Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelbare Grundstücksschenkung bei Finanzierung eines Gebäudeanbaus
Leitsatz (NV)
Die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung können auch auf grundstücksbezogene Verwendungen -- wie etwa den Anbau an ein bereits bestehendes Gebäude des Beschenkten --, deren Kosten von dem Zuwendenden schenkweise getragen werden, Anwendung finden.
Normenkette
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2-3; BGB § 516 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau (Eheleute) errichteten in den Jahren 1986 bis 1988 auf ihrem Grundstück einen Anbau (Wintergarten mit Arbeitszimmer und Eingangsdiele) an das gemeinsame Einfamilienhaus. Die dafür in den Jahren 1987 und 1988 erteilten Bauhandwerkerrechnungen über insgesamt 70 790 DM bezahlte ein mittlerweile verstorbener Bruder des Vaters des Klägers (Onkel). Infolge des Anbaus wurde der Einheitswert des gemeinsamen Grundstücks der Eheleute auf den 1. Januar 1989 von 29 500 DM auf 36 400 DM fortgeschrieben. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) nahm in Höhe der von dem Onkel bezahlten Bauhandwerkerrechnungen Geldschenkungen an und setzte mit Bescheid vom 2. Februar 1990 gegen den Kläger Schenkungsteuer zunächst in Höhe von 10 230 DM und schließlich mit Einspruchsentscheidung vom 24. April 1991 unter Berücksichtigung der lediglich anteilig auf den Kläger entfallenden Zuwendung Schenkungsteuer von 3 894 DM fest.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger, die von seinem Onkel übernommene Finanzierung des Gebäudeanbaus nicht als Geldschenkung, sondern als mittelbare Grundstücksschenkung mit dem auf den Anbau entfallenden erhöhten Einheitswert zur Schenkungsteuer heranzuziehen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 253 veröffentlichten Urteil statt. Die Finanzierung des Anbaus an das Einfamilienhaus der Eheleute stelle schenkungsteuerrechtlich keine Geldschenkung, sondern eine mittelbare Grundstücksschenkung dar. Denn Gegenstand der Zuwendung seien nicht Geldbeträge in Höhe von zusammen 70 790 DM, sondern der Gebäudeanbau selbst gewesen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von §§ 7, 12 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) 1974. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Zutreffend hat das FG angenommen, daß die unentgeltliche Übernahme der Baukosten für den Anbau an das Einfamilienhaus der Eheleute anteilig eine mittelbare Grundstücksschenkung des Onkels des Klägers an diesen darstelle und dementsprechend die anteilige Erhöhung des Einheitswerts des Grundstücks der Besteuerung des steuerpflichtigen Erwerbs zugrunde zu legen sei.
1. a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes -- ErbStG -- 1974) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -- BGB --). Die Schenkungsteuer entsteht mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974); das ist der Zeitpunkt, in dem die Vermögensverfügung endgültig ist, der Bedachte (Beschenkte) also im Verhältnis zum Zuwendenden (Schenker) über das Zugewandte tatsächlich und rechtlich (frei) verfügen kann (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. September 1990 II R 50/88, BFHE 162, 139, BStBl II 1991, 32, m. w. N.). Die Besteuerung richtet sich deshalb danach, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Zuwendung beim Beschenkten auswirkt (BFH-Urteil vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83). Dementsprechend bestimmt sich der steuerpflichtige Erwerb gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 nach der Bereicherung des Erwerbers und knüpft die Wertermittlung (§ 11 ErbStG 1974) über § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Abs. 1 a bis 6 ErbStG 1974 an den Gegenstand an, über den der Beschenkte verfügen kann; entscheidend für die Besteuerung ist die tatsächliche Bereicherung, die sich danach richtet, was der Beschenkte -- endgültig -- erhält (BFH-Urteil in BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83; s. bereits BFH- Urteile vom 30. Januar 1968 II 49/64, BFHE 91, 431, BStBl II 1968, 371, und vom 6. März 1985 II R 114/82, BFHE 143, 287, BStBl II 1985, 380).
b) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 2. Juli 1990 II ZR 243/89, BGHZ 112, 40), in der zivilrechtlichen Literatur (statt aller Kollhosser in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 516 Rdnr. 4), wie auch in der Rechtsprechung des BFH (insbesondere Urteil vom 7. April 1976 II R 87--89/70, BFHE 119, 300, BStBl II 1976, 632) ist anerkannt, daß der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich nicht vorher in derselben Gestalt im Ver mögen des Schenkers befunden haben und wesensgleich übergehen muß; "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein (Kollhosser, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann daher in der Hingabe von Geld zum Erwerb eines Grundstücks oder eines Teilgrundstücks sowie zur Errichtung eines Gebäudes auf einem dem Beschenkten bereits gehörenden Grundstück eine Grundstücksschenkung (sog. mittelbare Grundstücksschenkung) gesehen werden (BFH-Urteile vom 12. Dezember 1979 II R 157/78, BFHE 129, 507, BStBl II 1980, 260; vom 3. August 1988 II R 39/86, BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025). Dies setzt voraus, daß der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm ggf. übergebene Geld, sondern (erst) über das Grundstück verfügen kann, denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um die Geldsumme, sondern erst um das mit den zur Verfügung gestellten Geldmitteln erworbene Grundstück bzw. errichtete Gebäude bereichert.
c) Die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung können auch auf grundstücksbezogene Verwendungen -- wie etwa den Anbau an ein bereits bestehendes Gebäude des Beschenkten --, deren Kosten von dem Zuwendenden schenkweise getragen werden, Anwendung finden, denn die Bereicherung des Beschenkten wirkt sich auch in diesem Fall in dessen Grundvermögen aus, wenn die vom Schenker zur Verfügung gestellten Geldmittel zweckgebunden sind und vom Beschenkten nur grundstücksbezogen verwendet werden dürfen (BFH-Urteil vom 5. Februar 1986 II R 188/83, BFHE 146, 164, BStBl II 1986, 460). Ohne Bedeutung ist, wer die grundstücksbezogene Zuwendung ausgeführt oder in Auftrag gegeben hat. Denn eine bereichernde Zuwendung ist nicht davon abhängig, daß der Schenker die gewollte Zuwendung selbst ausführen kann (vgl. BFH in BFHE 119, 300, BStBl II 1976, 632). In diesen Fällen liegt die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974) darstellende Bereicherung des Beschenkten in der unentgeltlichen Zuwendung der von Dritten verschafften Vorteile.
Der Annahme einer (mittelbaren) Grundstücksschenkung in Gestalt eines Anbaus an ein bestehendes Gebäude steht nicht entgegen, daß die einzelnen Bauteile durch Verbindung mit dem Grundstück und dem Gebäude rechtlich (vgl. § 946 BGB) untrennbare wesentliche Bestandteile des Grundstücks oder Gebäudes (§ 94 BGB) werden und nicht mehr Gegenstand besonderer Rechte sein können (§ 93 BGB). Denn die eine freigebige Zuwendung kennzeichnende Bereicherung des Bedachten hat nicht zur Voraussetzung, daß das Zuwendungsobjekt als solches auch nach der Ausführung der Zuwendung rechtlich selbständig bleibt (vgl. BFH in BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025).
d) Der der Berechnung der Schenkungsteuer zugrunde zu legende Wert der durch eine mittelbare Grundstücksschenkung in Form eines Gebäudeanbaus eingetretenen Bereicherung bestimmt sich nach dem bewertungsrechtlich (§ 12 Abs. 2 bis 4 ErbStG) zu ermittelnden Wertzuwachs des Grundstücks. Der Wertzuwachs drückt sich aus in dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Einheitswert vor den Anbaumaßnahmen und dem Einheitswert auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 12 Abs. 4 Satz 1 ErbStG). Unter der Voraussetzung, daß die Wertfortschreibungsgrenzen erreicht werden (§ 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes), ist der Wert der Schenkung mit 140 v. H. des Teils des maßgebenden Einheitswerts, der auf die grundstücksbezogenen Verwendungen zurückzuführen ist, anzusetzen (vgl. BFH in BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025).
Zwar ist die Bewertungsregelung des § 12 Abs. 2 ErbStG 1974 jedenfalls seit dem Jahr 1987 mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar. Die bisherige Regelung findet indes bis zum 31. Dezember 1995 auf steuerpflichtige Vorgänge und damit auch auf den vorliegenden Streitfall noch Anwendung (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, BStBl II 1995, 671).
2. In Einklang mit den vorstehenden Grundsätzen ist das FG davon ausgegangen, daß der Kläger anteilig um den von seinem Onkel finanzierten Anbau bereichert wurde. Entgegen der Auffassung des FA bestand die "tatsächliche Zuwendung" nicht "in der Leistung von Geldbeträgen zur Begleichung der Handwerkerrechnungen und in der Entlastung des Klägers von seinen entsprechenden Zahlungsverpflichtungen". Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels durchgreifender Rügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), wurden die von seinem Onkel bereitgestellten Mittel ausschließlich für das Grundstück des Klägers verwendet. Er konnte über das zur Verfügung gestellte Geld nicht selbst frei verfügen; die freie Verfügungsmöglichkeit erhielt der Kläger (zusammen mit seiner Ehefrau) im Verhältnis zu seinem Onkel erst über das Bauwerk. In dem für die Bestimmung des Schenkungsgegenstandes maßgebenden Zeitpunkt der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974) hat sich somit die tatsächliche Bereicherung im Vermögen des Klägers durch einen Erwerb in Gestalt des Gebäudeanbaus ausgewirkt. Der auf den Anbau entfallende Teil des Einheitswerts des Grundstücks zum Zeitpunkt der Zuwendung ist -- wie in der Vorentscheidung geschehen -- entsprechend dem auf den Kläger entfallenden Miteigentumsanteil der Berechnung der Schenkungsteuer zugrunde zu legen.
Fundstellen
Haufe-Index 421363 |
BFH/NV 1996, 792 |