Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Gemeinnützigkeit eines Vereins, der die Pflege des guten und schönen Buchs, die Förderung der deutschen Buchkunst und der Wissenschaft vom Buch bezweckt. VStG § 3 Abs. 1 Ziff. 6; StAnpG § 17.
Normenkette
VStG § 3 Abs. 1 Ziff. 6; StAnpG § 17
Tatbestand
Die M.-Gesellschaft e. V. (Beschwerdeführerin - Bfin. -) ist mit ihrem Vermögen ab 1. Januar 1952 auf Grund einer Neuveranlagung der Vermögensteuer herangezogen worden. Sie erstrebt Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Ziff. 6 des Vermögensteuergesetzes (VStG) wegen Gemeinnützigkeit. Die Gesellschaft ist im Jahre 1911 in B gegründet, 1945 nach H verlegt und hier in das Vereinsregister eingetragen. Sie bezweckt nach § 2 der Satzung, den Sinn für das nach Inhalt und Form gute und schöne Buch zu pflegen, die deutsche Buchkunst und die Wissenschaft vom Buch zu fördern. Dieser Zweck soll erreicht werden durch Veröffentlichungen, Ausstellungen und Vorträge und durch die Unterstützung buchkundlicher und bücherfreundlicher Bestrebungen jeder Art. Nach der Satzung verfolgt die Gesellschaft ihre Zwecke ausschließlich und unmittelbar auf einer gemeinnützigen Basis im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung. Auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist der Zweck der Gesellschaft laut Satzung nicht gerichtet. Etwa entstehende Gewinne dürfen nur für die aus der Satzung ersichtlichen Zwecke verwendet werden. Mitglied der Gesellschaft kann gemäß § 3 der Satzung nur werden, wer durch den Vorstand dazu eingeladen wird. Bibliophile Gesellschaften, Bibliotheken und ähnliche Institute können die korporative Mitgliedschaft erwerben. Die Mitglieder haben Anspruch auf je ein Exemplar der ordentlichen Veröffentlichungen, die während der Dauer ihrer Mitgliedschaft erscheinen. Irgendwelche Gewinnanteile dürfen an die Mitglieder laut Satzung (ß 3) nicht ausgeschüttet werden. Ebenso haben die Mitglieder keinerlei Anspruch an das Vermögen der Gesellschaft. In einem zur Vorlage beim Finanzamt bestimmten Schreiben der Kulturbehörde vom 1. April 1955 wird ausgeführt: "Die Gesellschaft gehört seit ihrer Begründung zu den kulturell wertvollen Vereinigungen, die nicht nur nach ihrer Satzung, sondern auch nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen. Die Tätigkeit der Gesellschaft erstreckt sich vor allem auf die Herausgabe sorgfältig ausgewählter Veröffentlichungen, die als beispielgebend sowohl nach Inhalt wie auch nach ihrer äußeren Form anzusprechen sind. Die Tatsache der Veröffentlichung dieser Texte durch die Gesellschaft ist hierbei als entscheidend anzusehen, nicht die Verteilung an die Mitglieder. Es wäre sinnwidrig, wenn die Veröffentlichung zwar erfolgte, eine Verteilung der Bücher aber unterbliebe. Die Kulturbehörde hat den gemeinnützigen Zweck der Gesellschaft dadurch anerkannt, daß sie für eine jetzt in Vorbereitung befindliche Veröffentlichung einen besonderen Beitrag der Gesellschaft aus Mitteln des Rundfunkfonds zur Verfügung stellte". Einspruch und Berufung der Gesellschaft gegen ihre Heranziehung zur Vermögensteuer sind ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht führt in dem angefochtenen Urteil im wesentlichen folgendes aus: Die Satzungsbestimmung über den Erwerb der Mitgliedschaft sei unschädlich, da nach Mitteilung des stellvertretenden Vorsitzenden der Gesellschaft die Mitgliedschaft allen an den Bestrebungen der Gesellschaft interessierten Personen offenstände. Die Gesellschaft genüge jedoch nicht den Erfordernissen der ausschließlichen und unmittelbaren Förderung der Allgemeinheit. Da die Veröffentlichungen den Mitgliedern der Gesellschaft zugute kämen, diene ihre Tätigkeit unmittelbar den bibliophilen Interessen der Mitglieder. Kunst und Wissenschaft würden nur mittelbar insofern gefördert, als die Veröffentlichungen der Gesellschaft hervorragende Beispiele für künstlerische Buchgestaltung böten, die dem Buchgewerbe Anregungen zu geben geeignet seien und kulturell bedeutsame Druckwerte geschaffen würden, die ohne die Tätigkeit der Bfin. nicht zur Entstehung gelangen würden. Wegen der im Vordergrund stehenden Förderung der Interessen der Mitglieder könne auch von einer ausschließlichen Gemeinnützigkeit der Gesellschaft keine Rede sein.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Gesellschaft, in der insbesondere die Ansicht des Finanzgerichts als abwegig bezeichnet wird, daß die Gesellschaft unmittelbar den Interessen ihrer Mitglieder dienen wolle und diene.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Der Senat vermag die Auffassung der Vorbehörde nicht als begründet anzusehen, daß die Gesellschaft unmittelbar die Interessen ihrer Mitglieder verfolge. Nach der Satzung ist das Gegenteil der Fall. Die Gesellschaft dient danach primär der Pflege des guten und schönen Buchs, der deutschen Buchkunst und der Wissenschaft vom Buche. Der Umstand, daß die Mitglieder ein Stück der Veröffentlichungen erhalten, rechtfertigt nicht, als unmittelbaren Zweck der Gesellschaft die Förderung der Interessen ihrer Mitglieder anzusehen. Die Vorbehörden stützen sich für ihre gegenteilige Auffassung im wesentlichen auf ein Schreiben des stellvertretenden Vorsitzenden der Gesellschaft vom 9. September 1954, in dem es heißt: "Der Verein hat in diesem Jahre die gleiche Tätigkeit ausgeübt, die er seit seiner Begründung im Jahre 1911 ausgeübt hat und die durch § 2 seiner Satzung gegeben ist: Er hat die Herausgabe besonderer, für seine Mitglieder bestimmter Veröffentlichungen vorbereitet und, soweit eine Fertigstellung der betreffenden Veröffentlichungen im Berichtsjahr möglich war, durchgeführt". Aus diesem Schreiben ergibt sich nicht zwingend, daß der unmittelbare Zweck der Gesellschaft auf Förderung der Interessen ihrer Mitglieder gerichtet ist. Gegenüber dem klar aus der Satzung ersichtlichen Zweck der Gesellschaft handelt es sich bei dem angeführten Schreiben vom 9. September 1954 wohl um ein Vergreifen im Ausdruck. überdies hat die Bfin. ausdrücklich bestritten, daß Zweck ihrer Veröffentlichungen deren Zuweisung an ihre Mitglieder sei. Ebenso ist in der erwähnten Erklärung der Kulturbehörde ausdrücklich hervorgehoben worden, daß das Entscheidende die Veröffentlichung der Werke durch die Gesellschaft selbst sei, nicht aber die Verteilung der Bücher an ihre Mitglieder. Ferner hat die Gesellschaft in ihrem Schreiben vom 12. April 1955 ausgeführt: "Die Veröffentlichungen sind nach Inhalt und Form beispielhaft für die Entwicklung der ganzen Buchkultur in Deutschland. Sie wirken hinsichtlich ihrer Ausstattung anregend auf das gesamte Verlagswesen. Das wird dadurch bewiesen, daß die Mehrzahl der Veröffentlichungen der Nachkriegszeit zu den alljährlich von einer Jury Sachverständiger ausgezeichneten, schönsten deutschen Büchern zählten. Daß diese Bücher dann, nachdem sie hergestellt wurden, den Mitgliedern zur Verfügung stehen, ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist die Veröffentlichung, die durch die Mitglieder, d. h. durch deren Jahresbeitrag, gefördert und überhaupt ermöglicht wird, in gleicher Form wie etwa auch die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft andere Bücher durch finanzielle Zuwendungen fördert". Hiernach ist die Feststellung des Finanzgerichts, daß die Gesellschaft mit ihren Veröffentlichungen unmittelbar ihre Mitglieder fördere, nicht ausreichend begründet. Es steht auch kaum im Einklang mit dem Gedanken einer nur mittelbaren Förderung von Kunst und Wissenschaft, wenn das Finanzgericht einräumt, daß die von der Gesellschaft herausgegebenen Bücher hervorragende Beispiele künstlerischer Buchgestaltung seien, die dem Buchgewerbe Anregungen gäben und kulturell bedeutsame Druckwerke darstellten, die ohne die Tätigkeit der Gesellschaft nicht zur Entstehung gelangt sein würden. Ebenso wird die Verneinung der ausschließlichen Gemeinnützigkeit seitens des Finanzgerichts durch den Hinweis auf die im Vordergrund stehende Förderung der bibliophilen Interessen der Mitglieder der Gesellschaft nicht ausreichend gestützt.
Hiernach war das angefochtene Urteil wegen mangelnder tatsächlicher Feststellungen und wegen möglichen Rechtsirrtums aufzuheben.
Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zu nochmaliger Prüfung der beantragten Steuerbefreiung unter Beachtung der von den Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren eingereichten Schriftsätze zurückverwiesen. Im weiteren Verfahren wird insbesondere noch zu ermitteln sein, ob der Rechtsgrundsatz der Ausschließlichkeit gemeinnütziger Tätigkeit durch die Bfin. gewahrt ist. Nach § 4 Abs. 2 Ziff. 2 der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1953 (Bundesgesetzblatt I S. 1592) dürfen die Mitglieder einer Körperschaft keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten. Es fragt sich, ob etwa die Verteilung der Veröffentlichungen an die Mitglieder unter den Begriff der unzulässigen sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft fällt. Dies wird dann nicht anzunehmen sein, wenn die Höhe der Auflage der Veröffentlichungen der Gesellschaft ohne Berücksichtigung der Verteilungen an die Mitglieder bzw. die Herstellungskosten der Veröffentlichungen nicht wesentlich geringer sein würden, sofern keine Verteilungen an die Mitglieder erfolgten. Wenn der Sachverhalt so läge, daß die Gewährung der Freistücke an die Mitglieder praktisch nur die Verteilung von Büchern bedeutet, die ohnehin gedruckt worden wären, oder deren etwaiger Mehrdruck wenigstens der Gesellschaft keine nennenswerten Mehrausgaben verursacht hätte, so könnten in der Verteilung an die Mitglieder keine schädlichen Zuwendungen erblickt werden. Außerdem wäre zu beachten, daß nur solche Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft steuerschädlich sind, die den Mitgliedern "in Ihrer Eigenschaft als Mitglieder" gemacht werden. Wenn also im Streitfall die Veröffentlichungen an Mitglieder, insbesondere an korporative Mitglieder der Bfin. weniger wegen ihrer Mitgliedschaft, als im Hinblick auf ihre besonderen Tätigkeitsgebiete ausgehändigt würden, damit auf diese Weise den Bestrebungen der Bfin. größere Durchschlagskraft verliehen würde, so könnte auch in diesem Falle die Zuwendungen nicht als schädlich im Sinne des § 4 Abs. 2 Ziff. 1 der Gemeinnützigkeitsverordnung gelten. Schließlich bliebe noch zu prüfen, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (ß 6 a. a. O.) bzw. ein steuerlich unschädlicher Geschäftsbetrieb (ß 7 a. a. O.) hinsichtlich der Vornahme und der Veräußerung der Veröffentlichungen vorliegen. Auf die Ausführungen der Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren wird insoweit Bezug genommen. Für die Entscheidung werden die Beispiele für steuerlich unschädliche Geschäftsbetriebe im § 9 Abs. 1 Ziff. 8 und 9 a. a. O. beachtlich sein (kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen, wenn die erhobenen Entgelte die Unkosten höchstens decken oder nur wenig überschreiten). Schließlich ist eventuell auch § 21 a. a. O.) zu beachten.
Fundstellen
Haufe-Index 408464 |
BStBl III 1956, 171 |
BFHE 1956, 462 |
BFHE 62, 462 |