Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzahlungen der Gesellschafter einer Versicherungs-AG in den Organisationsfonds
Leitsatz (amtlich)
Einzahlungen der Gesellschafter einer Versicherungs-AG in den nach § 5 Abs.5 Nr.3 VAG nachzuweisenden Organisationsfonds sind gemäß § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.a KVStG 1972 gesellschaftsteuerpflichtige Leistungen.
Orientierungssatz
Unter die freiwilligen Zuschüsse i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 fallen alle in Geld oder vergleichbaren Leistungen bestehende einseitige Zuwendungen, die der Gesellschafter seiner Gesellschaft zuführt und die ihre Rechtsgrundlage zwar nicht im Gesellschaftsverhältnis, aber in einer daneben getroffenen und freiwillig begründeten Vereinbarung haben. In diesem Sinne müssen die Zuschüsse durch das Gesellschaftsverhältnis ausgelöst sein (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a; VAG § 5 Abs. 5 Nr. 3, § 53c Abs. 3
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 26.10.1988; Aktenzeichen 11 K 433/86) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische AG, die die Schadens- und Unfallversicherung sowie die Rückversicherung in allen Sparten betreibt. Die Aktionäre der Klägerin zahlten in den Jahren 1979, 1982, 1983 und 1984 Beträge zwischen 600 000 DM und 5,6 Mio DM jährlich in einen sog. Organisationsfonds der Klägerin ein, dessen Errichtung das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) gemäß § 5 Abs.5 Nr.3 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) verlangt hatte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah in den Einzahlungen steuerpflichtige Leistungen aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung gemäß § 2 Abs.1 Nr.2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972. Er erließ vier Gesellschaftsteuerbescheide, in denen die Gesellschaftsteuer für 1979 auf 30 000 DM, für 1982 auf 20 000 DM, für 1983 auf 3 000 DM und für 1984 auf 28 000 DM festgesetzt wurde. Die Einsprüche, mit denen die Klägerin die Steuerpflicht der Einzahlungen bestritt, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 423 veröffentlicht.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.a KVStG 1972.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Nach § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.a KVStG 1972 unterliegen Zuschüsse eines Gesellschafters als freiwillige Leistungen an eine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn sie geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft, einem Gesellschafter und Gesellschaftsrechten i.S. des § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.a KVStG 1972 zu verstehen ist. Danach ist eine AG mit Sitz im Inland eine inländische Kapitalgesellschaft (§ 5 Abs.1 Nr.1 und Abs.3 KVStG 1972). Aktien gelten als Gesellschaftsrechte einer inländischen AG (§ 6 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972). Die Aktionäre sind deren Gesellschafter (§ 6 Abs.2 KVStG 1972).
Zu den Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs.2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin in den Jahren 1979 bis 1984 eine AG mit Sitz im Inland war. Die Personen, die die Einzahlungen in den sog. Organisationsfonds leisteten, waren damals an der Klägerin als Aktionäre beteiligt. Sie waren deshalb Gesellschafter der Klägerin i.S. des § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.a KVStG 1972.
2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Einzahlungen der Aktionäre der Klägerin in den sog. Organisationsfonds freiwillige Gesellschafterzuschüsse waren, die gemäß § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.a KVStG 1972 der Gesellschaftsteuer unterliegen. Unter die freiwilligen Zuschüsse i.S. der Vorschrift fallen alle in Geld oder vergleichbaren Leistungen bestehende, einseitige Zuwendungen, die der Gesellschafter seiner Gesellschaft zuführt und die ihre Rechtsgrundlage zwar nicht im Gesellschaftsverhältnis, aber in einer daneben getroffenen und freiwillig begründeten Vereinbarung haben. In diesem Sinne müssen die Zuschüsse durch das Gesellschaftsverhältnis ausgelöst sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16.Dezember 1987 I R 393/83, BFHE 151, 570, BStBl II 1988, 451). Im Streitfall leisteten die Aktionäre der Klägerin die Einzahlungen in den Organisationsfonds in Geld. Jede Geldleistung ist geeignet, Zuschuß i.S. des § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.a KVStG 1972 zu sein (vgl. BFH-Urteile vom 29.Juli 1981 II R 4/78, BFHE 134, 361, BStBl II 1982, 72; vom 23.November 1988 I R 222/84, BFH/NV 1989, 458; vom 9.August 1989 I R 147/85, BFHE 158, 129, BStBl II 1989, 983; vom 11.April 1990 I R 45/89, BFHE 160, 338, BStBl II 1990, 791). Da der Organisationsfonds zum Gesellschaftsvermögen der Klägerin gehörte, muß diese als Empfängerin der Einzahlungen angesehen werden.
3. Die Einzahlungen in den Organisationsfonds waren freiwillig i.S. des § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.a KVStG 1972. Die Aktionäre der Klägerin waren zu den Einzahlungen weder gesetzlich noch durch den Gesellschaftsvertrag verpflichtet. Die Einzahlungen beruhten auch nicht auf Rechtsbeziehungen der Aktionäre zum BAV. Zwar machte das BAV die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb der Klägerin davon abhängig, daß die Errichtung eines Organisationsfonds nachgewiesen wurde. Insoweit wurde aber lediglich auf die Aktionäre der Klägerin ein faktischer Druck ausgeübt, Einzahlungen in den Organisationsfonds zu leisten, weil andernfalls der Geschäftsbetrieb der Klägerin nicht erlaubt worden wäre. Dies steht jedoch der Annahme einer freiwilligen Leistung nicht entgegen. Entscheidend ist allein, daß für die Gesellschafter keine rechtliche Verpflichtung zur Einzahlung bestand. Sie zahlten freiwillig in den Organisationsfonds ein, um die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb der Klägerin zu schaffen.
4. Die Einzahlungen waren auch geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Dies ergibt sich bereits aus der mit den Einzahlungen verbundenen Zweckbestimmung. Der Organisationsfonds sollte die Klägerin in die Lage versetzen, die von ihr abgeschlossenen Versicherungsverträge jederzeit zu erfüllen. Mit Hilfe des Organisationsfonds sollte also die Klägerin eigene Verbindlichkeiten erfüllen können. Dies schließt es aus, die Einzahlungen bei der Klägerin als durchlaufende Posten zu beurteilen (vgl. zum Begriff: Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 9.Aufl., § 4 Anm.66). Die Zurverfügungstellung von Geldmitteln zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten bedeutet für den Empfänger auch dann eine Vermögensmehrung, wenn die mit den Mitteln zu erfüllende Verbindlichkeit genau bestimmt ist und eine weitergehende Dispositionsbefugnis nicht besteht. Die Situation ist keine andere, als wenn ein Gesellschafter eine Verbindlichkeit seiner Gesellschaft persönlich tilgt und auf eine Erstattung seiner Aufwendungen gegenüber der Gesellschaft verzichtet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 160, 338, BStBl II 1990, 791). Durch den Wegfall der Verbindlichkeit wird das Gesellschaftsvermögen ebenso vermehrt wie dann, wenn die Gesellschaft von ihrem Gesellschafter Mittel zu dem alleinigen Zweck erhält, eine bestimmte Verbindlichkeit zu tilgen. In beiden Fällen ist die Vermögensmehrung gleichermaßen geeignet, auch den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
5. Die Klägerin vertritt zu Unrecht die Auffassung, die Einzahlungen in den Organisationsfonds führten nicht zu Eigenkapital bzw. zu Eigenmitteln der Klägerin. Dazu ist vorab darauf hinzuweisen, daß die Gesellschaftsteuer als Rechtsverkehrsteuer weder an die bilanzielle Behandlung des Organisationsfonds noch an den Eigenmittelbegriff des § 53c Abs.3 VAG anknüpft. Das KVStG 1972 unterscheidet auch nicht zwischen Versicherungsgesellschaften und anderen Kapitalgesellschaften, was eine Sonderbehandlung der Versicherungsgesellschaften ausschließt. Im übrigen bestehen die von der Klägerin aufgezeigten Besonderheiten nur darin, daß die in den Organisationsfonds eingezahlten Gelder von vornherein ausschließlich zu einem bestimmten Zweck verwendet werden sollten. Die Verbindlichkeiten, deren Erfüllung der Organisationsfonds sicherstellen sollte, entstanden aber nur in der Person der Klägerin und auch dort unabhängig von den Einzahlungen in den Organisationsfonds. Schon deshalb bedeuteten die Einzahlungen eine Vermögensverschiebung zugunsten der Klägerin. Die Vermögensverschiebung belegt den Zuwendungscharakter der Einzahlungen und damit deren Eignung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
Fundstellen
Haufe-Index 62987 |
BFH/NV 1991, 27 |
BStBl II 1991, 468 |
BFHE 163, 492 |
BFHE 1991, 492 |
BB 1991, 1252 |
BB 1991, 1252-1253 (LT) |
DB 1991, 1364 (KT) |
HFR 1991, 355 (LT) |
StE 1991, 135 (K) |