Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Schuldanerkenntnisse (Einräumung von Darlehen) der Eltern gegenüber den Kindern sind steuerlich nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen, wie sie der Bundesfinanzhof für die Anerkennung der Beteiligung von Kindern am elterlichen Geschäft aufgestellt hat.
Die Bedeutung der Erfüllung bürgerlich-rechtlicher Formvorschriften für die steuerliche Anerkennung
Normenkette
EStG §§ 4-5, 12 Nr. 2; StAnpG §§ 5-6
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt ein im Handelsregister eingetragenes Handelsgewerbe. Streitig ist die Anerkennung von Darlehnsschulden an die Kinder des Bf. Die Darlehnsschulden sind mit je 15 000 RM für die Tochter A., geboren am 25. Dezember 1927, und für den Sohn B., geboren am 15. März 1929, in der Anfangsbilanz vom 1. Januar 1946 vom Kapitalkonto des Bf. abgezweigt worden. Die Darlehen sind in den Bilanzen der RM-Zeit um Zinsgutschriften erhöht worden. Nach Umstellung im Verhältnis 1:1 wurden die Darlehen in der DM-Zeit buchmäßig entsprechend weitergeführt. Für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 haben sich die Darlehnsschulden um Zinsgutschriften in Höhe von je 4 % weiter erhöht. Das Finanzamt hat diese Zinsgutschriften nicht als Betriebsausgaben anerkannt.
Die Abzweigung der Darlehen vom Kapitalkonto des Bf. beruht auf zwei Schreiben vom 27. Dezember 1945, in denen der Bf. seinen Kindern mitteilt, daß er ihnen den Betrag von je 15 000 RM zu Weihnachten schenke. Aus den dem Finanzgericht vorgelegten Originalschreiben geht hervor, daß die geschenkten Beträge dem Schenker zur Verfügung zu stellen sind, und daß eine Kündigung seitens der Beschenkten erst mit dem Ablauf von 15 Jahren, gerechnet vom 1. Januar 1946 an, möglich ist. Bereits im August 1945 hatte die Ehefrau des Bf. - in Abwesenheit des Bf. - zur Vermeidung der Beschlagnahme Sparkonten auf den Namen der Kinder in etwa gleicher Höhe wie die späteren Darlehen angelegt. Diese Sparkonten hat der Bf. mit Wirkung vom 1. Januar 1946 an wieder als sein eigenes Vermögen behandelt.
Das Finanzgericht hat im Ergebnis die Auffassung des Finanzamts gebilligt, weil die vom Bf. gegebene Sachdarstellung und Begründung keine einheitliche Linie einhalte. Des weiteren werde die Vollziehung der Schenkungsversprechen mit der Abbuchung vom Kapitalkonto begründet. Die mit Rückwirkung vom 1. Januar 1946 vorgenommene Abbuchung im Saldovortrag sei keine ordnungsmäßige Buchung des Geschäftsvorfalles. Der Bf. habe nur Zuwendungen ausgeführt, die er sich sofort wieder habe zurückgeben lassen. Aus der Unkündbarkeit für 1 1/2 Jahrzehnte, die sich bis zum 33. bzw. 31. Lebensjahr der Kinder erstrecke, ergebe sich, daß von einer vorbereiteten Regelung für die alsbaldige Aufnahme der Kinder in das Geschäft nicht die Rede sein könne.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich in Ausführungen tatsächlicher Natur gegen die Vorentscheidung. Sie erkennt an, daß formal zwei Schenkungsakte vorgelegen haben. Die zweite Schenkung, nämlich die Einräumung eines Darlehens, habe die erste Schenkung ablösen sollen. Dies sei unbedenklich, da die erste Schenkung rechtsungültig gewesen sei. Die verspätete Buchung des eingeräumten Darlehens sei ohne Bedeutung.
In der mündlichen Verhandlung wurde mit Rücksicht auf Ausführungen des Steuerpflichtigen im bisherigen Verfahren an den Vertreter des Bf. die Frage gerichtet, ob er ein Nutznießungsrecht des Vaters an den behaupteten Darlehen für die Zeit vom 18. bis zum 21. Lebensjahr der Kinder annehme. In diesem Fall beschränke sich die Streitfrage auf die im Jahre 1949 von der Tochter bezogenen Zinsen. Der Vertreter des Steuerpflichtigen bejahte diese Frage.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Die Frage, inwieweit Zinsen auf Grund eines den Kindern eingeräumten Darlehens unter § 12 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fallen, war nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nicht zweifelsfrei. In der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 384/52 U vom 10. April 1953 (Slg. Bd. 57 S. 400, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 157) werden die Voraussetzungen des § 12 Ziff. 2 EStG bei Zinsen einer hypothekarisch gesicherten Forderung, die die Eltern einer Tochter unter Anrechnung auf den Erbteil eingeräumt haben, als nicht vorliegend betrachtet. Die Entscheidung stützt sich auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 197/38 vom 30. März 1938, Slg. Bd. 43 S. 290, Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform II S. 342, das eine an eine Tochter gezahlte Rente als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG dort anerkannt hat, wo sie der Tochter gegen Verzicht auf das Erbe oder das Pflichtteilsrecht gewährt worden ist. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs fordert somit eine Gegenleistung des Kindes und hält es für vertretbar, in der Verpflichtung zur Anrechnung auf den Erbteil die notwendige Gegenleistung zu erblicken. Der enge Standpunkt der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hinsichtlich der Anerkennung der Mitunternehmerschaft von Kindern am betrieblichen Vermögen der Eltern (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 101/42 vom 29. April 1942, Reichssteuerblatt - RStBl - 1942 S. 497) mußte sich notwendig auch auf die Anerkennung von Darlehen auswirken. Diese Auffassung kommt auch in den Ausführungen der Finanzgerichte in der Entscheidung IV 384/52 U und im vorliegenden Falle zum Ausdruck. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist aber dieser Auffassung nur in begrenztem Umfange beigetreten. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 246/50 S vom 22. August 1951, Slg. Bd. 55 S. 499, BStBl 1951 III S. 181, kann die steuerliche Anerkennung einer OHG oder KG nicht lediglich mit der Begründung versagt werden, daß außerbetriebliche, z. B. steuerliche und familienrechtliche Erwägungen den Abschluß des Gesellschaftsvertrages veranlaßt haben. Die Anerkennung derartiger Verträge setzt nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 83/50 U vom 17. Oktober 1951, Slg. Bd. 55 S. 548, BStBl 1951 III S. 223, allerdings klare Verhältnisse voraus. Es muß insbesondere die tatsächliche Gestaltung mit dem Vertragsinhalt übereinstimmen (siehe auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 4-5/55 U vom 31. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 288).
Einen gleichartigen Wandel hat die Rechtsprechung auch bei der Anerkennung der Arbeitsverhältnisse von Kindern im Betriebe der Eltern vorgenommen. Im einzelnen wird hierzu die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 520/53 U vom 17. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 262, BStBl 1955 III S. 102, verwiesen.
Dieser Wandel in der Rechtsprechung muß sich auch auf Schuldanerkenntnisse (Einräumung von Darlehen) der Eltern gegenüber den Kindern auswirken. Sie sind steuerlich unter den gleichen Voraussetzungen wie Beteiligungen anzuerkennen.
Bedeutungsvoll ist bei den Verträgen auf familienrechtlicher Grundlage, ob sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen worden sind. Die Vorinstanzen haben in den Schreiben des Steuerpflichtigen vom 27. Dezember 1945 lediglich Schenkungsversprechen gesehen, die nichtig seien, da sie nicht die in § 518 BGB vorgeschriebene Form hätten (gerichtliche oder notarielle Beurkundung). Nach § 518 Abs. 2 BGB kann allerdings der Mangel der Form durch Bewirkung der Leistung geheilt werden. Im Streitfall ist für diese Frage die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte hinsichtlich der Bedeutung der Gutschrift in der Buchführung beachtlich. Diese Gerichte haben bei der Einräumung einer Beteiligung der Gutschrift Bedeutung zugemessen, nicht aber der Verbuchung des Schuldanerkenntnisses. Siehe Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart 586/26 vom 5. November 1926, Juristische Wochenschrift 1927 S. 726 (ausdrücklich im Gegensatz zu der Entscheidung des Reichsfinanzhofs V A 29/25 vom 13. März 1925, Slg. Bd. 16 S. 144, RStBl 1925 S. 202); Urteil des Reichsgerichts VI 206/11 vom 18. Dezember 1911, Das Recht 1912 Nr. 569, Warneyer, Rechtsprechung 1912 Nr. 101. Die ordentlichen Gerichte haben sogar für die sogenannte Innengesellschaft (Gegensatz zur OHG, KG) die Gutschrift in den Büchern als unzureichend angesehen, so neuerdings Entscheidung des Bundesgerichtshof II Z R 16/52 vom 29. Oktober 1952, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 7 S. 378, Neue Juristische Wochenschrift 1953 S. 138. Das Urteil ist allerdings sehr umstritten. Siehe hierzu Staudinger, BGB § 518 Anm. 7, Schlegelberger, HGB (3. Aufl.) § 335 Anm. 13, Weipert, HGB § 335 Anm. 21, sowie die Stellungnahmen in den Anmerkungen zu dem Urteil in der Neuen Juristischen Wochenschrift 1953 S. 138 von Hueck und in Juristenzeitung 1953 S. 225 von Würdinger.
Das Einkommensteuerrecht beurteilt den Tatbestand wirtschaftlich und ist nicht streng an die Form gebunden (ß 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Dem steht aber nicht entgegen, daß bei der Beurteilung der Frage, ob ernsthaft gemeinte Vereinbarungen zwischen Familienangehörigen vorliegen, der Erfüllung der vom bürgerlichen Recht vorgeschriebenen Formen wesentliche Bedeutung zukommt. Bürgerlich-rechtlich wegen Formmangels nichtige Vereinbarungen sprechen gegen die Ernsthaftigkeit. Man könnte deshalb im Streitfalle auch aus dieser Betrachtung heraus gegen die behaupteten Darlehen Bedenken geltend machen. Trotzdem glaubt der Senat unter Würdigung der gesamten Umstände, den Darlehen für 1949 die Anerkennung nicht versagen zu sollen.
Nach der nicht bestrittenen Darstellung des Steuerpflichtigen wurden die Schuldanerkenntnisse in einer Zeit ausgesprochen, bei der infolge des Zusammenbruchs die gerichtliche oder notarielle Beurkundung auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Der Steuerpflichtige hat die Darlehen seit 1946 in seinen Bilanzen stets ausgewiesen. Die lange Laufzeit der Darlehen begründet er damit, daß die Kinder als künftige Erben allmählich durch Umwandlung der Darlehen am Unternehmen beteiligt werden sollten. Gegen dieses tatbestandsmäßige Vorbringen wird man kaum Bedenken geltend machen können. Er hat nach seinen Angaben seit 1. Januar 1952 die Darlehnsschulden der Kinder in stille gesellschaftliche Beteiligungen umgewandelt.
Die von den Vorinstanzen gegen die Darlehen geltend gemachten Gesichtspunkte wird man für die ersten Jahre nach dem Schenkungsversprechen als entscheidend ansehen können. Für das Jahr 1949, für das nach dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung diese Frage allein zu entscheiden ist (der Zeit vom 25. Dezember bis 31. Dezember 1948 wird man keine Bedeutung zumessen können) erscheint es mit Rücksicht darauf, daß die Darlehen in der Buchführung seit einer Reihe von Jahren ausgewiesen worden sind, angezeigt, sie anzuerkennen.
Es handelt sich bei dieser Frage in der Hauptsache um Würdigung des Tatbestandes. Da jedoch die Vorentscheidung auf Grund der Ausführungen zu einem anderen Streitpunkt aufgehoben werden muß, ist der Senat in der Lage, in die oben dargestellte tatbestandsmäßige Würdigung einzutreten.
Fundstellen
Haufe-Index 408560 |
BStBl III 1956, 380 |
BFHE 1957, 480 |
BFHE 63, 480 |
DB 1956, 1171 |