Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat tritt der Rechtsauffassung des I. Senats in dem Urteil I 54/52 S vom 1. Juli 1952 bei, daß der steuerlichen Vergünstigung nach § 7c EStG 1949 nicht entgegensteht, wenn die Zuschüsse oder unverzinslichen Darlehen aus Mitteln gegeben worden sind, die sich der Steuerpflichtige durch Aufnahme eines Kredites beschafft hat.
Die fiduziarische Abtretung der Forderung aus einem Baudarlehen gem. § 7c EStG 1949 muß nicht als Rückfluß des Darlehens behandelt werden.
Normenkette
EStG § 7c; StAnpG § 6/1, § 11/2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat Ende Dezember 1949 der Gemeinnützigen Baugenossenschaft eGmbH X - im folgenden Genossenschaft genannt - ein unverzinsliches Darlehen von 5.000 DM zur Förderung des Wohnungsbaues zur Verfügung gestellt. Nach dem Schuldschein der Genossenschaft kann der Darlehnsgeber das Darlehen frühestens zum 31. Dezember 1952 kündigen. Die Mittel für die Darlehnsgewährung hat sich der Bf. durch Aufnahme eines Kredits in gleicher Höhe bei der Stadt- und Kreissparkasse Y - im folgenden Sparkasse genannt - beschafft. Nach dem Kreditvertrag vom 8. Januar 1951 ist die Kreditsumme mit 7 % jährlich zu verzinsen und bis 31. Dezember 1952 zurückzuzahlen. Neben dem Kreditvertrag besteht ein die gleichen Bedingungen enthaltender Schuldschein des Bf. vom 29. Dezember 1949. In diesem verpflichtete sich der Bf., seine Darlehnsforderung von 5.000 DM gegen die Genossenschaft "zur Sicherung aller Forderungen aus dieser Darlehnsgewährung oder aus einem sonstigen Rechtsgrund" an die Sparkasse abzutreten. Die Abtretung ist in einer am gleichen Tage errichteten Urkunde erfolgt.
Die Vorinstanzen haben die von dem Bf. beantragte Gewährung der Vergünstigung des § 7c des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgelehnt. Nach der Auffassung des Finanzgerichts steht der steuerlichen Vergünstigung nach § 7c EStG nicht entgegen, daß das Darlehen aus Mitteln gegeben worden sei, die sich der Steuerpflichtige (Stpfl.) durch Aufnahme des Kredits beschafft hat. Das Finanzgericht ist jedoch der Meinung, daß die Rechtsgestaltung der Darlehnsgewährung im Streitfalle nicht mehr dem Sinn und Zweck des § 7c EStG entspricht. Nach § 364 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und der herrschenden Rechtsauffassung über die Novation sei in der Abtretung der Forderung gegen die Genossenschaft eine Rückzahlung des Darlehns durch Erfüllung des Darlehnsvertrages nicht zu erblicken. Andererseits stehe jedoch fest, daß durch die Forderungsabtretung an Stelle des ursprünglichen Darlehnsgebers nunmehr die Sparkasse getreten sei. Auch die gleichen Daten der Schuldscheine und der Abtretungserklärung sowie die gleiche Laufzeit der von der Sparkasse und dem Bf. gewährten Darlehen spräche dafür, daß eine Darlehnshingabe des Bf. aus eigener Verantwortlichkeit und eigenem Risiko nicht vorliege. Die Verschiedenheit der Zinssätze der beiden Darlehen sei nicht so gravierend, daß die ganze Vertragsgestaltung nicht doch noch steuerlich reizvoll erscheinen könne. Durch die Abtretung zu Sicherungszwecken werde die abgetretene Forderung genau so übertragen, wie durch eine gewöhnliche Abtretung. Der Sicherungszweck berühre nur das Innenverhältnis. Die Vergünstigung des § 7c könne nur dann gewährt werden, wenn das Darlehen unmittelbar und ausschließlich unter übernahme eines eigenen Risikos und eines tatsächlichen, wenn auch nur geringen Vermögensopfers gewährt wird. Das Finanzgericht ist daher der Auffassung, daß ein an sich ordnungsgemäß begründetes Darlehnsverhältnis zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues bei Unterbrechung der ursprünglichen Rechtsbeziehungen zwischen Darlehnsgeber und Darlehnsnehmer auf Grund einer Abtretung der Forderung aus dem Baudarlehen und der dadurch bedingten Verringerung des eigenen Risikos als eine Rechtsgestaltung im Sinne des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) betrachtet werden müsse.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.
Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat in der zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmten Entscheidung I 54/52 S vom 1. Juli 1952 den Rechtsgrundsatz aufgestellt, daß der steuerlichen Vergünstigung nach § 7c EStG nicht entgegensteht, daß die Zuschüsse oder unverzinslichen Darlehen aus Mitteln gegeben worden sind, die sich der Stpfl. durch Aufnahme eines Kredits beschafft hat. Er hat seine Auffassung wie folgt begründet:
"Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß die Steuervergünstigung des § 7c EStG lediglich davon abhängig gemacht worden ist, daß ein Darlehen zinslos hingegeben worden ist. Das Gesetz stellt es nicht darauf ab, daß die Gelder aus eigenen Mitteln stammen, also nicht im Kreditwege beschafft worden sind. Eine derartige Einschränkung hätte im Gesetzesbefehl ihren Ausdruck finden müssen, wie dies bei den Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 c und d EStG 1951 der Fall ist. Die Vergünstigung kann nur dann verweigert werden, wenn lediglich formal, aber nicht wirtschaftlich betrachtet "ein Darlehen hingegeben" worden ist." Der erkennende Senat tritt diesem Urteil bei.
Es fragt sich nunmehr, ob wirtschaftlich betrachtet ein Stpfl. auch dann noch als Darlehnsgeber im Sinne des § 7c EStG anerkannt werden kann, wenn er seinen Kreditgeber durch die fiduziarische Abtretung seiner Forderung gegen die Baugenossenschaft gesichert hat, der er das Darlehen zur Verfügung gestellt hat.
In dem Schriftsatz des Bf. vom 11. Juli 1952 ist wörtlich eine Mitteilung des Bundesministers der Finanzen an den Verband öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten wiedergegeben worden, nach der die fiduziarische Abtretung einer Darlehnsforderung im Sinne des § 7c EStG nicht als ein Rückfluß des Darlehns zu behandeln ist. Die das Steuerrecht beherrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise macht es notwendig, Tatbestände nicht ausschlaggebend nach bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten, sondern vor allem nach ihrer wirtschaftlichen Tragweite zu beurteilen. Daß die von einem Geldinstitut gewährten Kredite in irgendeiner Form gesichert werden, entspricht den Gepflogenheiten des Kreditverkehrs. Hätte der Bf. den ihm von der Sparkasse gewährten Kredit durch die fiduziarische Abtretung von Forderungen gegen seine Geschäftskunden gesichert, so würde dies der Gewährung der Steuervergünstigung des § 7c EStG nicht entgegenstehen.
Eine besonders strenge Beurteilung der Sach- und Rechtslage muß dann vorgenommen werden, wenn der Darlehnsgeber seine Forderung gegen eine Baugenossenschaft zur Sicherung an das Geldinstitut abtritt, von dem er auch die Mittel zur Darlehnsgewährung erhalten hat. Wenn nach dem klaren Wortlaut der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen die Abtretung der Forderung lediglich "zur Sicherung" des Geldinstituts erfolgte, der wirtschaftliche Zweck der Abtretung sich also in der Sicherstellung des Geldinstituts erschöpfte, dann würde die Abtretung nur das Mittel sein, um rechtlich die Sicherung des Geldinstituts durchzuführen. Wirtschaftlich würde in einem solchen Falle kein Rückfluß des der Baugenossenschaft gewährten Darlehens vorliegen. Siehe hierzu auch § 11 StAnpG. Zu einem solchen Ergebnis kann man jedoch nur dann kommen, wenn die Sach- und Rechtslage klar erkennen läßt, daß nach dem eindeutigen Willen der Beteiligten das Darlehnsverhältnis zwischen dem Geber des Baudarlehens und der Baugenossenschaft durch die fiduziarische Abtretung der Forderung wirtschaftlich betrachtet in keiner Weise berührt werden soll. Wenn sich der erkennende Senat im Streitfall entschlossen hat, das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu bejahen, so ist er hierzu dadurch bewogen worden, daß die Sparkasse bereits im Jahre 1950 auf ihre Rechte aus der Abtretung der Forderung verzichtet und im Januar 1951 die Darlehnsforderung auf das laufende Konto des Bf. übertragen hat. Der erkennende Senat glaubt aus diesen Tatsachen schließen zu können, daß nach dem Willen der Beteiligten ausschließlich der Bf. wirtschaftlich und tatsächlich der Darlehnsgeber gegenüber der Baugenossenschaft ist.
Das Finanzgericht hat ausgeführt, daß "nach den Intentionen" der Steuervergünstigung eine Rechtsgestaltung vorliegen müsse, die dem Darlehnsgeber mit einem zumutbaren Risiko belastet und ihm ein angemessenes Vermögensopfer auferlegt. Der Bf. hat hiergegen zutreffend eingewendet, daß diese Voraussetzungen vom Gesetzgeber nicht gefordert werden. Im übrigen ist festzustellen, daß dem Bf. auch im Falle der Abtretung der Forderung an die Sparkasse nach wie vor das Risiko der Rückzahlung des von ihm gewährten Darlehns trifft, und daß ein Vermögensopfer auch in dem Verzicht auf die Verzinsung des Darlehns liegt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten dann vorliegt, wenn ein vermögensloser Stpfl. sich nach dem im Streitfall geübten Verfahren Mittel zur Hergabe eines Darlehns beschafft. Da der Bf. unwidersprochen vorgetragen hat, daß er über Vermögenswerte verfügt, die es ihm ermöglicht hätten, das Darlehen an die Genossenschaft auch aus eigenen Mitteln zu gewähren, braucht hierüber nicht entschieden zu werden.
Hiernach waren die angefochtene Entscheidung, die Einspruchsentscheidung des Finanzamts und der Steuerbescheid aufzuheben.
Der Bf. hat mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien dem Senat jedoch zweckmäßig, gem. § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung vorerst ohne eine solche zu entscheiden.
Der Vorsteher des Finanzamts hat mündliche Verhandlung beantragt.
Der Vertreter des Finanzamts wiederholte das bisherige Vorbringen. Insbesondere machte er geltend, daß die Abtretung der Darlehnsforderung an die Sparkasse nicht sicherheitshalber, sondern an Erfüllungs Statt erfolgt sei. Die vertragliche Gestaltung der gesamten Beziehungen zwischen den Beteiligten lasse erkennen, daß ein Scheingeschäft vorliege.
Der Senat sieht keine Veranlassung, von der Rechtsauffassung, wie sie im Bescheid vom 21. Juli 1952 zum Ausdruck kommt, abzuweichen und verbleibt bei der dort getroffenen Entscheidung.
Bei der Auslegung des § 7c des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 darf der finanzpolitische Zweck dieser Vorschrift nicht unbeachtet bleiben. In dem Urteil IV 329/51 S vom 6. März 1952 (Bundessteuerblatt 1952 III S. 114) hat der Senat unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und auf Ausführungen des Bundesministers der Finanzen dargelegt, daß es in den ersten Jahren des Wiederaufbaues darauf ankam, den Bau von Wohnungen um jeden Preis zu fördern, d. h. selbst unter Verzicht auf Steuern erheblichen Ausmaßes.
Legt man die Vorschrift unter diesen Gesichtspunkten aus, so kann man das Vorliegen eines Scheingeschäfts nur dann bejahen, wenn ein zinsloses Darlehen von der Person, die die Steuervergünstigung beansprucht, nicht gewährt ist oder keine Wohnungen gebaut worden sind. Das trifft im Streitfall nicht zu. Vielmehr sind wirtschaftlich und formell die Voraussetzungen des § 7c EStG 1949 gegeben. Durch die Abtretung der Darlehnsforderung zum Zwecke der Sicherstellung ist der Kreditvertrag zwischen dem Beschwerdeführer (Bf.) und der Sparkasse nicht hinfällig geworden. Der Vertreter des Bf. hat in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, daß der Bf. nach wie vor für die Rückzahlung des Kredits selbstschuldnerisch haftet. Er ist auf Grund des Kreditvertrages im Falle einer Geldverknappung verpflichtet, der Sparkasse zu Refinanzierungszwecken ein Bankakzept in Höhe der jeweiligen Schuld zur Verfügung zu stellen. Er hat auch die Zinsen des Kredites zu bezahlen, und zwar in der jeweils gültigen Höhe.
Hiernach muß es bei der in dem Bescheid vom 31. Juli 1952 getroffenen Entscheidung verbleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 407528 |
BStBl III 1953, 11 |
BFHE 1954, 28 |
BFHE 57, 28 |