Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkaufsleiter als Angestellter oder Gewerbetreibender
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob ein Vertreter selbständig oder unselbständig ist, ist in erster Linie danach zu beurteilen, ob er ein Unternehmerrisiko trägt. Auch den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten kommt wesentliche Bedeutung zu.
2. Im Streitfall ist ein sogenannter Verkaufsleiter, der in einem bestimmten Bezirk gegen Provision und unter Selbsttragung der Spesen ein Erzeugnis seines Auftraggebers abzusetzen hat und sich dabei von ihm ausgesuchter und überwachter Vertreter bedient, die aber nicht in einem Vertragsverhältnis zu ihm, sondern zu seinem Auftraggeber stehen, Gewerbetreibender. (Leitsätze nicht amtlich)
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; HGB § 84
Gründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) war in den Streit jähren als Verkaufsleiter für die A.-GmbH B-Stadt im Räume Hannover-Braunschweig tätig. Streitig ist, ob diese Tätigkeit als eine selbständige anzusehen ist und der Gewerbesteuer unterliegt.
Der Bf. hat gegen seine Heranziehung zur Gewerbesteuer eingewendet, seine Tätigkeit könne nur als unselbständig angesehen werden. Die Firma A.-GmbH, die sich im wesentlichen mit dem Verkauf von C.-Waschmaschinen befaßt habe, habe in Hannover und Braunschweig je ein Verkaufsbüro unterhalten und in den dortigen Bezirken 70 bis 80 Vertreter und 5 Bezirksleiter beschäftigt, die vereinbarungsgemäß unmittelbar mit der B-Stadt. Firma einen Handelsagentenvertrag hätten abschließen müssen. Er selbst habe als Verkaufsleiter keine eigene Verkaufstätigkeit ausgeübt, sondern nur die Vertreter angeworben, ausgebildet und überwacht und sei im übrigen für die Arbeit der in den beiden Verkaufsbüros tätigen Angestellten verantwortlich gewesen. Er müsse deshalb einem Generalagenten einer Versicherungsgesellschaft gleichgestellt werden.
Einspruch und Berufung blieben im Streitpunkt ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat sich für seine Auffassung, daß der Bf. eine der Gewerbesteuerpflicht unterliegende selbständige Tätigkeit ausübe, auf die zwischen ihm und der Firma getroffenen Vereinbarungen gestützt. Darin heißt es u.a., daß der Bf. die Verkaufsleitung als selbständiger Handelsagent übernimmt und nicht zu den Angestellten der Firma gerechnet wird. Als seine Aufgabe wird es bezeichnet, durch eigene Verkaufstätigkeit und durch Heranziehung weiterer freier Mitarbeiter in bestimmten Zeiträumen eine bestimmte Mindestzahl von Waschmaschinen abzusetzen. Für jede verkaufte Maschine erhält der Bf. eine Provision und, soweit es sieh um Abschlüsse der Vertreter handelt, eine Superprovision. Aus seinen Provisionseinnahmen hat er sämtliche mit dem Vertrieb zusammenhängenden Spesen zu tragen. Er haftet für die von der Firma an die Vertreter gezahlten außerordentlichen Provisionsvorschüsse im vollen Umfang und für von der Firma an Vertreter gewährte Darlehen zur Hälfte.
Das Finanzgericht hat in dem erheblichen Risiko, das der Bf. nach diesen Vertragsbestimmungen und auch nach dem tatsächlichen Ablauf seiner Tätigkeit zu tragen hatte, ein Hauptmerkmal für die Annahme einer selbständigen Unternehmertätigkeit gesehen. Den verdienten Provisionen von rund 60.000 DM im Jahre 1954 und rund 73.000 DM im Jahre 1955 hätten Aufwendungen in Höhe von rund 35.000 DM im Jahre 1954 und rund 54.000 DM im Jahre 1955 gegenübergestanden. In der Bilanz zum 31. Dezember 1955 habe der Bf. eine Rückstellung für seine Haftungsverpflichtungen vorgenommen. Als wesentlich hat das Finanzgericht auch den Umstand angesehen, daß die Vertragschließenden selbst ein Angestelltenverhältnis des Bf. hätten begründen wollen. Für unerheblich hat es das Finanzgericht erachtet, ob der Bf., was nicht einwandfrei geklärt werden konnte, in den Streitjahren auch eigene Abschlüsse getätigt hat.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) hat der Bf. wiederum hervorgehoben, daß er keine Verkaufstätigkeit, sondern eine verwaltende Tätigkeit ähnlich der des Generalagenten einer Versicherungsgesellschaft ausübe. Er hat ferner auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 49/58 U vom 15. Juni 1960 (Bundessteuerblatt –BStBl– 1960 III S. 349, Slg. Bd. 71 S. 270) Bezug genommen, in dem die Gewerbesteuerpflicht eines Bezirksstellenleiters des Nordwest-Lottos verneint worden ist.
Die Rb. ist unbegründet.
In dem Urteil I 200/59 S vom 3. Oktober 1961 (BStBl 1961 III S. 567, Slg. Bd. 73 S. 827) hat der Senat ausgesprochen, daß für die Frage, ob ein Versicherungsvertreter selbständig oder nichtselbständig ist, im Rahmen des Gesamtbildes seiner Stellung dem Unternehmerrisiko eine besondere Bedeutung zukommt; auf die Art der Tätigkeit komme es entgegen früherer Rechtsauffassung nicht mehr entscheidend an. Der Senat hat in dem Urteil ferner für Abgrenzungsfälle dem Umstand Bedeutung beigemessen, wie die Beteiligten selbst bei der Regelung ihrer vertraglichen Beziehungen ihr arbeitsrechtliches Verhältnis beurteilt haben. Im Rahmen dieser Grundsätze, die allgemein für Vertreter gelten müssen, hält sich das Urteil des Finanzgerichts. An die ihm zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen ist der Senat, da Verstöße der in § 288 der Reichsabgabenordnung (AO) bezeichneten Art nicht erkennbar sind, gebunden (§ 296 AO). Es wird hierzu auch auf das in der Umsatzsteuersache 1954 und 1955 des Bf. ergangene Urteil des V. Senats des Bundesfinanzhofs V 1/61 vom 6. Dezember 1962 verwiesen.
Auf das von ihm angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs IV 49/58 U vom 15. Juni 1960 kann sich der Bf. nicht mit Erfolg berufen, da dieses hinsichtlich der Frage der Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit noch auf die Art der Tätigkeit abstellt. In dem Fall des dortigen Urteils ist allerdings die Gewerbesteuerpflicht auch deshalb verneint worden weil es an einem anderen Merkmal des Gewerbebetriebe, nämlich an der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, fehlte. Die Voraussetzungen hierfür hält der Senat jedoch im vorliegenden Fall für gegeben. Soweit der Bf. keine eigenen Abschlüsse getätigt hat, hat er sich am wirtschaftlichen Verkehr durch Heranziehung seiner Mitarbeiter (Vertreter, Bezirksleiter) beteiligt, die von ihm ausgewählt worden sind und auf deren Tätigkeit er erheblichen Einfluß ausgeübt hat. Sie waren ihm dazu behilflich, die von der Firma geforderten Mindestumsätze zu erzielen. Dem Umstand, daß die Mitarbeiter nur zur Firma in einem Vertragsverhältnis gestanden haben, kommt hierbei nach der Auffassung des Senats keine Bedeutung zu. Im Falle des angeführten Urteils hatte im Gegensatz zum vorliegenden Fall der Bezirksstellenleiter keine Befugnis, Losannahmestellen zu errichten, ferner keinen Einfluß auf den Losvertrieb der Annahmestellen und keine Verantwortung für deren Geschäftsführung.
Da hiernach die Vorinstanzen mit Recht die Gewerbesteuerpflicht des Bf. bejaht haben, war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen