Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 19 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 DMBG gestattete nicht allgemein die Bewertung der Beteiligungen mit dem in der DM-Eröffnungsbilanz ausgewiesenen Substanzwert der Beteiligungsgesellschaft; auch ein wegen besonderer Gründe zulässiger höherer Wertansatz war nur vorläufig.
Die sich aus § 1, § 5 Abs. 3 und § 12 Ziff. 11 des 3. DMBErgG ergebende rückwirkende änderung des vorläufigen Wertansatzes einer Beteiligung nach Ziff. 1 verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
DMBErgG § 1, § 5 Abs. 3, § 12 Ziff. 11; GG Art. 2 Abs. 1.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1; 3-DMBEG 1; 3-DMBEG 5/3; 3-DMBEG 12/11; DMBG § 19
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt durch die Anwendung der Vorschriften des Dritten D-Markbilanzergänzungsgesetzes (3. DMBErgG) vom 21. Juni 1955 (BGBl 1955 I S. 297) gegen Treu und Glauben verstieß und ob diese Vorschriften wegen ihrer Rückwirkung zuungunsten der Steuerpflichtigen mit der in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Handlungsfreiheit vereinbar sind. Nach § 1 des 3. DMBErgG gelten alle Wertansätze für Beteiligungen im Sinne des § 19 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) als vorläufige Werte. Die endgültigen Werte des 3. DMBErgG sind mit rückwirkender Kraft und unter Abänderung zwischenzeitlich rechtskräftig gewordener Veranlagungen in die DM-Eröffnungsbilanz einzusetzen (ß 5 Abs. 3, § 12 Ziff. 11 des 3. DMBErgG).
Die im April 1948 gegründete beschwerdeführende GmbH (Bfin.) besaß im Zeitpunkt der Währungsumstellung alle Anteile an einer an demselben Tage gegründeten GmbH. Die GmbH hatte ein Stammkapital von 100 000 RM und wies ohne Berücksichtigung der Lastenausgleichsabgaben, insbesondere der 280 300 DM betragenden Kreditgewinnabgabe, in ihrer DM-Eröffnungsbilanz ein Eigenkapital (Substanzwert) von zunächst 326 249,75 DM aus. Mit diesem Betrag setzte die Bfin. ihre Beteiligung an der GmbH unter Bezugnahme auf § 19 DMBG in die DM-Eröffnungsbilanz ein. Als sie am 1. November 1952 die Beteiligung zum Kaufpreis von 100 000 DM veräußerte, ergab sich ein Verlust von 226 249,75 DM.
Die Bfin. ist der Auffassung, daß dieser Verlust bei den folgenden Veranlagungen abgezogen werden müsse und daß sich deshalb im Streitjahr 1954 ein Einkommen von 0 DM ergebe. Da unstreitig der sich nach dem 3. DMBErgG ergebende endgültige Wertansatz für die Beteiligung in der DM-Eröffnungsbilanz der Bfin. nur 125 000 DM beträgt, ergab sich im Jahr 1952 nach Auffassung des Finanzamts nur ein Veräußerungsverlust von 25 000 DM, der sich erstmals bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1954 dahin auswirkte, daß die Körperschaftsteuer bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 46 821 DM 27 876 DM betrug.
Die Bfin. stimmt mit dem Finanzamt darin überein, daß sich die vom Finanzamt gezogenen Folgerungen bei Anwendung des § 1, § 5 Abs. 3 und § 12 Ziff. 11 des 3. DMBErgG ergeben. Diese Vorschriften seien aber, so führt die Bfin. aus, wegen der Rückwirkung zu ihren Ungunsten mit Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Ihre Anwendung verstoße, selbst wenn sie als rechtsgültig angesehen werden könnten, im vorliegenden Fall gegen Treu und Glauben. Denn das Finanzamt habe sowohl bei der ursprünglichen, rechtskräftig gewordenen Körperschaftsteuerveranlagung 1954 als auch bei einer Berichtigung dieses Bescheids auf Grund einer im Jahr 1950 durchgeführten Betriebsprüfung die endgültige Bewertung der Beteiligung mit der in der Bilanz der GmbH ausgewiesenen Substanz anerkannt.
Die Sprungberufung blieb erfolglos. Das Finanzgericht begründete seine in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1960 Nr. 375 (S. 338) veröffentlichte Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Es könne dahingestellt bleiben, ob § 19 DMBG gestattet habe, die zum Anlagevermögen gehörenden Beteiligungen in der DM-Eröffnungsbilanz endgültig mit einem höheren als dem sich aus § 22 Abs. 2 DMBG ergebenden Wert anzusetzen. In Anbetracht der diese Frage von Anfang an verneinenden Stellungnahme der Finanzverwaltung und der von namhaften Kommentatoren des DMBG vertretenen gleichen Auffassung (z. B. Kommentare zum DM-Bilanzgesetz, Geiler-Stehlik-Veith, 1950, Abschn. IV und V zu § 19; Beuck-Paret, 1949, Anm. 2 zu § 19, und Meilicke, 1949, Anm. 8 zu § 22) habe die Bfin. in jedem Falle mit einer rückwirkenden Regelung durch den Gesetzgeber rechnen müssen. Selbst wenn sich die Bfin. bei der Auslegung des § 19 DMBG der Auffassung der Wirtschaft angeschlossen habe, daß Beteiligungen mit einem höheren als dem sich aus § 22 Abs. 2 ergebenden Wert (1/3 des letzten Vermögensteuerwertes) endgültig hätten angesetzt werden dürfen, so habe sie doch in den Kreis ihrer Erwägungen einbeziehen müssen, daß der Gesetzgeber einen die hohe Kreditgewinnabgabe nicht berücksichtigenden Substanzwert der GmbH nicht als endgültige Grundlage der Bewertung der Beteiligung würde zulassen können. Eine Wiederaufrollung der rechtskräftigen Veranlagung 1954 verstoße im vorliegenden Fall auch nicht gegen Treu und Glauben. Es sei zunächst nicht einzusehen, wieso die geschäftlichen Dispositionen der Bfin., insbesondere die Veräußerung der GmbH-Anteile, durch den höheren Wertansatz der Beteiligung in der ursprünglichen DM-Eröffnungsbilanz hätten beeinflußt werden können. Wäre der sich jetzt nach dem 3. DMBErgG ergebende niedrigere Wert der GmbH-Anteile von Anfang an in die DM-Eröffnungsbilanz eingesetzt worden, so hätte die Bfin. allenfalls im November 1952 einen niedrigeren, nicht aber einen höheren Kaufpreis erzielt. Daß das Finanzamt bei der endgültigen Veranlagung 1954 den dem vollen Substanzwert ohne die Kreditgewinnabgabe entsprechenden Wertansatz der Beteiligung in der DM-Eröffnungsbilanz nicht beanstandete, stehe der Geltendmachung von Steueransprüchen nicht entgegen, wenn sie der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der GmbH ist nicht begründet.
Der Senat stimmt der Vorentscheidung zu. Die Bewertung der Beteiligung an der GmbH in der DM-Eröffnungsbilanz der Bfin. richtete sich zunächst nach § 19 DMBG. Danach waren zum Anlagevermögen gehörende Beteiligungen nach den für Wertpapiere des Umlaufvermögens (§§ 21, 22 DMBG) geltenden Vorschriften anzusetzen, soweit nicht besondere Gründe einen höheren Wertansatz rechtfertigten. Nach der für Umlaufvermögen maßgebenden Vorschrift des § 22 Abs. 2 DMBG waren die GmbH-Anteile, für die ein Börsenkurs nicht festgesetzt ist, vorläufig höchstens mit einem Drittel des zuletzt vor dem 21. Juni 1948 festgestellten Vermögensteuerwertes anzusetzen, es sei denn, daß besondere Gründe einen höheren Wertansatz rechtfertigten. Berücksichtigt man, daß die Erkenntnismöglichkeiten über den tatsächlichen Wert der Wertpapiere und Beteiligungen im Sinne des § 22 Abs. 2 DMBG bei der Verkündung des DMBG im Jahre 1949 sowohl durch die damals zwar in ihren Umrissen, aber noch nicht endgültig erkennbare Gesetzgebung über den Lastenausgleich wie auch die Aussichten auf die künftige Rentabilität sehr beschränkt waren, so ist es verständlich, daß sich der Gesetzgeber weitgehend mit vorläufigen Wertansätzen begnügte. § 19 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 DMBG konnte schon damals nicht anders verstanden werden, als daß der Gesetzgeber die Beteiligungsbewertungen nach § 22 Abs. 2 des Gesetzes uneingeschränkt für vorläufig erklärte. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, warum die Beteiligungsbewertung den Charakter der Vorläufigkeit dadurch hätte verlieren sollen, daß der Steuerpflichtige besondere Gründe als gegeben annahm und sich deshalb zum Ansatz eines vom Vermögensteuerwert abweichenden Wertes für berechtigt ansah. Es lag im Gegenteil die Annahme nahe, daß die Vorläufigkeit des Wertansatzes um so mehr gerechtfertigt und notwendig sein sollte, je höher der Wertansatz 1/3 des letzten Vermögensteueransatzes überstieg. Es kommt hinzu, daß schon § 14 Abs. 2 DMBG eine rückwirkende änderung der DM-Eröffnungsbilanzen der GmbH und ihrer Gesellschafter also auch der Bfin., insoweit vorsah, als sich aus dem Lastenausgleich Vermögensänderungen der GmbH ergeben würden.
Selbst wenn man aber annehmen wollte, die Bfin. habe der Auffassung sein können, § 19 DMBG ermögliche den Ansatz endgültiger Beteiligungswerte, so mußte die Bfin. ebenso wie alle anderen betroffenen Steuerpflichtigen doch erhebliche Zweifel darüber haben, ob ihre Auslegung des § 19 DMBG zutreffend sei und später vom Gesetzgeber gebilligt werden würde. Das ergibt sich daraus, daß nicht nur die Verwaltung von vornherein (vgl. Ziff. 29 d der Verwaltungsanordnung betreffend steuerliche Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz vom 28. Mai 1951), sondern auch fast alle Kommentatoren des DMBG den Wertansatz der Beteiligung nach § 19 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 DMBG in keinem Fall für endgültig hielten und mit einer späteren Regelung durch den Gesetzgeber rechneten. Es kommt hinzu, daß die Fassung des § 19 DMBG keinen Anhalt bot, Beteiligungen allgemein abweichend von den sich aus den §§ 21 und 22 DMBG ergebenden Grundsätzen mit dem vollen Substanzwert anzusetzen. Nach dem Gesetz ist eine abweichende Bewertung von Beteiligungen nur aus besonderen Gründen gerechtfertigt. Es ist nicht ersichtlich, welcher besondere Grund vorgelegen haben könnte, der eine von den §§ 21 und 22 DMBG abweichende Bewertung der Beteiligung rechtfertigte. Der im November 1952 erzielte Veräußerungspreis spricht jedenfalls gegen den höheren Ansatz.
Bei dieser Sachlage kann der Auffassung der Bfin. nicht zugestimmt werden, daß im Streitfall durch die Vorschriften des 3. DMBErgG das in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit verletzt wurde und sie deshalb unwirksam sind. Eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG entfällt schon deshalb, weil die Wertansätze der §§ 19, 22 Abs. 2 DMBG nur vorläufig waren und der gesetzgeberische Vorbehalt eines rückwirkenden Ersatzes der vorläufigen Werte notwendig zur Vorschrift über endgültige Wertansätze im DMBG führen mußte.
Stimmen demnach die vorbezeichneten Vorschriften des 3. DMBErgG mit dem GG überein, so war das Finanzamt verpflichtet, die zwischenzeitlich rechtskräftig gewordene Veranlagung 1954 wieder aufzurollen und den Verlust aus dem Jahr 1952 unter Zugrundelegung des endgültigen Wertansatzes neu zu berechnen (ß 12 Ziff. 11 des 3. DMBErgG). In der Befolgung dieses Gesetzesbefehls kann nicht deshalb ein Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen werden, weil das Finanzamt bei den früheren Veranlagungen den Wertansatz der Beteiligungen in der DM-Eröffnungsbilanz mit dem vollen, nicht um die Kreditgewinnabgabe geminderten Substanzwert nicht beanstandete. Bei der Entscheidung darüber, ob das Verhalten des Finanzamts nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dazu führen kann, eine eindeutige Anordnung des Gesetzgebers nicht zu befolgen, darf nicht außer Betracht gelassen werden, daß die Bfin. jedenfalls im Zeitpunkt des Verkaufs der Beteiligung im November 1952 nicht mehr den geringsten Zweifel daran haben konnte, daß sie wirtschaftlich den von ihr behaupteten Verlust nicht erlitten hatte. Denn im November 1952 war bereits das LAG vom 14. August 1952 verkündet, aus dem sich die erhebliche, die Substanz der GmbH am 21. Juni 1948 mindernde Kreditgewinnabgabe ergab. Daß diese Kreditgewinnabgabe zu einer entsprechenden Berichtigung der DM-Eröffnungsbilanz der GmbH und damit des Substanzwerts der Beteiligung führen werde, stand bei dem Verkauf der Beteiligung schon nach § 14 Abs. 2 DMBG fest. Es besteht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben keine Veranlassung, es nach Verkündung des 3. DMBErgG bei der sachlich nicht berechtigten, mit dem Gesetz nicht zu vereinbarenden Verlustberechnung zu belassen.
Fundstellen
Haufe-Index 409910 |
BStBl III 1961, 58 |
BFHE 1961, 152 |
BFHE 72, 152 |
DB 1961, 325 |