Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Lotterie von einer Kapitalgesellschaft betrieben, so sind die Befreiungsvorschriften des § 3 Ziff. 1 GewStG und des § 13 GewStDV auch dann nicht anwendbar, wenn sich die Anteile in der Hand des Staates befinden. Der Große Senat tritt damit der Entscheidung des I. Senats I 240/60 S vom 14. März 1961 (BStBl 1961 III S. 212, Slg. Bd. 72 S. 581) bei.
Normenkette
GewStG § 3 Ziff. 1; GewStDV § 13
Tatbestand
Der Bf. ist Einnehmer der staatlichen Nordwestdeutschen Klassenlotterie, der Niedersächsischen Fußballtoto GmbH und der Niedersächsischen Zahlenlotto GmbH. Sein Betrieb, in dem er fünf bis sieben Angestellte beschäftigt und erhebliche Umsätze tätigt, ist ein kaufmännisch eingerichteter Geschäftsbetrieb.
Er begehrt für die Provisionseinnahmen und die Bearbeitungsgebühren, die er im Jahre 1956 von der Niedersächsischen Zahlenlotto GmbH erhalten hat, nach § 13 GewStDV 1955 Gewerbesteuerfreiheit. Nach dieser Vorschrift unterliegt die Tätigkeit der Einnehmer einer staatlichen Lotterie auch dann nicht der Gewerbesteuer, wenn sie im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausgeübt wird. Zwischen dem Bf. und dem Finanzamt besteht Einigkeit darüber, daß der Bf. seine Tätigkeit für die Niedersächsische Zahlenlotto GmbH im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausübt und daß es sich bei dem Zahlenlotto um eine Lotterie im Sinne des § 13 GewStDV 1955 handelt.
Streit besteht zwischen den Beteiligten jedoch darüber, ob es sich bei der Niedersächsischen Zahlenlotto GmbH um eine staatliche Lotterie im Sinne der genannten Vorschrift handelt, was das Finanzamt verneint, der Bf. aber bejaht.
Der Bf. stützt sich für seine Auffassung maßgeblich auf die tatsächliche Gestaltung des Niedersächsischen Zahlenlottos. In dieser Hinsicht ist folgender Sachverhalt von Bedeutung:
Am Stammkapital der Niedersächsischen Zahlenlotto GmbH sind beteiligt: mit 70 v. H. das Land Niedersachsen; mit je 10 v. H. die Braunschweigische Staatsbank, die Bremer Landesbank und die Niedersächsische Landesbank (Girozentrale). Diese drei Banken sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das Grundkapital der Braunschweigischen Staatsbank ist in voller Höhe vom ehemaligen Braunschweigischen Staat bzw. vom Land Niedersachsen aufgebracht. Die Bremer Landesbank ist zu je 25 v. H. von den Ländern Bremen und Niedersachsen und zu 50 v. H. von der Niedersächsischen Landesbank (Girozentrale) mit Stammkapital ausgestattet worden. Das Stammkapital der Niedersächsischen Landesbank ist je zur Hälfte vom Land Niedersachsen und vom Niedersächsischen Sparkassen- und Giroverband (Körperschaft des öffentlichen Rechts) zur Verfügung gestellt.
Die Zahlenlotto GmbH hat an das Land Niedersachsen eine Konzessionsabgabe sowie die verbleibenden überschüsse abzuführen; die abgeführten Beträge werden für öffentliche Zwecke verwendet (§§ 11 bis 13 des niedersächsischen Gesetzes über das Zahlenlotto vom 27. Februar 1956, Niedersächsisches GVBl 1956 S. 9; Ziff. 5 der Konzessionsurkunde vom 4. Mai 1956, Niedersächsisches Ministerialblatt 1956 S. 342). Der Minister des Innern bestimmt im Benehmen mit dem Minister der Finanzen die Höhe der Haftungsrücklage und der Zuführung zu dieser (ß 10 a. a. O.). Die GmbH unterliegt einer weitgehenden Staatsaufsicht (ß 14 a. a. O.; Ziff. 6 der Konzessionsurkunde) sowie der Prüfung durch den Landesrechnungshof (ß 15 a. a. O.). In dem Gesellschaftsvertrag vom 27. März 1956 sind dem Land außerdem die sich aus den §§ 48 Abs. 1, 110 u. f. der Reichshaushaltsordnung ergebenden Rechte eingeräumt. Die beteiligten drei Staatsbanken erhalten lediglich eine Verzinsung ihrer Stammeinlage.
Der Bf. ist der Meinung, daß bei dieser Sachlage die Rechtsform des Niedersächsischen Zahlenlottos als private Gesellschaft nicht entscheidend sein könne. Entscheidend könne nur sein, daß sich die Zahlenlotto GmbH nach ihrer tatsächlichen Gestaltung als reines Instrument des Landes Niedersachsen darstelle. Da im übrigen das Land Niedersachsen die Erträge der GmbH so gut wie ausschließlich erhalte, sei auch der innere Grund für die Steuerbefreiung gegeben.
Das Finanzamt vertritt demgegenüber die Meinung, daß bei sinngerechter Wortauslegung als staatliche Lotterie im Sinne des § 13 GewStDV 1955 nur eine vom Staat unmittelbar betriebene Lotterie anerkannt werden könne. Die Steuerbefreiung könne nicht auf Fälle ausgedehnt werden, in denen das Zahlenlotto - wie hier - von einer Gesellschaft des privaten Rechts betrieben werde. Demgemäß hat es die Steuerbefreiung versagt.
Das Finanzgericht hat die vom Bf. statt des Einspruchs eingelegte Berufung (ß 261 AO) als unbegründet zurückgewiesen, indem es in übereinstimmung mit dem Finanzamt der für das Niedersächsische Zahlenlotto gewählten Rechtsform entscheidende Bedeutung im Sinne des Finanzamts zuerkannte, darüber hinaus aber insbesondere die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung deshalb verneinte, weil es sich bei dem Zahlenlotto ebenso wie beim Fußballtoto nicht um eine Lotterie, sondern um eine Wette im Sinne des bürgerlichen Rechts handle.
Dagegen richtet sich die Rb., für deren Entscheidung der Große Senat des Bundesfinanzhofs nach § 66 Abs. 1 AO zuständig geworden ist.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren über die Rb. gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten. Er hat Zurückweisung der Rb. beantragt, Nach seiner Meinung ist es allerdings - im Gegensatz zu der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung - unerheblich, daß das Niedersächsische Zahlenlotto nicht unmittelbar durch den Staat, sondern durch eine Gesellschaft des Privatrechts betrieben wird. Entscheidend sei vielmehr, wie er ausführt, allein, ob das Land Niedersachsen sich das ausschließliche Recht, Ausspielungen durchzuführen, d. h. das sogenannte Lotterieregal vorbehalten habe. Das sei nicht geschehen. Das Gesetz vom 27. Februar 1956 enthalte keinen derartigen Vorbehalt. Das Land Niedersachsen habe sich vielmehr darauf beschränkt, der Niedersächsischen Zahlenlotto GmbH eine Konzession zur Veranstaltung eines Zahlenlottos zu erteilen. Das Zahlenlotto sei aus diesem Grunde in Niedersachsen keine staatliche Lotterie.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Der Bf. übt seine Tätigkeit als Einnehmer der Niedersächsischen Zahlenlotto GmbH im Rahmen eines Gewerbebetriebs aus. Daß es sich bei dem Zahlenlotto um eine Lotterie und - im Gegensatz zu der vom Finanzgericht vertretenen Auffassung - nicht um eine Wette handelt, erachtet der Senat in Anbetracht der durchaus ungewissen, vom Zufall abhängigen Gewinnmöglichkeit nicht für zweifelhaft (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs II 32/51 U vom 20. Juli 1951, BStBl 1951 III S. 166, Slg. Bd. 55 S. 418).
Zu entscheiden bleibt die Streitfrage, ob es sich bei dem Niedersächsischen Zahlenlotto um eine staatliche Lotterie handelt. Mit dieser Frage hat sich - bei gleichliegendem Sachverhalt - bereits der I. Senat des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung I 240/60 S vom 14. März 1961 (BStBl 1961 III S. 212, Slg. Bd. 72 S. 581) auseinandergesetzt. Er hat - vom Wortsinn "staatlich" ausgehend - dahin erkannt, daß als staatliche Lotterie schlechthin, d. h. auch ohne den vom Bundesminister der Finanzen und nur solche Unternehmen angesehen werden können, die der Staat unmittelbar selbst betreibt (Regiebetriebe), und zwar in der Form eines Betriebs gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (ß 1 Abs. 1 Ziff. 6 KStG). Demgemäß hat der I. Senat weiter ausgesprochen, daß die Befreiungsvorschrift des § 13 GewStDV auch dann keine Anwendung finden kann, wenn alle Anteile einer die Lotterie unterhaltenden Kapitalgesellschaft in der Hand des Staates sind.
Dem tritt der Große Senat bei. Der Senat sieht sich im Streitfall an einer Anerkennung der niedersächsischen Zahlenlotto GmbH als staatliche Lotterie um so mehr gehindert, als sich nicht alle Anteile dieser GmbH in Staatshänden befinden, da die beteiligten Banken selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, die zum Teil nicht einmal voll vom Land beherrscht werden (Beteiligung des Niedersächsischen Sparkassen- und Giroverbands).
Mit dieser Abstellung auf die Rechtsform wird - entsprechend dem Ausnahmecharakter der Befreiungsvorschrift - eine klare Abgrenzung zwischen steuerlich begünstigten und steuerlich nicht mehr begünstigten Tätigkeiten erreicht.
Die bei einer ausdehnenden Gesetzesauslegung auftauchende Frage, unter welchen Voraussetzungen die unmittelbare oder mittelbare Einschaltung nichtstaatlicher Körperschaften als unschädlich oder noch als unschädlich anzusehen wäre, würde erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten machen und würde in einer für die praktische Gesetzesanwendung befriedigenden und brauchbaren Weise von der Rechtsprechung kaum gelöst werden können. Eine Lösung der hiermit zusammenhängenden Fragen müßte gegebenenfalls dem Gesetzgeber überlassen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 411026 |
BStBl III 1964, 190 |
BFHE 78, 496 |