Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Ermessensausübung bei der Zollerstattung nach § 40 ZG a. F.

 

Normenkette

ZG a.F. § 40; AZO § 80 Abs. 1 a. F, § 57 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin ließ am 29. Januar 1962 12 Kisten mit Rollenlagern für die Firma A beim Zollamt X zum freien Verkehr abfertigen. Die Eingangsabgaben wurden auf dem Aufschubkonto der Klägerin angeschrieben. Noch am gleichen Tage bemerkte die Klägerin, daß die Kisten nach der Anweisung ihrer Auftraggeberin nicht verzollt werden, sondern bei deren ausländischer Filiale in V bleiben sollten. Die Klägerin beantragte daher am 30. Januar 1962 für die Waren, die seit ihrer Ankunft und auch nach ihrer Abfertigung zum freien Verkehr auf dem Zollboden des Zollamts gelagert waren, „spezielle Beschau gemäß § 40 ZG”, Zollanweisung an das Zollamt Y zur zollamtlich überwachten Wiederausfuhr an die Filiale ihrer Auftraggeberin in V sowie Erstattung des Zolls gemäß § 40 des Zollgesetzes (ZG), § 80 der Durchführungsbestimmungen zum Zollgesetz (Allgemeine Zollordnung – AZO –). Das Zollamt fertigte die Ware als „Rückware gemäß § 40 ZG” ab. Am 12. April 1962 beantragte die Klägerin außerdem einen Erlaß der Eingangsabgaben aus Billigkeitsgründen. Das Hauptzollamt lehnte beide Anträge ab, weil es sich nicht um eine sogenannte umgekehrte Rückware im Sinn des § 80 AZO handele und das Versehen bei der Stellung des Zollantrags auf Abfertigung zum freien Verkehr nicht entschuldbar sei. Die Beschwerde der Klägerin blieb erfolglos.

Die Vorinstanz gab der Berufung unter Anwendung des § 40 ZG statt und ließ es dahingestellt, ob eine Erstattung aus Billigkeitsgründen geboten sei.

Mit der nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden Rb. macht die Oberfinanzdirektion (OFD) geltend, daß der Zoll nach § 40 ZG höchstens in dem Rahmen erstattet werden könne, in dem auch Zollfreiheit nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 ZG gewährt werde. Eine Erstattung könne daher nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen erfüllt seien, von denen der Verordnungsgeber die Zollfreiheit in Ausübung der in § 24 Abs. 1 ZG erteilten Ermächtigung abhängig gemacht habe. Der Abgabenerlaß sei daher von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 AZO abhängig. § 80 AZO enge § 40 ZG nicht ein, der Erstattung von Zoll höchstens in dem Rahmen zulasse, in dem auch Zollfreiheit nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 ZG zulasse, in dem auch Zollfreiheit nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 ZG gewährt werde. Der Verordnungsgeber habe daher nicht über den Rahmen, in dem Rückwaren zollfrei gestellt werden können, hinausgehen können.

Die OFD beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur Entscheidung über die Frage eines Abgabenerlasses aus Billigkeitsgründen an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren beigetreten ist, hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt: Das Finanzgericht (FG) habe nicht geprüft, ob die Kisten an die Firma B bzw. an deren Niederlage in V wieder ausgeführt worden seien. Sollte dies geschehen sein, so wären zwar die Voraussetzungen einer Zollerstattung wegen der Identität des ausländischen Exporteurs und des Wiederempfängers der Ware gegeben. Die Ablehnung der Zollerstattung wäre dennoch nicht ermessensfehlerhaft, weil die Klägerin die Kisten, die nicht für den freien Verkehr bestimmt waren, zum Zollgutversand hätte abfertigen lassen können. § 40 ZG könne dann nicht angewendet werden, wenn die im Gesetz vorgesehenen Zollverfahren dadurch umgangen werden könnten.

Der Bundesminister der Finanzen stellt den gleichen Antrag wie die OFD.

Die Klägerin beantragt, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Die Vorinstanz hat zutreffend entschieden, daß die entrichteten Eingangsabgaben nach § 40 ZG zu erstatten sind. Der Zollschuldner hat zwar keinen Rechtsanspruch auf Erstattung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – VII 220/64 vom 10. Mai 1966, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 86 S. 287 – BFH 86, 287 –, Bundeszollblatt 1966 S. 685 – BZBl 1966, 685 –). Das insoweit der Verwaltungsbehörde zustehende Ermessen kann aber von den Steuergerichten daraufhin nachgeprüft werden, ob der gesetzliche Ermessensrahmen überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (siehe § 102 FGO). Auch schon vor dem Inkrafttreten der FGO konnten die Steuergerichte – wie es in der Vorentscheidung geschehen ist – die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zur Erstattung der Abgaben in den Fällen aussprechen, in denen nur eine Entscheidung möglich ist.

Nach § 40 ZG können die Abgaben für Waren erstattet werden, die bei der Einfuhr ins Zollgebiet verzollt und wieder ausgeführt worden sind, jedoch höchstens in dem Rahmen, in dem Zollfreiheit im Fall des § 24 Abs. 1 Nr. 2 ZG gewährt wird. Unbestritten liegen im Streitfall die Voraussetzungen der Zollentrichtung und der Wiederausfuhr vor. § 80 Abs. 1 AZO a. F. hatte hierzu bestimmt, daß für den Rahmen, in dem Zoll nach § 40 ZG erstattet werden kann, § 57 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 AZO sinngemäß gelten. Die Vorinstanz entnimmt diesem Wortlaut des § 80 Abs. 1 AZO a. F., daß § 57 Abs. 1 Satz 1 AZO nicht angeführt sei. Der Senat vermag dieser Auslegung nicht zu folgen. Denn die in § 80 Abs. 1 AZO a. F. genannten Nrn. 1 und 2 des Abs. 1 des § 57 AZO sind ohne die sonst erforderliche Angabe des Satzes 2 angeführt worden. Sie sind im Zusammenhang mit der allgemeinen Bestimmung des Satzes 1 zu lesen. Für den Rahmen des Erstattungsermessens kommt es aber, wie auch § 80 Abs. 1 AZO a. F. vorschreibt, auf die sinngemäße Anwendung des § 57 AZO an. Soweit also die einzelnen Vorschriften des § 57 AZO dem Sinn und Zweck des § 40 ZG entsprechen, stellen sie den Rahmen dar, innerhalb dessen Eingangsabgaben nach § 40 ZG erstattet werden können. Deshalb sind z. B. die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Nrn. 3 und 4, Abs. 2 Nrn. 2 und 3 AZO als nicht dem Sinn und Zweck entsprechend in § 80 Abs. 1 ZAO a. F. angeführt worden.

Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AZO sind Waren zollfrei, die nachweisbar aus dem freien Verkehr des Zollgebiets ohne Erlaß, Erstattung oder Vergütung von Zoll ausgeführt und von demjenigen oder für denjenigen wieder eingeführt werden, der sie zum vorübergehenden Gebrauch, auf Bestellung, zur Ansicht usw. ausgeführt hat oder hat ausführen lassen. Ausführer und Einführer müssen also personengleich sein. Die Verwaltung fordert nun im Falle des § 40 ZG diese Personengleichheit des ausländischen Exporteurs der eingeführten Ware und des ausländischen Empfängers der wiederausgeführten Ware. Es kann dahinstehen, ob – in sinngemäßer Anwendung des § 57 Abs. 1 Satz 1 AZO – nicht vielmehr Personengleichheit des inländischen Einführers und des Wiederausführers bestehen muß. Denn im Streitfall ist beides gegeben. Wie die Vorinstanz festgestellt hat, erfolgte die Einfuhr für die Firma A ebenso die Wiederausfuhr. Aus den Ausfuhrpapieren ergibt sich, daß die Ware wieder an die ausländische Exporteurin, und zwar an deren Niederlassung in V ausgeführt worden ist. Die Voraussetzungen des § 40 ZG mit der Möglichkeit, die Eingangsabgaben zu erstatten, waren somit in jedem Fall gegeben.

Zu prüfen bleibt daher nur noch, ob die Verwaltung mit ihrer Entscheidung, die Abgabenerstattung abzulehnen, ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Hierbei kommt es auf Sinn und Zweck des § 40 ZG a. F. an. Nach der Begründung des Entwurfs zu § 40 ZG (siehe BZBl 1962, 56) wurde dieser deshalb nicht als Muß-Vorschrift gestaltet, um Mißbrauchsfällen, z. B. Umgehungen der Vorschriften über die vorübergehende Verwendung von Zollgut im Zollgebiet einschließlich der zollamtlichen Überwachung, begegnen zu können. Sind aber die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abgabenerstattung gegeben und erscheint für die zuständige Zollstelle ein solcher Mißbrauchsfall ausgeschlossen, so ist ihr Ermessensgebrauch derart eingeschränkt, daß sie nur zu einer Entscheidung kommen kann und jede andere Entscheidung einen Ermessensmißbrauch darstellen würde.

Im Streitfall wurde der Antrag auf Abfertigung der eingeführten Kisten zum freien Verkehr von der Klägerin als dem beauftragten Spediteur der Einfuhrfirma versehentlich gestellt. Der nach einigen Stunden entdeckte Irrtum wurde unverzüglich durch den nach der bereits erfolgten Anschreibung des Abgabenbetrags auf dem Aufschubkonto der Klägerin nur noch möglichen Antrag auf Wiederausfuhr berichtigt. Eine Umgehung eines besonderen Zollverfahrens, etwa eines Zollgutverwendungsverkehrs, scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin das für sie ungünstigste Zollverfahren, nämlich die Entrichtung der Abgaben auf Grund der Abfertigung der Kisten zum freien Verkehr, gewählt hatte, so daß sie sich durch einen anderen Zollverkehr nicht besser stehen konnte. Aber auch eine Verwendung der Waren im Wirtschaftsgebiet des Zollgebiets, die durch den Hinweis auf § 24 Abs. 1 Nr. 2 ZG in § 40 ZG a. F. ausgeschlossen werden sollte, konnte im Streitfall deshalb nicht geschehen, weil sie zwar papiermäßig verzollt, tatsächlich aber auf dem Zollboden des Zollamts bis zur Wiedergestellung zur Ausfuhr geblieben und damit nicht in den unmittelbaren Besitz des Zollbeteiligten gelangt waren. Da sich somit die Ware bis zur Gestellung zur Ausfuhr in Verwahrung des Zollamts befunden hatte, konnte sich für das Zollamt irgendein Zweifel hinsichtlich eines etwaigen Mißbrauchs nicht ergeben. Die an sich für den Streitfall gegebene Abfertigung zum Zollgutversand konnte aber die Klägerin deshalb nicht umgehen, weil gerade ihr Irrtum zur Abfertigung der Ware zum freien Verkehr und zur Zollentrichtung geführt hatte. Da § 40 ZG derartige unbillige Abgabenerhebungen durch die Abgabenerstattung wieder gut machen soll, konnte das Hauptzollamt nur die eine Entscheidung treffen, nämlich die Abgaben zu erstatten. Die Vorinstanz hat daher im Ergebnis zutreffend den Erstattungsantrag auf Grund des § 40 ZG als gerechtfertigt angesehen. Die Revision war demgemäß als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514598

BFHE 1968, 74

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