Leitsatz (amtlich)
Die Ermächtigungsvorschrift des § 1 Abs. 2 SparPG umfaßt auch die Befugnis, den Beginn der Festlegungsfrist für die Sparbeiträge zu bestimmen und dabei die im Laufe eines Kalenderhalbjahres geleisteten Sparbeiträge so zu behandeln, als ob sie bereits zu Beginn des Halbjahres erbracht worden wären.
Normenkette
SparPG § 1 Abs. 2; SparPDV § 1 Abs. 2
Tatbestand
Am 31. Dezember 1960 hat die Beigeladene mit der Klägerin einen allgemeinen Sparvertrag abgeschlossen und darauf 1 200 DM eingezahlt. Für diesen Sparbeitrag hat das FA im November 1961 antragsgemäß eine Sparprämie gewährt.
Am 14. Februar 1966 forderte die Klägerin vom FA die Prämie und die auf diese entfallenden Zinsen an. Das FA lehnte es jedoch ab, die Prämie und die Zinsen zu überweisen, weil die Festlegungsfrist mit dem 30. Juni 1965 geendet gewesen, die Frist zur Anforderung der Prämie demgemäß mit dem 31. Dezember 1965 abgelaufen gewesen sei. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch verband die Klägerin mit dem Antrag auf Nachsicht wegen Versäumung der Anforderungsfrist. Das FA lehnte den Antrag ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG mit folgender Begründung statt: Die Auffassung des FA, die Klägerin habe die Prämie und die Zinsen verspätet angefordert, sei rechtsirrig. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des SparPG vom 5. Mai 1959 (BGBl I 1959, 241, BStBl I 1959, 199) beginne die für die Anforderung der Prämie und der Zinsen vorgesehene Ausschlußfrist von sechs Monaten mit dem Ablauf der Festlegungsfrist. Diese betrage nach § 1 Abs. 1 SparPG fünf Jahre und habe daher für die von der Beigeladenen am 31. Dezember 1960 eingezahlten 1 200 DM gemäß § 188 Abs. 2 i. V. mit § 187 Abs. 1 BGB mit dem 31. Dezember 1965 geendet. Erst zu diesem Zeitpunkt habe also die sechsmonatige Ausschlußfrist für die Anforderung begonnen, so daß die Anforderung vom 14. Februar 1966 fristgerecht gewesen sei. Die Vorschriften des § 1 Abs. 2 SparPDV i. d. F. vom 19. April 1960 (BGBl I 1960, 236, BStBl I 1960, 230) über die Berechnung der Festlegungsfrist, auf die das FA den Beginn der Anforderungsfrist abgestellt habe, seien nichtig, weil sie vom Verordnungsgeber ohne gesetzliche Ermächtigung erlassen worden seien. Die Ermächtigungsvorschriften, die das SparPG in der hier maßgebenden ursprünglichen Fassung im § 1 Abs. 2 und § 6 enthalte, umfaßten die Regelung über Beginn und Ende der Festlegungsfrist nicht. Der Umstand, daß wegen der Anwendung der nichtigen Vorschrift des § 1 Abs. 2 SparPDV der Sparbeitrag der Beigeladenen nicht gemäß § 1 Abs. 1 SparPG auf volle fünf Jahre festgelegt gewesen sei, sei für die Rechtmäßigkeit der Prämienanforderung vom Februar 1966 unerheblich. Denn die Verfügung vom November 1961, durch die die Prämie gewährt worden sei, stelle für die Klägerin und für die Beigeladene einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, an den das FA gebunden sei.
In dem Verfahren vor dem FG trat die OFD als angeblicher Vertreter des FA auf. Deshalb wurde ihr das Urteil zugestellt. Die OFD sah sich auch weiterhin als Vertreterin des FA an und legte gegen das Urteil rechtzeitig Revision ein. Später legte das FA selbst Revision ein mit dem Antrag, das Urteil des FG aufzuheben, "hilfsweise" ihm wegen Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Es führte u. a. aus: Die FÄ in Berlin würden seit 1951 im Steuerprozeß durch die OFD vertreten. Da der BFH diese Praxis jahrelang gebilligt habe, treffe es kein Verschulden für sein Vertrauen darauf, daß mit der in seinem Einverständnis durch die OFD eingelegten Revison das zur Wahrung des Rechtsmittels Erforderliche getan sei. Das FG-Urteil verletze den § 4 Abs. 1 SparPG 1959 und den § 1 Abs. 2 SparPDV 1960. Die letztgenannte Vorschrift sei im Rahmen einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen worden, die der § 6 Nr. 4 SparPG enthalte.
Die Klägerin hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie macht geltend: § 6 Nr. 4 SparPG beschränke die Ermächtigung zum Erlaß von Durchführungsvorschriften auf solche Verfahrensfragen, die sich aus den §§ 3, 4 und 5 des Gesetzes ergäben. Zu einer Ermächtigung, die Festlegungsfrist zu verkürzen, habe kein Anlaß bestanden, weil der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 SparPG diese Frist selbst auf fünf Jahre festgesetzt habe. Es sei zwar unbestritten für alle Partner beim Prämiensparen sehr vorteilhaft, wenn die Festlegungsfrist auf nur zwei Anfangstermine des Jahres gestellt werde. Der Gleichheitsgrundsatz gebiete aber, in gleicher Weise bei der Auslegung der Ausschlußfrist des § 4 Abs. 1 SparPG den Geldinstituten entgegenzukommen und im vorliegenden Falle wegen der Fristversäumung Nachsicht zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die von der OFD im Namen des FA eingelegte Revision ist zulässig.
Die OFD war zwar nicht von Gesetzes wegen berechtigt, das FA im Rechtsstreit vor dem FG und dem BFH zu vertreten. Eine Vertretungsbefugnis konnte sie aber durch Vollmachtserklärung des FA erlangen (Beschluß des BFH Gr. S. 4/68 vom 10. März 1969, BFH 95, 366, BStBl II 1969, 435). Eine solche hat das FA abgegeben, indem es vortrug, es sei mit der Einlegung der Revision durch die OFD einverstanden gewesen.
Die Revision ist auch begründet.
Der Gesetzgeber hat mit dem § 1 Abs. 1 SparPG zunächst eine Grundsatzregelung getroffen, deren Bedeutung in der Aussage liegt, daß unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen für gewisse Sparbeiträge eine Prämie erhalten können. Er hat zwar schon in dieser Vorschrift den Kreis der in Betracht kommenden Sparbeiträge auf solche beschränkt, "die auf fünf Jahre festgelegt werden und nicht nach dem Wohnungsbau-Prämiengesetz begünstigt sind". Daß damit noch keine endgültige Abgrenzung getroffen sein soll, ergibt sich jedoch aus § 1 Abs. 2 SparPG; denn erst hier finden sich nähere Bestimmungen darüber, welche Aufwendungen überhaupt "als Sparbeiträge i. S. des Abs. 1 gelten", und zwar "nach Maßgabe einer Rechtsverordnung". Zu diesen Aufwendungen gehören gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 SparPG auch Beiträge auf Grund von Sparverträgen mit festgelegten Sparraten, bei denen sich von vornherein die Frage stellt, wie die im Abs. 1 erwähnte fünfjährige Festlegung für die einzelnen Sparraten gestaltet sein soll. Der Gesetzgeber hat daher schon durch die Einbeziehung der auf Grund von Raten-Sparverträgen geleisteten Beiträge in den Kreis der "Sparbeiträge i. S. des Abs. 1", also der "Sparbeiträge, die auf fünf Jahre festgelegt werden", zu erkennen gegeben, daß sich die im Abs. 2 dem Verordnungsgeber erteilte Ermächtigung auch darauf erstreckt, den Lauf der Fünfjahresfrist näher zu bestimmen. Es kommt hinzu, daß der Gesetzgeber selbst nicht geregelt hat, wie und von welchem Zeitpunkt an die prämienbegünstigten Sparbeiträge "festgelegt" werden, obgleich sich ihm das praktische Bedürfnis aufdrängen mußte, zur Vermeidung eines unsinnigen Verwaltungsaufwandes möglichst einfache Regeln zu schaffen.
Da das SparPG nur dazu bestimmt ist, dem Bürger Vorteile zu gewähren, bestehen keine rechtsstaatlichen Bedenken, die Ermächtigungsvorschrift des § 1 Abs. 2 SparPG dahin auszulegen, daß sie auch die Befugnis umfaßt, den Beginn der Festlegungsfrist für die Sparbeiträge zu bestimmen und dabei zur Vereinfachung der Fristberechnung und zur Ersparung von Verwaltungsaufwand die im Laufe eines Kalenderhalbjahres geleisteten Sparbeiträge zugunsten der Sparer so zu behandeln, als ob sie bereits zu Beginn des Halbjahres erbracht worden wären, wie das dann in § 1 Abs. 2 SparPDV geschehen ist. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Rahmen der Verfassung ist im Bereich der darreichenden Verwaltung nach der Natur der Sache weiter gespannt als bei der gesetzlichen Regelung staatlicher Eingriffe (vgl. Beschluß des BVerfG 1 BvL 31/57 vom 5. April 1960, BVerfGE 11, 50). Die Regelung des § 1 Abs. 2 SparPDV ist um so unbedenklicher, als sie ja, wie auch die Klägerin nicht verkennt, zu einer Abkürzung der Festlegungsfrist und damit zu einem für den Sparer nur günstigen Ergebnis führt.
Da somit bereits der § 1 Abs. 2 SparPG als Ermächtigungsgrundlage für die Regelung des § 1 Abs. 2 SparPDV angesehen werden kann, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob auch der § 6 Nr. 4 SparPG (a. F.) eine dem § 1 Abs. 2 SparPDV entsprechende Ermächtigung enthält.
Die Festlegungsfrist für die von der Beigeladenen am 31. Dezember 1960 eingezahlten 1 200 DM hat demnach gemäß § 1 Abs. 2 SparPDV am 1. Juli 1960 begonnen und am 30. Juni 1965 geendet. Die Klägerin hätte also gemäß § 4 Abs. 1 SparPG die Prämie und die Zinsen spätestens am 31. Dezember 1965 vom FA anfordern müssen.
Das FG hatte von seinem Standpunkt aus bisher keinen Anlaß, die Frage zu prüfen, ob das FA der Klägerin wegen der Versäumung der Anforderungsfrist zu Recht die beantragte Nachsicht versagt hat. Da diese Prüfung nunmehr nachgeholt werden muß, ist die Sache an das FG zurückzuverweisen. Diesem wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 68898 |
BStBl II 1970, 231 |
BFHE 1970, 576 |