Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Es gibt keinen Rechtssatz, daß ein Verwaltungsbeamter, der an einem Verwaltungsakt mitgewirkt hat, nicht auch an einem in derselben Sache ergehenden späteren Verwaltungsakt mitwirken darf.

Die Rückzahlung des auf einen Kapitalansammlungsvertrag nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 WoPG eingezahlten Kapitals ist schädlich, auch wenn das Kapital zwar zur Finanzierung eines Bauvorhabens verwendet, dieses aber nicht in der in § 16 Abs. 2 WoPDV vorgesehenen Weise durchgeführt wird.

Zur Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben, wenn zwar das FA die Auszahlung des angesammelten Kapitals für unschädlich erklärt, das Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbauunternehmen, mit dem der Kapitalansammlungsvertrag geschlossen war, zuvor aber die Auszahlung als schädlich bezeichnet hatte.

 

Normenkette

AO §§ 67, 69; WoPG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 5/2; WoPDV § 16 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Stpfl.) hat am 5. Januar 1956 mit einer Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GmbH) einen Kapitalansammlungsvertrag nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Wohnungsbau- Prämiengesetzes (WoPG) geschlossen und auf den Vertrag bis zum Jahre 1961 regelmäßig Einzahlungen geleistet. Ihm sind für die Jahre 1956 bis 1961 Wohnungsbau-Prämien von insgesamt 2.400 DM gewährt worden.

Im Jahre 1963 bat der Stpfl. die GmbH um Auszahlung der angesparten Beträge und der Prämien, weil er aus dem Bauvorhaben mit ihr ausscheiden und selbst ein Einfamilienhaus bauen wolle. Am 22. August 1963 wies die GmbH den Stpfl. darauf hin, daß die Wohnungsbau-Prämien an das FA zurückgezahlt werden müßten, wenn er nicht mit ihr oder einem gleichgestellten Wohnungsbauunternehmen baue oder von der Möglichkeit Gebrauch mache, mit einem Kreditinstitut einen Wohnungsbau-Sparvertrag mit festgelegten Sparraten abzuschließen und die bisher angesammelten Beträge auf den Sparvertrag zu übertragen. Bei einer Vorsprache beim FA am 1. September 1963 erhielt der Stpfl. die mündliche Auskunft, ihm blieben die Wohnungsbau-Prämien erhalten, wenn er das angesparte Guthaben zum Bau seines Einfamilienhauses verwende. Noch am selben Tage unterrichtete er die GmbH über die Erklärungen des FA und verlangte erneut die Auszahlung seines Guthabens und der Prämien. Die GmbH überwies ihm daraufhin am 3. Oktober 1963 das angesammelte Kapital ohne die Prämien, teilte ihm aber gleichzeitig mit, daß sie trotz der Auskunft des FA nach wie vor der Ansicht sei, die gewährten Prämien müßten zurückgezahlt werden, und daß sie an das FA unter Darlegung ihrer Meinung geschrieben habe, damit dieses endgültig über die Auszahlung der Prämien entscheide. Am 21. Oktober 1963 antwortete das FA der GmbH, daß es nach Einsicht in die Verordnung zur Durchführung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPDV) vom 8. März 1960 die Auffassung der GmbH als richtig anerkenne. Eine Durchschrift dieses Schreibens wurde dem Stpfl. übersandt.

Am 8. Juni 1964 forderte das FA die gewährten Wohnungsbau- Prämien von 2.400 DM zurück, weil das angesammelte Kapital nicht gemäß dem Gesetzeszweck verwendet worden sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das FG bejahte die Rückzahlungspflicht, weil der Stpfl. den nach dem WoPG vorausgesetzten Zweck nicht erfüllt habe; die Rückforderung des FA verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben.

Mit seiner Revision rügt der Stpfl. Verletzung des Verfahrensrechts und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Einen Verfahrensverstoß sieht er darin, daß der Beamte, der die unrichtige Auskunft erteilt hatte, bei der Rückforderung der Prämien und bei der Entscheidung über den Einspruch mitgewirkt habe. Als unrichtige Rechtsanwendung rügt er, daß das FG sich auf die WoPDV gestützt hat, ohne zu prüfen, ob sie dem Grundgesetz entspreche. Tatsächlich, so macht er geltend, sei die in § 9 Abs. 1 Nr. 4 WoPG enthaltene Ermächtigung zu unbestimmt und trage die darauf gestützte Durchführungsverordnung nicht. Im übrigen sei die Entscheidung des FG weder aus dem WoPG noch aus der WoPDV herzuleiten. Auf jeden Fall habe das FG zu Unrecht einen Verstoß gegen Treu und Glauben verneint.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision muß zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Stpfl. gegen das Verfahren des FA greifen nicht durch. Wenn bei der Auskunft, bei der Rückforderung und bei der Einspruchsentscheidung derselbe Beamte beteiligt war, so waren doch alle diese Akte Verwaltungsakte. Es gibt keinen Grundsatz, daß ein Beamter, der an einem Verwaltungsakt mitgewirkt hat, von der Mitwirkung an einem weiteren Verwaltungsakt in derselben Sache ausgeschlossen sei. Daß insbesondere bei einer Einspruchsentscheidung die Mitwirkung eines Beamten nicht ausgeschlossen ist, der an der angefochtenen Verfügung mitgewirkt hat, ergibt sich ausdrücklich aus § 67 Abs. 1 Nr. 5 AO.

Die Rückforderung der Prämien entspricht sachlich dem § 2 Abs. 1 Nr. 4 WoPG (WoPG 1960) und dem § 16 Abs. 2 WoPDV 1955 (WoPDV 1960), wonach die angesparten Beträge - auf den Streitfall bezogen - zwar zum Bau eines Eigenheims verwendet werden können, aber nur unter Einschaltung des gemeinnützigen Unternehmens, mit dem der Vertrag geschlossen worden ist (vgl. dazu neuerdings das Urteil des Senats VI 62/64 vom 8. März 1967, BFH 88, 225, BStBl III 1967, 353).

Auch eine an sich berechtigte Rückforderung kann aber, wie dem Stpfl. zuzugeben ist, unzulässig sein, wenn das FA mit der Rückforderung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde. Das hat auch das FG nicht verkannt. Es führt zutreffend aus, auch eine unrichtige Auskunft könne zu einer der Besteuerung entgegenstehenden "Bindung" führen, wenn der Stpfl. durch die unrichtige Auskunft zu der die Steuerpflicht auslösenden Disposition veranlaßt worden sei. Daß hier der Stpfl. durch die unrichtige Auskunft des FA zum Abruf seines angesammelten Kapitals veranlaßt worden ist, bezweifelt das FG nicht. Wenn das FG in diesem Zusammenhang geprüft hat, ob dem Stpfl. aber nicht doch wegen der eindeutigen Ablehnung durch die GmbH Bedenken hätten kommen müssen, so ist das ebenfalls nicht zu beanstanden. Mit Recht weist das FG darauf hin, daß der Stpfl., obwohl er das FA als die zuständige Instanz ansehen konnte, doch nicht außer Betracht lassen durfte, daß die GmbH mit den hier gestellten Fragen ebenfalls sehr vertraut war. Der Senat stimmt dem FG darin zu, daß der Stpfl. sich unter diesen Umständen nicht ohne weiteres auf eine mündliche Auskunft des FA verlassen durfte, sondern eine schriftliche Auskunft des FA hätte anfordern müssen, zumal ihm auch die Auskunft der GmbH schriftlich erteilt worden war. Es ist allerdings auch möglich, daß der Stpfl. beim FA um eine schriftliche Auskunft gebeten hatte, das FA das aber ablehnte, weil es sie für unnötig hielt. In diesem Fall darf es nicht zu Lasten des Stpfl. gehen, daß er keine schriftliche Auskunft des FA erlangt hat.

Die bisherigen Feststellungen des FG lassen eine abschließende Prüfung dieser Fragen nicht zu. Aus diesem Grund muß die Vorentscheidung aufgehoben werden. Die nicht spruchreife Sache wird an das FG zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.

Das FG muß besonders auch prüfen, ob der Stpfl. dem FA bei der persönlichen Vorsprache den ablehnenden Bescheid der GmbH mitgeteilt hat. Das scheint zwar nach der Darstellung auf S. 12 des Urteils der Fall gewesen zu sein, ist aber doch nicht so eindeutig festgestellt, daß die Anfrage nicht auch ohne einen solchen Hinweis gestellt sein könnte. Hat der Stpfl. das FA in dieser Weise vollständig informiert, so hat er getan, was man in dieser Hinsicht von ihm billigerweise erwarten durfte. Zu prüfen ist auch noch, ob der Stpfl. sich auf die Auskunft des aufgesuchten Beamten wirklich verlassen durfte. Nach der Rechtsprechung des Senats muß eine Auskunft, um Vertrauensschutz für den Stpfl. zu begründen, grundsätzlich von einem zur Vertretung des FA allgemein berufenen Beamten erteilt worden sein (Grundsatzurteil des Senats VI 269/60 S vom 4. August 1961, BFH 73, 813, BStBl III 1961, 562). Das ist gerade von Bedeutung, weil auf Grund der abschlägigen Bescheide der GmbH Bedenken gegen die Auskunft des FA nahelagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424257

BStBl III 1967, 590

BFHE 1967, 228

BFHE 89, 228

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