Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Berücksichtigung eines fiktiven Einheitswertes im Sinne des § 18 der 19.AbgabenDV-LA ist nur zulässig, wenn die Bestandsveränderung wegen des vor dem nächsten Fortschreibungszeitpunkt eingetretenen Schadens nicht mehr den Anlaß zu einer Fortschreibung geben konnte.

Zur Berücksichtigung des Gesetzeszweckes bei der Auslegung.

 

Normenkette

LAG § 100 Abs. 2; 19-AbgabenDV-LA 18; StAnpG § 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für die Hypothekengewinnabgabeminderung wegen Kriegsschadens von dem auf den 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswert des belasteten Grundstücks von 8.000 RM oder von einem fiktiven Einheitswert von 10.300 RM auszugehen ist. Die Abgabepflichtige erwarb am 1. März 1935 ein Grundstück. Der Einheitswert war zum 1. Januar 1935 auf 8.000 RM festgestellt worden. Im 1. Halbjahr 1935 ließ die Abgabepflichtige Umbauten durchführen, die zu einer Erhöhung der Rohmiete führten, so daß eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1936 erforderlich gewesen wäre. Die Abgabepflichtige unterließ es jedoch, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Da dem Finanzamt die Einzelheiten nicht bekannt wurden, unterblieb auch eine Fortschreibung von Amts wegen. Das auf dem Grundstück stehende Gebäude wurde im Jahre 1944 zerstört. Auf Antrag wurde daher der Einheitswert zum 21. Juni 1948 auf 1.800 DM fortgeschrieben. Die mit Schreiben vom 2. Juli 1955 beantragte Fortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1936 wurde vom Finanzamt abgelehnt. Da das Grundstück am 20. Juni 1948 mit einem Hauszinssteuerabgeltungsdarlehen und Hypotheken belastet war, wurde die Abgabepflichtige zur Hypothekengewinnabgabe herangezogen; bei der Berechnung der Schadensquote wurden die Einheitswerte von 8.000 RM zum 1. Januar 1935 und 1.800 DM zum 21. Juni 1948 zugrunde gelegt.

Gegen den auf dieser Grundlage ergangenen Hypothekengewinnabgabebescheid legte die Abgabepflichtige Einspruch ein und begehrte u. a. unter Berufung auf § 18 der Neunzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (19. AbgabenDV-LA) für die Schadensberechnung von dem Einheitswert auszugehen, der sich bei einer Fortschreibung auf den 1. Januar 1936 ergeben hätte, nämlich von einem Wert von 10.300 RM.

Der Einspruch blieb in diesem Punkte ohne Erfolg, der Berufung dagegen wurde stattgegeben. Nach der Ansicht des Finanzgerichts spreche § 18 der 19.AbgabenDV-LA im Zusammenhang mit dem letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Schadensfall von dem auf diesen Zeitpunkt festgestellten Einheitswert. Daß hierunter der letzte tatsächlich festgestellte Wert zu verstehen sei, gehe aus § 100 Abs. 2 LAG hervor, der diesen Wert dem für den 21. Juni 1948 geltenden Einheitswert gegenüberstelle. Unter diesem letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Schadensfall im Sinne des § 18 a. a. O. könne nur der Feststellungszeitpunkt verstanden sein, auf den der letzte Einheitswert tatsächlich festgestellt worden sei. Bei Bestandsveränderungen zwischen den Feststellungszeitpunkten sei von einem fiktiven, die Veränderung berücksichtigenden Einheitswert auszugehen. Für die Hypothekengewinnabgabe sei damit die zweifelhafte Frage, ob bei unterbliebenem Fortschreibungsantrag und endgültig verbliebenen ungerechtfertigten Steuervorteilen noch nachträglich eine Wertfortschreibung von Amts wegen gefordert werden könne, in einem dem Steuerpflichtigen günstigen Sinne entschieden worden. Die Korrektur des Einheitswerts nach § 18 der 19.AbgabenDV-LA sei im Hypothekengewinnabgabe-Festsetzungsverfahren vorzunehmen. Eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1936 liege nicht vor; letzter Feststellungszeitpunkt vor dem Schadensfall sei deshalb der 1. Januar 1935. Da die Bestandsveränderungen später erfolgt seien, lägen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 18 a. a. O. vor.

Der Vorsteher des Finanzamts ist in seiner Rb. der Ansicht, daß an Stelle des tatsächlich festgestellten Einheitswerts nur dann ein anderer Einheitswert anzusetzen sei, wenn sich der Bestand des Grundstücks zwischen dem letztmöglichen Feststellungszeitpunkt vor dem Schadensfall und dem Schadensfall verändert habe. § 18 a. a. O. beseitige lediglich die Härten, die sich daraus ergeben, daß ein Abgabepflichtiger keine Möglichkeit habe, durch eine Wertfortschreibung den zutreffenden Einheitswert vor dem Schadensfall feststellen zu lassen. Für alle anderen Fälle habe kein Bedürfnis für eine Härteregelung bestanden, weil dasselbe Ergebnis auf dem Weg der Fortschreibung hätte erzielt werden können. Selbst wenn es der Abgabepflichtige seinerzeit unterlassen habe, einen Antrag auf Wertfortschreibung von Amts wegen zu stellen, habe die Möglichkeit der Wertfortschreibung von Amts wegen bestanden, so daß es einer besonderen Rechtsverordnung zur Regelung dieser Fälle nicht bedurft habe. Es könne nicht Sinn und Zweck einer Rechtsverordnung sein, eine überflüssige Regelung zu treffen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Nach § 18 der 19.AbgabenDV-LA ist bei einer Bestandsveränderung des Grundstücks zwischen dem letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Schadensfalle und dem Schadensfalle für die Berechnung der Schadensqoute nach § 100 Abs. 2 LAG an Stelle des auf den genannten Feststellungszeitpunkt festgestellten Einheitswerts derjenige anzusetzen, der sich für denselben Zeitpunkt unter Berücksichtigung der Bestandsveränderung ergeben hätte. Es ist zuzugeben, daß der Wortlaut dieser Vorschrift die in der Vorentscheidung gegebene Deutung zuläßt; sie ist aber mit dem nach § 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) zu berücksichtigenden Zweck des Gesetzes nicht vereinbar.

Da die Bgin. den Umbau im Jahre 1935 vorgenommen hat, war sie in der Lage, die Fortschreibung des Einheitswerts zum 1. Januar 1936 zu beantragen; auch das Finanzamt hätte nach § 225 a AO die Fortschreibung von Amts wegen vornehmen können. Tatsächlich ist eine Fortschreibung nicht erfolgt. Der Senat hat im Urteil III 192/56 U vom 19. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 299, Slg. Bd. 65 S. 169, ausgeführt, daß das Interesse des Steuerpflichtigen an der Minderung seiner Hypothekengewinnabgabe die Fortschreibung des Einheitswerts seines kriegsbeschädigten Grundstück von Amts wegen auf einen vor Eintritt des Schadens liegenden Feststellungszeitpunkt jedenfalls dann nicht rechtfertige, wenn sämtliche von dem fortzuschreibenden Einheitswert abhängigen Steuern verjährt sind. Das Urteil hält eine Fortschreibung im Hinblick auf die Hypothekengewinnabgabe nicht für gerechtfertigt, weil der Steuerpflichtige gegenüber anderen Steuerpflichtigen dadurch bevorzugt würde, daß er die vom Einheitswert abhängigen Steuern wegen der Verjährung nicht zu entrichten brauchte, die bei rechtzeitiger Fortschreibung angefallen wären. In gleichem Maße ungerechtfertigt wäre es, wenn die Minderung der Hypothekengewinnabgabe über den § 18 a. a. O. erreicht werden könnte.

§ 100 Abs. 2 LAG geht für die Feststellung der Schadensquote grundsätzlich von den festgestellten Einheitswerten aus. Der Verordnungsgeber mußte eine Regelung für die Fälle treffen, in denen durch Bestandsveränderung des Grundstücks vor oder nach dem Schaden ein Vergleich der Einheitswerte zu einem unzutreffenden Ergebnis führen würde. Liegt die Bestandsveränderung vor dem Schaden, so war eine Regelung für den Fall erforderlich, daß eine Fortschreibung an sich gerechtfertigt, aber nicht mehr möglich war. Das trifft zu, wenn die Bestandsveränderung wegen des vor dem nächsten 1. Januar eingetretenen Schadensfalles nicht mehr zu einer Fortschreibung führen konnte. Geht man von dieser Zweckbestimmung des § 18 a. a. O. aus, so kommen die Fälle nicht in Betracht, in denen eine an sich mögliche Fortschreibung unterlassen worden ist.

Eine Bestandsveränderung hätte daher nur berücksichtigt werden können, wenn sie nach dem 1. Januar 1944 eingetreten wäre. Da jedoch der Umbau des Hauses schon im Jahre 1935 durchgeführt wurde, kann ein fiktiver Einheitswert für einen Zeitpunkt vor dem Schaden nicht mehr festgestellt werden.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409548

BStBl III 1960, 52

BFHE 1960, 140

BFHE 70, 140

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