Leitsatz (amtlich)
Das FA kann gegen einen Lohnsteuererstattungsanspruch nicht mit einer Forderung einer Bundesbehörde - hier des Landesarbeitsamts - aufrechnen, da die Gegenseitigkeit fehlt.
Normenkette
AO 1977 § 226 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Steuerpflichtige Z erhielt von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Teilzahlungsbank, einen Kredit. Zur Sicherung dieses Kredits trat er der Klägerin am 29. Januar 1979 seinen Anspruch auf Erstattung von Lohnsteuer 1978 ab. Die Klägerin zeigte die Abtretung dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) an und begehrte die Auszahlung des Erstattungsbetrags in Höhe ihrer Darlehensforderung.
Das FA setzte durch Bescheid vom 27. März 1979 über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1978 den Erstattungsbetrag auf 891,52 DM fest, nachdem es gegen den Erstattungsanspruch mit einer Forderung des Landesarbeitsamts Berlin auf Darlehensrückzahlung in Höhe von 530 DM aufgerechnet hatte ("Aufrechnungserklärung" vom 26. März 1979). Der Aufrechnungserklärung lag ein Amtshilfeersuchen des Landesarbeitsamts vom 13. Februar 1979 an das FA zugrunde.
Das FA zahlte an die Klägerin den 530 DM übersteigenden Betrag aus und erließ ihr gegenüber am 24. März 1981 einen Bescheid, worin der Antrag auf Erstattung des Restbetrags zurückgewiesen wurde. Dieser Bescheid enthielt die Aussage, daß mit einer Forderung des Landesarbeitsamts Berlin in Höhe von 530 DM durch Verfügung vom 26. März 1979 aufgerechnet worden sei. Der von der Klägerin hiergegen entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) Berlin gab der Klage statt (Urteil vom 8. Juni 1982 VII 436/81, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1983, 158). Es hob die angefochtene Verfügung des FA vom 24. März 1981 sowie die Einspruchsentscheidung vom 14. September 1981 auf und stellte fest, daß der Klägerin ein Resterstattungsanspruch aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1978 in Höhe von 530 DM zustehe. Die Abtretung dieses Anspruchs sei wirksam. Es liege eine Sicherungsabtretung vor. Der abgetretene Anspruch sei nicht durch Aufrechnung erloschen. Die erklärte Aufrechnung sei nicht wirksam, weil seitens der Behörden (FA und Landesarbeitsamt) keine Schuldnerbzw. Gläubigeridentität vorgelegen habe.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 226 der Abgabenordnung (AO 1977). Grundsätzlich sei für die Prüfung der Gegenseitigkeit von Ansprüchen auf die Regelung des § 226 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. den §§ 387 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abzustellen. Dies habe zur Folge, daß - wie bereits unter der Geltung der Reichsabgabenordnung (AO) - bei identischer ertragsberechtigter Körperschaft die Aufrechnungslage sich bereits aufgrund der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts ergebe. Die Sonderregelung des § 226 Abs. 4 AO 1977 stehe im Ergebnis einer Aufrechnung von Forderungen und Schulden, deren Ertragsberechtigung bei einer und derselben Körperschaft liege, nicht entgegen, wenn die Verwaltung durch verschiedene Körperschaften erfolge (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 24. November 1981, AO-Kartei, § 226 Karte 3; Erlaß des Senators für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen vom 16. Februar 1978, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1978, 228). Die Quote des Bundes für das Jahr 1978 betrage 43 %. Danach ergebe sich ein Anteil des Bundes an dem der Klägerin abgetretenen Lohnsteuererstattungsanspruch von 351 DM (43 % aus 818 DM). Bis zu dieser Höhe sei die Aufrechnung zu Recht erfolgt und der Erstattungsanspruch erloschen. Der Restbetrag von 179 DM (530 DM ./. 351 DM) stehe der Klägerin zu.
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung insoweit abzuweisen, als die Klägerin die Feststellung des Bestehens eines den Betrag von 179 DM übersteigenden Erstattungsanspruchs begehrt.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur teilweisen Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Klage zulässig ist. Insbesondere steht § 41 Abs. 2 FGO der Zulässigkeit nicht entgegen. Denn obgleich im Klageantrag das Wort "festzustellen" verwendet wurde, war dieser Antrag in Verbindung mit der Klagebegründung nicht so zu verstehen, daß die Klägerin eine Feststellung i. S. von § 41 Abs. 1 FGO begehrte. Vielmehr erstrebte sie die Aufhebung des ihr nachteilig erscheinenden Abrechnungsbescheids des FA vom 24. März 1981. Darüber hinaus begehrte sie, die Verpflichtung des FA zum Erlaß eines ihr günstigeren Bescheids auszusprechen. Dementsprechend ist die Vorentscheidung, die in den Gründen zu Recht bejaht, daß ein Abrechnungsbescheid angefochten wurde, nicht als. Feststellungs- (§ 41 FGO), sondern als Verpflichtungsurteil (§ 40 Abs. 1 FGO) zu verstehen, obgleich der Urteilstenor - offenbar in Anlehnung an die Klageschrift - die Formulierung "wird festgestellt" enthält.
2. Ohne Rechtsverstoß hat das FG die Wirksamkeit der Aufrechnung mangels Gegenseitigkeit verneint. Das FA konnte gegen den an die Klägerin abgetretenen Lohnsteuererstattungsanspruch nicht mit einer Forderung einer Bundesbehörde, hier des Landesarbeitsamts, aufrechnen. Gemäß § 226 Abs. 4 AO 1977 gilt für die Aufrechnung als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis die Körperschaft, die die Steuer verwaltet. Diese Regelung hat hinsichtlich der Gläubiger- oder Schuldnerstellung klare Rechtsverhältnisse geschaffen. Maßgebend ist danach - anders als nach dem früheren Rechtszustand - nicht mehr die Ertrags-, sondern die Verwaltungshoheit. Die Aufrechnung gegen einen Steuererstattungsanspruch kann sonach nur mit einer Forderung derjenigen Körperschaft erfolgen, der die Verwaltung der Steuer obliegt, auf die sich der Erstattungsanspruch bezieht. Welcher Körperschaft für diese Steuerart die Ertragshoheit zusteht, ist unerheblich. Der Wortlaut des Gesetzes ist insoweit eindeutig. Die vom FA vertretene Rechtsansicht ist vom möglichen Wortsinn als dem Rahmen der Auslegung nicht gedeckt. Sie kann deshalb hier nicht in Betracht kommen, weil sie sich letztlich zu Lasten des Erstattungsberechtigten auswirken würde (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60, BVerfGE 13, 318, BStBl I 1962, 506; Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. April 1982 I R 89/77, BFHE 135, 531, BStBl II 1982, 556, 559).
3. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen indes nicht zu der Annahme aus, daß der Klägerin ein Zahlungsanspruch zustehe.
a) Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 ist der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zwecke der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung nicht zulässig. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht für die Fälle der Sicherungsabtretung. Die Vorinstanz hat die Abtretung offenbar deshalb für zulässig erachtet, weil sie in Anlehnung an das von ihr angeführte, nicht veröffentlichte Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 2. April 1981 II U 67/80 davon ausgegangen ist (dort S. 27, 28), daß eine Sicherungsabtretung vorliege. Diese rechtliche Wertung ist ohne Kenntnis des Inhalts des Abtretungsvertrags nicht nachvollziehbar. Das FG hat den Vertragsinhalt nicht festgestellt. Es hätte zwar ausgereicht, wenn das FG auf den Abtretungsvertrag Bezug genommen hätte und dieser sich bei den Akten befände (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 1981 I R 123/77, BFHE 133, 412, 418, BStBl II 1982, 211). Beides ist aber nicht der Fall. Der Hinweis auf das Urteil des OLG Düsseldorf II U 67/80 ersetzt die Feststellung des Inhalts des dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Abtretungsvertrags schon deshalb nicht, weil auch dieses Urteil, das in einer anderen Sache ergangen ist, den für die Entscheidung des vorliegenden Falles maßgebenden Sachverhalt nicht in ausreichendem Umfang erkennen läßt. Der Vertragsinhalt ist im Urteil des OLG Düsseldorf nur auszugsweise wiedergegeben.
b) Bei seiner erneuten rechtlichen Prüfung wird das FG zu beachten haben, daß, wenn eine Sicherungsabtretung vorliegen sollte, die von der Zivilrechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze Anwendung finden. Insbesondere sind im wesentlichen die Vorschriften der §§ 1279 f. BGB (betreffend die Verpfändung von Forderungen) entsprechend heranzuziehen (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 27. Oktober 1960 II ZR 89/59, Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1961, 25, 26; Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes - BGB-RGRK - zu § 398 Rdnr. 136). Der Abtretungsempfänger (hier die Klägerin) ist grundsätzlich mangels anderweitiger Abrede nur dann zur Einziehung der abgetretenen Forderung befugt, wenn der Abtretende mit der Erfüllung seiner Zahlungspflicht ihm gegenüber in Verzug kommt (Urteil des Reichsgerichts vom 19. September 1933 II 70/33, RGZ 142, 139, 141). Ob eine anderweitige Abrede in diesem Sinne vorliegt, wird zu ermitteln sein. Schließlich wird nicht unaufgeklärt bleiben können, inwieweit ein Zusammenwirken und/oder eine rechtliche Verknüpfung zwischen der Klägerin und einem Verein vorliegt, dessen Vereinszweck in der Durchsetzung von Steuererstattungsansprüchen besteht (vgl. insoweit BGH-Urteil vom 6. November 1973 VI ZR 194/71, BGHZ 61, 318).
c) Sollten die weiteren Ermittlungen des FG ergeben, daß zwar die Bezeichnung "Sicherungsabtretung" gewählt worden ist, tatsächlich aber eine Abtretung erfüllungshalber vorliegt (vgl. BGH-Urteil vom 9. November 1955 IV ZR 196/54, BGHZ 19, 12, 15; Schlegelberger/Hefermehl, Handelsgesetzbuch, Bd. 3, 4. Aufl., 1965, § 368 - Anh. - Rdnr. 227), so wäre von der Nichtigkeit der Abtretung auszugehen (§ 46 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 AO).
4. Wegen der betragsmäßigen Beschränkung des Revisionsantrags ist die Vorentscheidung nicht in vollem Umfang aufzuheben (§ 96 Abs. 1 Satz 2, § 121 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 74882 |
BStBl II 1984, 183 |
BFHE 1984, 491 |