Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 7b-Absetzungen bei Einlage in Sonderbetriebsvermögen
Leitsatz (NV)
1. Der Erwerber kann den vollen Jahresbetrag von 5 v.H. der Anschaffungskosten auch in dem Veranlagungszeitraum in Anspruch nehmen, in dem er das begünstigte Objekt veräußert; der Grundsatz der zeitanteiligen Absetzung gilt nicht für erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG (herrschende Meinung).
2. Die gleichen Grundsätze wie bei einer Veräußerung gelten auch, wenn der Erwerber das begünstigte Objekt in sein Sonderbetriebsvermögen einlegt.
Normenkette
EStG 1981 § 7b Abs. 1; BerlinFG § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger ist als Rechtsanwalt zusammen mit einem weiteren Rechtsanwalt im Rahmen einer Anwaltsozietät freiberuflich tätig. Die hieraus erzielten Einkünfte werden gesondert und einheitlich festgestellt.
Der Kläger erwarb im Jahre 1980 eine Eigentumswohnung, die er zunächst vermietete. Ab April des Streitjahres 1981 überließ er die Wohnung der Anwaltssozietät zur freiberuflichen Nutzung.
Der Kläger machte im Streitjahr erhöhte Absetzungen gemäß § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 15 Abs. 1 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) von 10 v.H. der Anschaffungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies ab und berücksichtigte Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 350 veröffentlichten Urteil statt.Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 7b EStG i.V.m. § 15 Abs. 1 BerlinFG). Die Förderung nach § 7b EStG setze voraus, daß das Objekt im Veranlagungszeitraum zeitlich überwiegend zu mehr als 66 2/3 v.H. Wohnzwecken gedient habe.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags vorläufigen Änderungsbescheid erlassen, den die Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat den Klägern rechtsfehlerfrei erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG i.d.F. des Streitjahres (EStG 1981) i.V.m. § 15 Abs. 1 BerlinFG gewährt.
1. Nach § 7b Abs. 1 EStG kann der Erwerber bei im Inland belegenen Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen, die zu mehr als 66 2/3 v.H. Wohnzwecken dienen, abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG im Jahr der Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren jeweils bis zu 5 v.H. der Anschaffungskosten absetzen.
Den vollen Jahresbetrag von 5 v.H. der Anschaffungskosten kann der Erwerber auch in dem Veranlagungszeitraum in Anspruch nehmen, in dem er das begünstigte Objekt veräußert; denn der Grundsatz der zeitanteiligen Absetzung gilt nach Wortlaut und Systematik von § 7b EStG nicht für erhöhte Absetzungen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Dezember 1957 VI 234/56 U, BFHE 66, 182, BStBl III 1958, 72; vom 18. August 1977 VIII R 93/74, BFHE 123, 180, BStBl II 1977, 835; ebenso Abschn. 53 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1981; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 7b Anm.8b; Boeker in Lademann/Söffing/ Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 7b Anm.90; Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 7b EStG Anm.130).
Diese Auslegung ergibt sich ferner aus der gesetzlichen Regelung des Verhältnisses von Erst- und Folgeobjekt in § 7b Abs. 5 EStG; denn § 7b Abs. 5 Sätze 4 und 5 zweiter Halbsatz EStG setzen die volle steuerliche Begünstigung des Erstobjekts gemäß § 7b Abs. 1 EStG im Veranlagungszeitraum der Veräußerung voraus. Hiervon ist auch der erkennende Senat in seinem Urteil vom 17. März 1992 IX R 305/87 (BFH/NV 1992, 594) zum Wahlrecht zusammen veranlagter Eheleute bei § 7b-Absetzungen zwischen Folge- und Zweitobjekt ausgegangen; denn danach haben Eheleute ihr Wahlrecht zugunsten eines Zweitobjekts ausgeübt, wenn sie in einem Veranlagungszeitraum, in dem sie ein begünstigtes Objekt veräußert und ein weiteres begünstigtes Objekt erworben haben, erhöhte Absetzungen für zwei Objekte geltend machen und aufgrund dessen bestandskräftig veranlagt werden.
2. Von den gleichen Grundsätzen wie bei einer Veräußerung ist auch auszugehen, wenn der Erwerber das begünstigte Objekt in sein Sonderbetriebsvermögen einlegt.
Der erkennende Senat kann unerörtert lassen, ob erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG - wie das FG meint - auch dann für den gesamten Veranlagungszeitraum zu gewähren sind, wenn sich die Nutzungsvoraussetzungen während dieses Zeitraums ändern und das Gebäude nicht mehr in erforderlichem Umfang Wohnzwecken dient (wie die Vorinstanz Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., Anm.130; anderer Auffassung aber Abschn. 55 Abs. 3 EStR 1981; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 7b Anm.8c; Boeker in Lademann/Söffing/ Brockhoff, a.a.O., Anm.91).
Jedenfalls dann, wenn diese Nutzungsänderung mit einer Einlage in das Sonderbetriebsvermögen verbunden ist, ist sie als veräußerungsähnlicher Vorgang wie eine Veräußerung zu behandeln.
Zwar ist die Einlage keine Veräußerung; denn der wirtschaftliche Eigentümer wechselt nicht. Die Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen durch Entnahme und - umgekehrt - die Überführung aus dem Privatvermögen in das Sonderbetriebsvermögen durch Einlage werden jedoch wegen der unterschiedlichen gesetzlichen Regelung der Einkünfteermittlung der Veräußerung des Wirtschaftsguts an einen Dritten gleichgestellt (BFH-Urteile vom 10. Januar 1963 IV 214/58 S, BFHE 76, 713, BStBl III 1963, 261; vom 9. August 1983 VIII R 177/80, BFHE 139, 187, BStBl II 1983, 759; Werndl, in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 7 Rdnr. E 14, m.w.N.; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 6 EStG Anm.1193, m.w.N.). Mit der Einlage des Gebäudes beginnt ein neuer Absetzungszeitraum im Betriebsvermögen. Das Wirtschaftsgut unterliegt nun der betrieblichen Gewinnermittlung.
Nach diesen Grundsätzen hat der erkennende Senat in seinem Beschluß vom 2. Juli 1992 IX B 169/91 (BFHE 168, 298, BStBl II 1992, 909) eine Entnahme im Rahmen von § 7 Abs. 5 EStG als anschaffungs- bzw. veräußerungsähnlichen Vorgang gewertet. Nichts anderes kann aber gelten, wenn der Steuerpflichtige sein nach § 7b Abs. 1 EStG begünstigtes Objekt in sein Sonderbetriebsvermögen überführt: Er kann in dem Veranlagungszeitraum der Einlage die erhöhten Absetzungen als Jahresbetrag in Anspruch nehmen.
3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend den vollen Jahresbetrag der erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG berücksichtigt. Der Kläger hat seine Eigentumswohnung im Laufe des Streitjahres in sein Sonderbetriebsvermögen eingelegt, indem er sie der Anwaltssozietät zur nicht nur vorübergehenden Nutzung für freiberufliche Zwecke überlassen hat (vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH, insbesondere Urteile vom 17. Mai 1990 IV R 27/89, BFHE 162, 219, BStBl II 1991, 216, und vom 19. Februar 1991 VIII R 65/89, BFHE 164, 315, BStBl II 1991, 789; zur Anwendung dieser Grundsätze bei Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Anm.56, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 418767 |
BFH/NV 1993, 229 |