ist. Es mag Fälle geben, in denen ausnahmsweise die bedingte Steuerschuld trotz zweckgerechter Verwendung des Mineralöls nicht wegfallen darf, weil das Mineralöl bei dem Verwendungsvorgang in einer Form erhalten bleibt, die es ermöglicht, es jederzeit und ohne besondere Vorkehrungen wieder zu verwenden (Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O., § 8 Rdziff.266). Ein derartiger Ausnahmefall liegt aber nicht vor, wenn Mineralöl in einen Transformator eingefüllt wird, und zwar schon deshalb nicht, weil das Mineralöl nach dem Einfüllen nicht mehr jederzeit und nicht ohne weiteres zu anderweitigen Verwendungen zur Verfügung steht; vielmehr muß das Mineralöl erst wieder aus dem Transformator entnommen werden, bevor es anderweitig verwendet werden kann. Daraus folgt, daß für unversteuertes, d.h. mit einer bedingten Steuerschuld belastetes Mineralöl, das zum Befüllen von Transformatoren verwendet werden soll, nach dem aufgezeigten Grundsatz die bedingte Steuerschuld wegfällt, sobald es in den Transformator eingefüllt ist. Daran wird deutlich, daß dieses Mineralöl mineralölsteuerrechtlich als nicht mehr existent angesehen werden soll.
Dieses Ergebnis erscheint auch unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität geboten, vor allem im Hinblick auf die Steueraufsicht, der unversteuertes Mineralöl unterliegt, das zu steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden soll (vgl. § 8 Abs.3 MinöStG). Die Möglichkeiten der Steueraufsicht müßten versagen, wenn die Steueraufsicht auch auf Mineralöl ausgedehnt werden müßte, das in Maschinen, Apparate oder mechanische Geräte eingefüllt ist, und zwar schon deshalb, weil diese Waren nach ihrer Herstellung und folglich auch nach dem Befüllen mit Mineralöl in der Regel an andere veräußert werden. Zur Durchführung der Steueraufsicht müßten die Erwerber erfaßt und außerdem Maßnahmen zur Gewährleistung von Kontrollen bei den Erwerbern getroffen werden. Das würde über die Möglichkeiten einer wirkungsvollen Steueraufsicht hinausgehen.
cc) An einem Herstellungsbetrieb fehlt es im Streitfall nicht deshalb, weil --wovon ausgegangen werden kann-- in dem Betrieb, in dem das streitbefangene Mineralöl gewonnen worden ist, keine spezifischen Anlagen zur Mineralölherstellung vorhanden waren. Für die Entscheidung über die Frage, ob das Mineralöl in einem Herstellungsbetrieb gewonnen worden ist, kommt es nicht auf die Ausstattung dieses Betriebs an (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O., § 3 Rdziff.27). Als Herstellungsbetrieb i.S. des § 3 MinöStG ist vielmehr jeder Betrieb anzusehen, in dem auf irgendeine Weise bewirkt wird, daß steuerbares Mineralöl entsteht oder gewonnen wird (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26.Juli 1977 VII R 90/75, BFHE 123, 250, 256). Diese Auslegung entspricht der Regelung in § 1 Abs.1 MinöStG, nach der jedes Mineralöl, das im Geltungsbereich des MinöStG hergestellt wird, der Mineralölsteuer unterliegt. Um das zu gewährleisten, darf die Behandlung eines Betriebs, in dem Mineralöl gewonnen worden ist, als Herstellungsbetrieb nicht an technischen Anforderungen scheitern (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O.).
dd) Für die Behandlung des Betriebs, in dem das streitbefangene Mineralöl gewonnen worden ist, als Herstellungsbetrieb i.S. des § 3 MinöStG ist auch ohne Bedeutung, ob der Betrieb klar und eindeutig abgegrenzt werden konnte. Unter Berücksichtigung der Regelung in § 1 Abs.1 MinöStG ist auch Schwierigkeiten bei der räumlichen Abgrenzung eines Betriebs keine entscheidende Bedeutung für die Behandlung als Herstellungsbetrieb beizumessen. Dagegen spricht nicht, daß die Entstehung der Mineralölsteuerschuld nach § 3 Abs.1 MinöStG u.a. von der Entfernung des Mineralöls aus dem Herstellungsbetrieb abhängig ist. Diese Regelung mag zwar in einem Fall, in dem die Abgrenzungen des Herstellungsbetriebs schwer feststellbar sind, zu Schwierigkeiten bei der Entscheidung darüber führen, ob das Mineralöl den Herstellungsbetrieb verlassen hat. Derartige Schwierigkeiten können es aber mit Rücksicht auf die Regelung in § 1 Abs.1 MinöStG nicht rechtfertigen, von einer Besteuerung des Mineralöls schlechthin abzusehen.
b) Im Streitfall kann nicht zweifelhaft sein, daß das Mineralöl aus dem Herstellungsbetrieb entfernt worden ist und daß für die Entscheidung darüber etwaige Schwierigkeiten bei der Abgrenzung dieses Betriebs nicht ursächlich werden können. Das FG hat festgestellt, das Mineralöl sei abtransportiert worden. Demnach ist das Mineralöl auch aus der räumlichen Abgrenzung des Herstellungsbetriebs, wie sie bei weitestgehender Betrachtungsweise anzunehmen ist, entfernt worden.
2. Steuerschuldner ist nach § 3 Abs.2 MinöStG der Kläger geworden, da er nach den Feststellungen des FG als Hersteller des Mineralöls anzusehen und der Hersteller nach § 3 Abs.2 MinöStG, wie sich aus dem Klammerhinweis in dieser Vorschrift ergibt, stets Steuerschuldner ist. Da das FG festgestellt hat, daß der Kläger das Mineralöl aus dem Transformator pumpen und abtransportieren ließ, ist die Entnahme des Mineralöls aus dem Transformator dem Kläger zuzurechnen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht aus der Erwägung geboten, das FG sei von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen und habe deshalb den Wiedergewinnungsvorgang nicht hinreichend genau wiedergegeben. Auch aus den Darlegungen des Klägers geht hervor, daß er diesen Vorgang veranlaßt hat. Dies entspricht auch den Feststellungen des FG.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers hat auch nicht schon die S-AG vor der Entnahme des Mineralöls aus dem Transformator die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuerschuld für dieses Mineralöl in ihrer Person dadurch erfüllt, daß sie den Transformator samt der Ölfüllung aus dem Nutzungs- und Funktionszusammenhang entnommen und zum Verschrotten bestimmt hat. Durch diese Maßnahme konnte eine Mineralölsteuerschuld deshalb nicht entstehen, weil das Mineralöl noch nicht wiedergewonnen war und deshalb Gegenstand der Maßnahmen der S-AG nicht Mineralöl sein konnte.
4. Zu Unrecht wendet sich der Kläger gegen die Bestimmtheit der Normen, die für die Entstehung der Steuer maßgebend sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- (Beschluß vom 10.Oktober 1961 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153, 160 f.) müssen Normen, die eine Steuerpflicht begründen, nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein. Die Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer Norm aber noch nicht die erforderliche Bestimmtheit (BVerfG-Beschluß vom 7.Juli 1971 1 BvR 775/66, BVerfGE 31, 255, 264).
Im Streitfall bedarf es zwar der Auslegung der die Steuerpflicht begründenden Norm (§ 3 MinöStG) unter Heranziehung der Durchführungsvorschriften (§ 5 MinöStDV). Mängel, die die Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit der Steuerlast beeinträchtigen, sind jedoch nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 61102 |
BFHE 145, 275 |
BFHE 1986, 275 |
BB 1986, 1562-1563 (ST) |
DStR 1986, 274-274 (ST) |
HFR 1986, 251-251 (ST) |