Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlungen des nachfolgenden Handelsvertreters an seinen Vorgänger: als laufender Gewinn zu erfassender Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB)
Leitsatz (NV)
Überträgt ein Handelsvertreter im Einvernehmen mit der vertretenen Firma Werksvertretungen auf einen Nachfolger und hat dieser ihm hierfür laufende Zahlungen zu erbringen, so kann dies steuerrechtlich bedeuten, daß der Nachfolger von der Firma ein Vertreterrecht erwirbt und als Entgelt hierfür den an seinen Vorgänger zu zahlenden Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB ablöst (Anschluß an BFH-Urteil vom 25. Juli 1990 X R 111/88, BFHE 162, 38, BStBl II 1991, 218).
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1 Buchst. c; HGB §§ 84, 89b
Verfahrensgang
Tatbestand
Der im Jahre 1914 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1982 als selbständiger Handelsvertreter für die Fa. X tätig. Er ermittelte seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich.
Am 26. Juni 1982 schloß er mit Herrn Y einen ,,Kaufvertrag", in welchem er diesem einen Teil seines Vertreterbezirks mit allen Rechten und Pflichten übertrug. Y hatte ihm ,,für das übereignete Vertretergebiet" 90000 DM zu zahlen; dieser Betrag war zahlbar in 60 gleichen Monatsraten.
In seiner Einkommensteuererklärung für 1982 vertrat der Kläger die Auffassung, bei dem Betrag von 90000 DM handele es sich um Ausgleichszahlungen nach § 89b des Handelsgesetzbuches (HGB), die Y an Erfüllungs Statt für die Fa. X übernommen habe; dementsprechend sei die Tarifvergünstigung der § 34 Abs. 2 Nr.2, § 24 Nr.1 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu gewähren. Nach einer Außenprüfung lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Anwendung der Tarifvergünstigung ab, da die Zahlung nicht auf § 89b HGB, sondern auf einem ,,selbständigen Vertrag mit dem Nachfolgevertreter" beruhe. Der gegen den Einkommensteuerbescheid eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA führte in der Einspruchsentscheidung aus, Rechtsgrundlage für die Zahlungen sei allein der Vertrag vom 26. Juni 1982. Dafür spreche auch, daß die Fa. X aus dem Verkauf des Vertreterbezirks für sich keine steuerlichen bzw. buchtechnischen Konsequenzen gezogen habe. Die Übernahme des Ausfallsrisikos könne nicht als Ausgleichszahlung i.S. des § 89b HGB angesehen werden, sie sei vielmehr nur eine Gegenleistung für den ,,Rückerwerb des Vertreterbezirks".
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Zahlungen des Y seien keine Ausgleichszahlungen i.S. des § 89b HGB. Schuldner sei allein Y aufgrund des mit dem Kläger geschlossenen ,,Kaufvertrages". Hieran ändere auch nichts, daß die Fa. X die ,,Haftung für die Kaufvertragssumme" zugesagt habe. Im Falle einer Haftung würde die Fa. X den Anspruch auf den Kaufpreis, keinen Anspruch aus § 89b HGB, erfüllen. Der hier zu beurteilende Sachverhalt entspreche dem des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Mai 1972 IV R 44/69 (BFHE 106, 202, BStBl II 1972, 899). Es liege weder eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr.1 Buchst. a EStG noch eine Teilbetriebsveräußerung vor.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG hat darauf abgestellt, daß der Kläger mit dem Nachfolgevertreter Y einen ,,selbständigen Vertrag" im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 106, 202, BStBl II 1972, 899 geschlossen habe; entscheidend sei, daß allein Y Schuldner der 90000 DM sei. Dies ist rechtlich unzutreffend.
Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 25. Juli 1990 X R 111/88 (BFHE 162, 38, BStBl II 1991, 218) - zeitlich nach dem Urteil der Vorinstanz - entschieden:
Bei der steuerrechtlichen Beurteilung der im Verhältnis von scheidendem Vertreter, dessen Nachfolger und Geschäftsherrn erbrachten Leistungen ist zu prüfen, ob die Zahlungen des Nachfolgers an seinen Vorgänger auf einem ausschließlich zwischen diesen Personen vereinbarten - in dieser Hinsicht selbständigen - Rechtsgrund beruhen oder ob der Nachfolgevertreter den gesetzlichen Ausgleichsanspruch übernimmt. Der Nachfolger kann vom Geschäftsherrn ein ,,Vertreterrecht" erwerben, wobei das Entgelt darin bestehen kann, daß er den an seinen Vorgänger zu zahlenden Ausgleichsanspruch ablöst. So liegt es in den häufig vorkommenden Fällen, in denen es dem Geschäftsherrn gelingt, den kraft Gesetzes entstehenden Ausgleichsanspruch, der nur unter den eng auszulegenden Voraussetzungen des § 89b Abs. 3 HGB vertraglich ausgeschlossen werden kann, auf den Nachfolgevertreter abzuwälzen. Ein solcher Vertrag ist nicht ,,selbständig"; vielmehr übernimmt der Nachfolger die dem Geschäftsherrn obliegende Verpflichtung zur Zahlung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB.
2. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich seine Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist, war das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob Y, wie der Kläger vorträgt, den Ausgleichsanspruch der Fa. X an Erfüllungs Statt übernommen hat. Dies wird es im zweiten Rechtszug nachholen. Es wird dem Vortrag des Klägers nachgehen müssen, die Fa. X habe seine ihr gegenüber bestehenden Ansprüche aus § 89b HGB erfüllungshalber übernommen. Hierbei wird die Kontrollfrage von Bedeutung sein, ob der Kläger ausnahmsweise einen Grund dafür gehabt haben könnte, auf den kraft Gesetzes entstandenen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zu verzichten.
Fundstellen
Haufe-Index 418947 |
BFH/NV 1993, 412 |